Neue Leiterin für das Frankfurter Stadtarchiv "Wir entscheiden, was aus der Stadtgeschichte überliefert wird"
2025 ist das Jahr der Direktorinnen in Frankfurt: Nach drei Museen bekommt jetzt auch das Institut für Stadtgeschichte eine weibliche Chefin, die Historikerin Mirjam Sprau. Sie sagt: Das Stadtarchiv bewahrt einen großen Schatz.
Das Karmeliterkloster in der Frankfurter Innenstadt kennen viele, die Institutionen, die sich darin befinden, sind eher Insidern bekannt. Neben dem Archäologischen Museum hat in dem mittelalterlichen Klostergebäude nämlich auch das Institut für Stadtgeschichte (ISG) seinen Sitz. Am 1. März tritt dort Mirjam Sprau ihren Posten als neue Direktorin an.
Sprau ist eine von vier Wissenschaftlerinnen, die 2025 die Leitung einer Frankfurter Kultureinrichtung neu übernehmen, neben Doreen Mölders (Historisches Museum), Annabelle Hornung (Museum für Kommunikation) und Larissa Förster vom Weltkulturenmuseum.
Die promovierte Historikerin kommt vom Bundesarchiv in Koblenz, wo sie unter anderem ein Portal zu den Unterlagen der Wiedergutmachungspolitik für NS-Opfer aufbaute.
Zu Amtsantritt in Frankfurt erklärte Mirjam Sprau: "Mein Anspruch ist es, mit dem ISG an der demokratischen Erinnerungskultur Frankfurts aktiv mitzuwirken." Wie das aussehen kann, erläutert sie im Gespräch mit dem hr.
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hessenschau.de: Warum braucht Frankfurt - neben dem Historischen Museum - überhaupt ein eigenes Stadtarchiv?
Sprau: Wir entscheiden mit unserer Archivierung, was aus der Stadtgeschichte überliefert wird. In einem Archiv geht es darum, kommunale Entscheidungen nachvollziehbar zu machen. Wie sich Entwicklungen en detail vollzogen haben, wer Einfluss genommen hat. Das alles lässt sich anhand von Unterlagen nachvollziehen.
Es ist also der Ort, wo heute entschieden wird, was wir aufheben müssen, damit es morgen unsere Geschichte werden kann. Zum Beispiel, weil es dann im Museum betrachtet werden kann.
Nehmen Sie zum Beispiel den Wohnungsmarkt. Warum entwickeln sich bestimmte Stadtteile so und so? Warum kommt es zu schwierigen Situationen? Wenn man weiß, wie es dazu gekommen ist, kann man sich überlegen: Wie kann ich selbst künftig Einfluss nehmen? An welcher Stelle in einem demokratischen Prozess kann ich mich einbringen?
Als Archivarin liest man die Zeitung anders, wenn man weiß, dass die Prozesse, von denen da berichtet wird, auch in 30 oder 50 Jahren noch gut nachvollziehbar sein sollen für die Bürgerinnen und Bürger.
hessenschau.de: Was macht das Frankfurter Stadtarchiv so besonders?
Sprau: Das größte Pfund, mit dem wir wuchern können, ist die besondere Rolle Frankfurts als Freie Reichsstatt. Die "Goldene Bulle", das wichtigste Verfassungsdokument des mittelalterlichen Reiches, ist natürlich die Hauptattraktion, aber wir haben dazu rund 30.000 Urkunden zu bieten, eine gewaltige Überlieferung.
Ganz wesentlich für die Stadt ist auch das bürgerliche Engagement. Wir haben Unterlagen zu Stiftungen wie dem Bürgerhospital oder der Universität. Das Institut für Sozialforschung zum Beispiel spielte eine große Rolle für die Geschichte der Wissenschaftsstadt.
Zur Geschichte des Stadtplanungsprogramms "Das Neue Frankfurt" in den 1920er Jahren kann man bei uns viel einsehen und die Entwicklung nachvollziehen. Und das Bethmann-Archiv verweist auf die große Geschichte der Banken in Frankfurt, da gibt es viel Nachfrage von Wissenschaftlern.
Warum lohnt sich ein Besuch auch für Nicht-Wissenschaftler?
Sprau: Die Kolleginnen und Kollegen bereiten derzeit die Ausstellung "Frankfurt goes West" vor. Es geht um die GIs und die Rolle der Amerikaner bei der Herausbildung der Demokratie nach dem Zweiten Weltkrieg.
Im Mittelpunkt stehen tolle Fotografien von Mickey Bohnacker aus dem Fotoschatz des ISG.
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Bohnacker war ein Frankfurter Pressefotograf, den die Amerikaner offenbar sehr akzeptierten. Er war wie embedded und hat in tollen Bildern festgehalten, wie nach 1945 eine neue Stadtgesellschaft entstand, im Austausch mit den Amerikanern.