Neuer Studiengang an der Schauspiel-Hochschule in Frankfurt "Es kommt oft die Frage: Muss man Schauspiel studieren?"
Die Frankfurter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst bietet ab dem Wintersemester Schauspiel als Bachelor-Studiengang an. Sie ist die einzige staatliche Hochschule in Hessen, an der junge Menschen Schauspiel studieren können. Neben Talent sind weitere Fähigkeiten gefragt.
"Sag mal, seid Ihr eigentlich alle total bescheuert, habt ihr ne Ahnung, wie lang ich da draußen schon auf Euch warte?" Ingo, gespielt von Jürgen Vogel, knallt seinen Stuhl wutentbrannt auf den Boden. Eigentlich will er nur einen Stuhl zurückbringen, landet aber ahnungslos in einer Aufnahmeprüfung für angehende Schauspielerinnen und Schauspieler. Die Prüfungskommission ist begeistert und hält seinen Wutausbruch für eine gelungene Improvisation.
Diese Szene stammt aus der Kultkomödie "Kleine Haie". Aber auch in der Realität ist Improvisationstalent gefragt. "So ein Vorsprechen ist schon meistens eine Stresssituation", sagt Olivia Salm. Die 23-Jährige hat selbst etwa zehn Mal an anderen Hochschulen vorgesprochen, bevor sie schließlich an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst (HfMDK) genommen wurde. "Das ist völlig normal, ich kenne kaum einen, bei dem es sofort beim ersten Mal geklappt hat." Salm studiert im 3. Jahr Schauspiel an der HfMDK.
"Die Studierenden brauchen vor allem Durchhaltevermögen"
Wer hier studieren will, bewirbt sich zunächst mit einem Video. Erst die zweite Runde findet dann in Präsenz statt. Olivia erinnert sich gerne an das Vorsprechen in Frankfurt, bei dem es dann geklappt hat: "Die haben alle ganz interessiert geguckt und sofort mit mir gearbeitet", sagt die Studentin und klingt begeistert.
Verständlich, denn die HfMDK ist Hessens einzige staatliche Schauspielschule. "Was diese Studierenden vor allem brauchen, ist ein entspanntes Selbstvertrauen, die Fähigkeit, sich selbst und ihre Umgebung auch unter Stress zu erleben und Durchhaltevermögen", sagt der Leiter des Studiengangs Schauspiel, Martin Nachbar.
Nicht mehr in der "Erlebnissuppe ihres Studiums"
Ab dem Wintersemester 2023/2024 gibt es den Studiengang Schauspiel mit dem Bachelor-Abschluss. Vorher studierten die angehenden Schauspielerinnen und Schauspieler auf Diplom.
Nachbar, der den Studiengang zusammen mit Marion Tiedke leitet, freut sich: "Jetzt wird künstlerischer Forschung der Weg gebahnt." Schwammen die Studierenden bisher eher in der "Erlebnissuppe ihres Studiums" erhalte das Studium jetzt mehr Raum für Selbstreflexion, so Nachbar. Die Schauspielkünstlerinnen und – künstler könnten anhand eigenständig festgehaltener Lernschritte besser nachvollziehen: Was habe ich wann gelernt, was will ich noch lernen?
Laut dem Gremium Ständige Schauspielausbildung (SKS) gibt es in Deutschland 13 staatliche Schauspielschulen, im gesamten deutschsprachigen Raum - inklusive Schweiz und Österreich - sind es 19. Dazu kommen private Schauspielschulen mit einer Studiengebühr von mehreren tausend Euro pro Jahr. Der Bedarf, Schauspiel zu studieren, wird damit nicht gedeckt. Die HFMDK vergibt jedes Semester 8 bis 9 Plätze. Immer wieder kassieren Bewerberinnen und Bewerber auch hier eine Absage.
Neues Unterrichtsfach Schauspielpraxis
Wer durchhält und genommen wird, wird schließlich belohnt: Auf dem Plan stehen etwa Unterrichtsfächer wie Spielpraxis, Medienkompetenz, Körper, Stimme und Berufsfeldvermittlung. Praxis wird laut Nachbar bei dem Bachelorstudiengang groß geschrieben. Auch findet jetzt mehr Austausch mit anderen Studierenden statt, eine bessere Vernetzung und das Vermitteln wichtiger Kontakte. "Das ist für den Beruf später wichtig", betont er.
Besonders stolz sind die Leiter des Studiengangs Schauspiel auf ihre neue Professur "Schauspielpraxis für Bühne und Film." Brigitte Maria Bertele, Schauspielerin und Regisseurin, vermittelt den Studierenden, wie sie vor der Kamera wirken und zeigt ihnen den Unterschied zwischen Schauspiel auf der Bühne und Schauspiel vor der Kamera – in Zeiten von e-castings wird dieses Unterrichtsfach immer wichtiger.
Es gibt Kooperationen mit der Hessischen Theaterakademie, der hessischen Film – und Medienakademie, der Hochschule Darmstadt und dem Hessischen Rundfunk. In einem Hörspielstudio erleben die Schauspielerinnen und Schauspieler in spe die Wirkung am Mikrofon.
Bessere Chancen mit Schauspielstudium an staatlicher Hochschule
Neben Hochschulen wie der HFMDK gibt es auch private Schauspielschulen. Für Salm war es allerdings keine Frage, wo sie studieren will. "Die Chancen sind einfach besser, wenn man von einer staatlichen Schauspielschule kommt." Es sei auch eine Frage des Geldes. "Staatliche Schauspielschulen kosten nichts", verrät sie. Auch dass sie überhaupt Schauspiel studiert, stand außer Frage. Auch wenn im Bekanntenkreis immer wieder Skepsis gibt: "Wenn ich sage, was ich studiere, kommt oft die Frage: Muss man Schauspiel studieren?" sagt sie und lacht.
Es ist inzwischen Salms vorletztes Jahr an der Schauspiel-Hochschule - das so genannte Studiojahr. Da werde die Studierenden an das Schauspiel Frankfurt, das Staatstheater Mainz und das Nationaltheater Mannheim ausgeliehen.
Sendung: hr2, 03.10.2023, 11:30 Uhr
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