Leichenwagen als Camper Wie schläft es sich dort, wo Tote gelegen haben?

Ausgediente Bestattungswagen bekommen als Wohnmobil eine zweite Bestimmung. Im Museum für Sepulkralkultur in Kassel konnte man am Sonntag ganz entspannt Probe liegen - auf Zeit und nicht "für immer". Aber was macht den Reiz aus, in so einem Auto zu schlafen?

Ein Mann sitzt im Kofferraum eines Bestattungswagens. Er ist mit grünem Kunstrasen ausgelegt.
Arne Kunkel hat sich mit seiner Frau einen ausgemusterten Bestattungswagen gekauft und ihn zum Mini-Camper umgebaut. Bild © Julia Maria Klös (hr)

Gediegene Lackierung, Gardinen, eine Trennwand zum Fahrerraum: Arne Kunkel aus Kassel hat seinen "Heinrich" im Innenhof des Museums für Sepulkralkultur geparkt. Der 44-Jährige fährt einen 1988er-Pollmann-Leichenwagen, der bis 2018 noch von einem Bestatter in Marburg genutzt wurde. 

Eigentlich war Kunkel auf der Suche nach einem Kombi, doch alle normalen Modelle waren viel zu teuer. Dann kreuzte der Bestattungswagen seinen Weg. Seitdem sind Kunkel, seine Frau Katrin Feldmeier und Heinrich unzertrennlich. 

Unterwegs gibt's schon mal irritierte Blicke, denn die Beiden nutzen das Fahrzeug nicht nur im Alltag zum Transport, sondern auch als Mini-Camper.

Blick in den Camper von Arne Kunkel. An den Wänden eine Holzverkleidung. In der Mitte eine Matratze mit Bettzeug. Dazu Beleuchtung. Die Fahrerkabine ist mit einer Scheibe abgetrennt.
Gemütlich oder pietätlos: Blick in den Camper von Arne Kunkel. Bild © Museum für Sepulkralkultur/privat

Zelt an der Heckklappe 

Egal ob im Frühjahr, Sommer oder Weihnachten am Rennsteig in Thüringen - Heinrich bietet dem Paar ausreichend Platz zum Ausbreiten. Ein Zelt kommt dann an die geöffnete Heckklappe - fertig ist das Zwei-Zimmer-Feriendomizil.  

Aber ist es nicht komisch, dort zu schlafen, wo Gestorbene gelegen haben? Nein, sagt Kunkel. Anders als in einem alten Krankenwagen oder Rettungswagen sei in seinem Fahrzeug niemand gestorben, berichtet er, "bei mir waren alle schon tot".

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Aktion: Probeliegen im Bestattungswagen 

Insgesamt fünf Fahrzeuge haben am Sonntag im Innenhof des Museums für Sepulkralkultur gestanden - Besucherinnen und Besucher konnten in den großräumigen Oldtimern sogar Probeliegen. 

Das Treffen der Bestattungswagen fand im Rahmen der Sonderausstellung "dazwischen 2.0" statt. Eine Abteilung ist dem Thema "Leichentransport" gewidmet. Hier werden Fotos von den Leichenwagen gezeigt. 

Gerold Eppler, der stellvertretende Geschäftsführer des Museums, hatte dafür im Vorfeld der Ausstellung Kontakt zu Besitzerinnen und Besitzern historischer Leichenwagen aufgenommen. Alle Fahrzeuge werden mittlerweile nur noch für private Zwecke genutzt. 

Wie viele Bestattungswagen in Hessen von Privatleuten gesteuert werden, lässt sich nicht ermitteln. Laut Kraftfahrtbundesamt lassen sich diese Daten den amtlichen Statistiken nicht entnehmen.  

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"DIN 75081 Straßenfahrzeuge - Bestattungskraftwagen" regelt alles

Während private Besitzerinnen und Besitzer mit ihren umgebauten Bestattungswagen völlig frei unterwegs sind, gelten für Fahrzeuge im gewerblichen Einsatz klare Vorgaben - festgelegt in der DIN 75081. Diese Norm schreibt genau vor, welche technischen Voraussetzungen die Fahrzeuge erfüllen müssen.

Sie legt beispielsweise fest, wie Leichentransportbehältnisse gesichert werden, wie Beigaben oder andere Gegenstände transportiert werden oder wie die Geruchstrennung gesichert wird. 

Doch welchen Reiz machen diese Fahrzeuge für Privatpersonen aus? Eppler hat vor allem eine "Vorliebe für alte Fahrzeuge oder Fahrzeuge eines bestimmten Typs" ausgemacht. Ein geringer Kilometerstand und ein guter Gesamtzustand sei zusätzlich interessant.  

Haben Bestattungswagenfahrer ein "besonderes Endlichkeitsbewusstsein"? Ja!

Museums-Geschäftsführer Eppler beobachtet außerdem "ein besonderes Endlichkeitsbewusstsein der Besitzerinnen und Besitzer". Bestes Beispiel dafür ist Kunkel. Er habe im Gegensatz zu anderen Leuten ein entspanntes Verhältnis zum Tod, erklärt Kunkel.

Heute müsse alles, was tot ist, "sofort zugedeckt und nach ein paar Tagen verscharrt werden". Früher habe man die Toten in der Mitte der Gesellschaft aufgebahrt und sich richtig verabschiedet.

