Ausstellung "New Realities" in Frankfurt Was künstliche Intelligenz in der Mode (nicht) kann
Karl Lagerfelds imaginäre Jogginghose, erstellt mit Hilfe von künstlicher Intelligenz: Die Ausstellung "New Realities" zeigt, was KI in der Modewelt kann und wo sie an ihre Grenzen kommt. Und sie erzählt eine Menge über die Menschen, die KI programmieren.
Abgefahrene Science-Fiction-Designs, Entwürfe von Kleidern in übergroßen Volumen, die in der Realität wohl kaum tragbar wären, und ein Lippenstift mit Stacheln: In der Ausstellung "New Realities" im Museum für Kommunikation in Frankfurt sind zahlreiche (un)realistische Abbildungen von Mode, Fashionelementen und Models zu sehen - erstellt von Künstlicher Intelligenz (KI).
Auch Objekte werden präsentiert, etwa eine nachgeschneiderte Jogginghose von Karl Lagerfeld. Echt ist die nicht. Der legendäre Designer hat angeblich nie eine getragen, denn "wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren", sagte Lagerfeld zu Lebzeiten.
Aber die KI hat sich vorgestellt, wie eine Jogginghose des Designers wohl ausgesehen hätte. Jetzt trägt eine Schaufensterpuppe sie im Museum für Kommunikation.

Kann KI wirklich Mode machen?
Mit über 50 Werken wird das Potenzial von KI in der Modebranche aufgezeigt. "Wir haben festgestellt, dass in verschiedenen Social-Media-Kanälen, unter anderem Instagram, der Hashtag AI Fashion unglaublich trendet und wir wollten dem nachgehen", erklärt Annabelle Hornung, eine der Kuratorinnen der Ausstellung.
Dabei werden auch die Schwächen und Probleme der KI in den Fokus gerückt: von fehlerhaften Darstellungen der Kleidung bis hin zu diskriminierenden Darstellungen und Stereotypen bei den Models.
Die Wanderausstellung, die zuvor in Berlin, Braunschweig und Nürnberg eine andere inhaltliche Ausrichtung hatte, hat mit dem Themenschwerpunkt "Mode" einen Stopp in Frankfurt eingelegt.
Innovation nur im Zusammenspiel mit Menschen
Die teils absurden Entwürfe, die mithilfe von KI erzeugt wurden, überraschen. Auf Anhieb generierte die KI sie allerdings nicht. Dazu gehört ein gewisses Training. Die Kreationen sind in einem Co-Prozess mit den Kuratorinnen entstanden.
"Ich habe mehrere Bilder kreiert und ausgewählt, dann noch mal mit neuen Befehlen hochgeladen, dadurch lernt auch die KI", erklärt Annabelle Hornung. Am Ende sei bei 20 Bildern ein witziges, brauchbares dabei.
Für Annabelle Hornung steht fest: Innovativ sein kann die KI, aber nur im Zusammenspiel mit einem Menschen. "Der menschliche, kreative Funke, das ist das, was es ausmacht", findet die Kuratorin.
Der KI fehlen die Sinne
In der Realität umsetzbar sind viele fantasievolle Entwürfe außerdem nicht. Für ein Design, das sich realisieren ließe und tragbar wäre, müsste die KI "ein unglaubliches Wissen ansammeln, über Schnitt, Textur, Stoffe, was sie oft nicht hat, zumindest nicht in den klassischen KI-Programmen, die man in der Öffentlichkeit oder als normaler Mensch nutzen kann", erzählt Annabelle Hornung.
Die KI habe zum Beispiel keine Vorstellung vom Sinnlichen, weiß nicht "wie fühlt sich Samt an, wie fällt Seide", weiß Hornung.

In der Ausstellung finden sich zwar auch Abbildungen mit realistischen Modedesigns, doch auch hier hat die KI noch Schwierigkeiten. So verschwindet zum Beispiel auf einem Bild der Bund eines Sportoberteils in der Haut des Models.
Und auch die Darstellung ihrer Haut scheitert an bestimmten menschlichen Markern. Poren, feine Härchen und dezente Falten – auf einem Foto würde man diese erkennen, doch bei den KI-generierten Darstellungen ist das schwierig. "Die wirkt oft total flächig", findet Annabelle Hornung.
Stereotypen statt Diversität
Die Schwierigkeiten von KI im Modebereich sehen auch das Designteam Samuel Gärtner und Giuliana Schmidt. Die beiden veranstalten im Rahmen der Ausstellung eine Fashion Show. Die Mode ihrer Marke, die sie dort präsentieren, basiert auf KI.
Neben fehlender Innovationskraft erkennen die beiden ein noch größeres Problem von KI-generierten Entwürfen: Diversität kennt die KI von sich aus nicht. Es falle ihr schwer, verschiedene Körpertypen miteinzubeziehen. Das finde er sehr kritisch, sagt Samuel Gärtner.
Überrascht habe ihn das allerdings nicht, weil die KI sich an dem im Internet vorherrschenden Schönheitsideal orientiere. "Da erwartet man Klischee-Modelmaße", sagt der Designer. Selbst der Entwurf einer Kleidergröße 42 habe das typische Schönheitsideal dargestellt, berichtet Kollegin Giuliana Schmidt. Mehr als eine Inspirationsquelle sei KI daher nicht.
"Diskriminierung ist der KI eingeschrieben"
Das Thema "visuelle Ungerechtigkeit" wird auch in der Ausstellung beleuchtet und hinterfragt. Kuratorin Annabelle Hornung sagt, dass der KI Diskriminierung eingeschrieben sei, denn die KI sei auf einer bestimmten menschgemachten Datenbasis programmiert.

Das bedeutet: Die KI sucht zum einen für ihre Darstellungen nach dem größten gemeinsamen Nenner in der Gesellschaft. Zum anderen brächten die KI-Programmierer Stereotypen und Klischees mit.
Das könne zum Beispiel die Diskriminierung von Geschlechtern umfassen, konnte Hornung im Arbeitsprozess mit der KI feststellen. "Man gibt CEO ein und am Ende kommen nur Männer als Bildergebnis raus", sagt sie. "Es gibt keine einzige Frau, die scheinbar einen Vorstandsposten hat. Das ist natürlich sehr gefährlich."
Einordnung durch Kulturinstitutionen
Gefährlichen, stereotypen Schönheitsbildern und dem Befördern von Diskriminierung müsse die Gesellschaft entgegenwirken, betont die Kuratorin. Sie ist überzeugt, dass Kulturinstitutionen solche Themen anschneiden müssen - die Firmen, die die KI-Programme besitzen, werden es nicht tun, weiß Hornung.
Die Schattenseiten und Irritationen, aber auch die ein oder andere witzige KI-Überraschung – all dem können die Besucherinnen und Besucher nun in der Ausstellung "New Realities" bis zum 11. Januar 2026 im Museum für Kommunikation in Frankfurt auf den Grund gehen.