Mann ohne Hose "Gruselige" Skulptur aus Büchner-Komödie in Riedstadt zerstört
Die lebensgroße Skulptur einer Figur aus einer Georg-Büchner-Komödie ist in Riedstadt am Altrhein-Ufer schwer beschädigt worden. In der Heimatstadt des Schriftstellers wird gerätselt, ob es sich um Vandalismus oder ein Statement handelt. Offenbar löst die Figur ohne Hose bei vielen Frauen Unbehagen aus.
"Wahrhaftig ich bekomme Angst, ich könnte mich so ganz auseinanderschälen und -blättern", sagt Landstreicher Valerio in Georg Büchners Komödie "Leonce und Lena", als er vor dem König seine Masken lüftet, die all die Rollen symbolisieren, die er in der Welt einnehmen könnte. Eine Metapher auf die mangelnde Wahrhaftigkeit der Gesellschaft.
In Erfelden, Stadtteil von Büchners Geburtsstadt Riedstadt (Groß-Gerau), passt dieses Zitat allerdings wahrhaftig und fast wortwörtlich: Vor einigen Tagen wurde die am Ufer des Altrheins stehende Valerio-Figur mutwillig zerstört. Der Arm wurde abgerissen, der Rest der Figur aus der Verankerung gehoben und umgestoßen. Valerio wurde regelrecht auseinandergeschält und -geblättert, um es mit den Worten Büchners zu sagen.
"Mit brutaler Absicht schwer beschädigt"
Werner Schmidt, Vorsitzender des Vereins "BüchnerFindetStatt", formuliert es etwas anders: "Die Figur wurde mit brutaler Absicht schwer beschädigt." Nicht zum ersten Mal, wie Schmidt berichtet. Seit der Verein den Landstreicher im Juli vergangenen Jahres auf der Aussichtsplattform aufgestellt hatte, seien bereits mehrfach Hinweistafeln abgerissen worden.
Auch eine Vorrichtung, mit der Valerio im hohen Bogen in den Altrhein "pinkeln" konnte, sei bereits wenige Tage nach Aufstellung zerstört worden, so Schmidt. Auf Valerios Bein steht in reinster Straßenprosa mit Edding niedergeschrieben schlicht "F... dich".
Ob die Zerstörungswut mit den kontroversen Diskussionen zusammenhängt, die Valerio in Erfelden ausgelöst hat, vermag Schmidt nicht zu beurteilen: "Entweder ist die Tat ein völlig sinnloser Ausdruck von Vandalismus oder ein Statement, dass man solche Art von Denkmalen dort nicht haben will."
Frauen reagieren mit Angst
Denn Erfeldens Valerio stößt seit Tag eins seines kurzen Lebens nicht nur auf Gegenliebe. "Ich finde ihn ganz furchtbar", schreibt etwa eine Nutzerin in einer lokalen Facebook-Gruppe. Andere finden das Kunstwerk schlicht "gruselig".
Damit ist sie nicht allein, wie Schmidt bestätigt. Vor allem Frauen fühlten sich in der Gegenwart des Landstreichers unwohl, sie empfänden die Figur als unheimlich und angsteinflößend. Das liege vor allem daran, dass Valerio nicht auf Anhieb als Kunstwerk zu erkennen sei.
Die langhaarige lebensgroße Figur steht direkt am Geländer und blickt auf den Altrhein. Sie trägt Mütze, Maske, einen knielangen Mantel und Stiefel. Die Beine sind unbekleidet.
"In der Dämmerung sieht es so aus, als ob da ein echter Mann auf der Aussichtsplattform steht", gibt Schmidt zu. Dass Valerio unter seinem Mantel offenbar keine Hose trägt, dürfte das Unbehagen noch steigern. "Wahrhaftig ich bekomme Angst" könnte in Erfelden also eher ein Ausruf von Passanten sein denn von Valerio selbst, um auf das Anfangszitat zurückzukommen.

Verein will mit Figuren an Büchners Werke erinnern
Dabei wollte der Verein, der auch Theaterstücke aufführt und ein Museum betreibt, ursprünglich ganz andere Emotionen hervorrufen. "Unsere Idee war es, in jedem Stadtteil in Riedstadt eine Figur aus dem Werk von Georg Büchner aufzustellen, um die Erinnerung an den Sohn der Stadt aufrecht zu erhalten", sagt Schmidt.
Ausschließlich Figuren aus "Leonce und Lena", Büchners einziger Komödie, wählte der Verein dafür aus. So sitzen in Leeheim etwa Lena und ihre Amme auf einer Parkbank vor der evangelischen Kirche, bald soll der König mit Krone folgen. "Die Figuren sollten eine gewisse Leichtigkeit ausdrücken", so Schmidt.

Valerios Zukunft offen
Das ist bei Valerio offenbar gründlich schief gegangen. Wie es mit der Figur nun weitergeht, ist noch völlig unklar. Die Stadt hat sie aus Sicherheitsgründen notdürftig wieder aufgerichtet, die Schäden sind aber immer noch deutlich sichtbar. "Für eine Neuinstallation fehlt uns schlichtweg das Geld", sagt Schmidt.
Während die Polizei weiterhin nach den Vandalen sucht, will sich der Verein im nächsten Schritt mit dem verantwortlichen Künstler treffen und über Kosten einer möglichen Restaurierung sprechen. "Wir überlegen auch, wie wir besser sichtbar machen können, dass es sich nicht um eine echte Person handelt", sagt Schmidt.
Bis dahin muss die Figur weiterhin ihr geschundenes Dasein am Altrhein-Ufer fristen. Oder wie Valerio es ausdrücken würde, erster Akt, erste Szene: "Es ist ein Jammer!"