In dem Hof eines Altbaus stehen drei Bestattungswagen-Oldtimer.
Aktion vom Museum für Sepulkralkultur: Am Sonntag konnten Interessierte in einem der Bestattungswagen "probeliegen". Bild © Julia Maria Klös (hr)

75-prozentige Nutzung als Camper

In Hessen gibt es etwa 25 aktive Fahrerinnen und Fahrer und etwa 75 Prozent nutzten ihre Fahrzeuge zum Schlafen, teilte Robert Besken auf hr-Anfrage mit. Besken organisiert jährlich ein Treffen in Hessen, an dem bis zu 40 Fahrzeuge teilnehmen.

Die Bestattungswagen-Fans vernetzen sich über das Leichenwagen-Forum im Netz. Dort informiert man sich laut Besken über Fahrzeuge, deren Geschichte, Hersteller, Reparaturen, Ersatzteile und Treffen. Aber nicht nur das. Dazu gebe es "einen regen Austausch über Friedhöfe, Bestattungskultur, Ausstellungen und Veranstaltungen zum Thema Tod und Vergänglichkeit".

Außerdem findet in Leipzig (Sachsen) am Pfingstsamstag jedes Jahr eine Demo "zum Erhalt zeremonieller Bestattungswagen und andächtiger Friedhöfe" statt. 2024 waren hier laut Besken 55 Fahrzeuge am Start.

Kündigung wegen Bestattungswagen 

Jörn Spannring aus Frankfurt hat das ambivalente Verhältnis vieler Menschen zum Thema Tod den Job gekostet. Sein Fahrzeug hat er 1997 direkt vom Bestatter gekauft. Seitdem fährt er jedes Jahr damit in den Urlaub, dreimal war er mit dem Wagen schon am Nordkap - und einmal bei seiner neuen Arbeitsstelle, einem Kinderheim. 

Der Erzieher war mit dem Auto zur Arbeit gefahren. Sein Chef fand das Fahrzeug "gar nicht witzig”, weil im Heim Kinder lebten, die bereits Elternteile verloren hatten. Die Folge: Spannring wurde in der Probezeit sofort gekündigt. Der Vorfall zeigt: Ein Bestattungswagen ist für viele mehr als nur ein Auto. Doch wird ein Bestattungswagen vor der ersten Fahrt besonders eingeweiht?

Blick in einen ausrangierten Bestattungswagen. In der Mitte eine Matratze. Links liegen zwei zusammengeklappte Campingstühle.
Blick in den Wagen von Jörg Spannring. Bild © Julia Maria Klös (hr)

Kein Ritual bei Indienstnahme und Ausscheiden 

Ein besonderes Ritual kenne er nicht, so Museumsgeschäftsführer Eppler. Doch manche Bestattungsinstitute ließen ihre Fahrzeuge vor dem ersten Transport von einem Pfarrer segnen. 

Beim Übergang in eine private Nutzung geht das Ganze weniger festlich vonstatten. Ein besonderes Ritual hat Heinrich nicht erfahren, als sein Dienst als Bestattungswagen ad acta gelegt wurde.  

Bei Kunkel war auch keine Zeit dafür: "der ist bei mir auf den Hof gerollt und vollgeladen worden".

Weitere Informationen

Das Museum für Sepulkralkultur

Das Museum für Sepulkralkultur besitzt Sammlungen, die vornehmlich aus der christlich-abendländischen Kultur stammen und ca. 25.000 Exponate aus dem Zeitraum vom 1. Jh.n.u.Z. bis heute umfassen. Durch Ankäufe und Schenkungen werde diese Sammlung kontinuierlich ausgebaut, teilt das Museum auf seiner Webseite mit.

Derzeit zeigt es in der Dauerausstellung die Entwicklung der Grabmalkultur vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Ein weiterer Teil sind brauchtümliche und volksreligiöse Exponate der Bestattungs-, Trauer und Gedenkkultur.

Das Museum ist dienstags bis sonntags jeweils von 10 bis 17 Uhr geöffnet, mittwochs bis 20 Uhr. An diesem Tag findet um 17 Uhr eine öffentliche Führung statt.

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Quelle: hessenschau.de/Julia Maria Klös

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6 Kommentare

  • Ist für mich ein auto wie jedes andere auch -
    zum leben gehört der tod dazu, also eine logische nutzung von ausgemusterten leichenwagen. erinnert mich stark an Harold und Maude, wo der schräge Hauptdarsteller , um aufzufallen/ zu provozieren, einen hearse kauft und damit überall vorfährt. Ein übrigens sehr sehenswerter, nachdenklich machender Film.

  • Die Idee an sich ist schon ziemlich sinnig.

    Es wird genug Platz sein, um einigermaßen gemütlich schlafen zu können. Bei gleichzeitig geringeren Ausmaßen als ein richtiger Camper.

    Die Leute sind ja nicht in der Fahrzeug verstorben und werden auch nicht direkt mit irgendeiner Oberfläche Kontakt gehabt haben. Ich würde das Aussehen aber auch ändern, also nicht schwarz und mit Gardinen. Das hätte dann wieder zu viel von eher peinlicher Effekthascherei.

    Aber wenn das Fahrzeug noch gut genug ist und genutzt werden kann, besser das als sinnfrei verschrotten.

  • Der Tod gehört zum Leben, er ist der letzte Schritt.
    Diesen Weg gehen wir alle, so steht es am Eingang zum Friedhof in Nieder-Wöllstadt.
    Insofern finde ich das in keiner Weise verwerflich.

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