Passionsspiele Großenlüder Mit oder ohne Sixpack am Kreuz: Wir sind Jesus
Zwei Hobby-Schauspieler als Jesus und Dutzende Mitwirkende haben bei den Passionsspielen in Großenlüder große Auftritte. Im Vorfeld haben sie arg zu kämpfen: Text-Lernen, Haarefärben und Figur-Pflege. Der Regisseur muss bis zuletzt zittern.
Wer Jesus spielen möchte, muss leiden können. Das hat Frank Braun schnell erfahren müssen. "Da habe ich mir was aufgehalst - ist schon sehr anstrengend alles", gestand der 65-Jährige im Endspurt der Theaterproben. Am Samstag (19.30 Uhr) wird er dann bei der Premiere der Passionsspiele auf der Bühne in Großenlüder (Fulda) weiter leiden und die Hauptrolle verkörpern.
Die Passionsspiele erzählen die letzten Tage vom Leben und Sterben Christi. Sie werden wegen des immensen Aufwands nur alle paar Jahre von einem ambitionierten Laien-Ensemble in Großenlüder aufgeführt. In diesem Jahr stand die dritte Auflage nach 2015 und 2018 sogar vor der Absage.
Jesus-Darsteller mit Erfahrung als Serien-Cop
Denn der bisherige Jesus-Darsteller war abgesprungen. Doch nach großangelegter Suche dann die Erlösung: Es wurde Ersatz gefunden. Frank Braun ist einer der beiden Jesus-Darsteller. Im Hauptberuf ist der Ex-Polizist mittlerweile Gerichtsvollzieher. Doch seine Berufung ist die Schauspielerei - für die schlägt sein Herz.
Daran kann Braun auch ein Augenleiden nicht hindern. Wegen der Erkrankung musste er den Dienst als Polizist quittieren. Auf dem linken Auge ist Braun blind, er nimmt nur noch hell und dunkel wahr. "Meine Sehkraft ist nach einer Netzhaut-Ablösung gleich Null", berichtete er freimütig. Als Behinderung für seinen Alltag und die Schauspielerei empfindet er dies aber nicht, wie er sagte.
Braun hat schon einiges an Schauspiel-Erfahrung gesammelt. Er hat bei den Bad Hersfelder Festspielen als Komparse mitgwirkt, im Fernsehen diverse kleine Rollen gehabt und war bei Scripted-Reality-Formaten wie "Auf Streife" und "Die Ruhrpottwache" (beide Sat.1) dabei. Natürlich als Polizist.
Next-Level-Erfahrung: "Stress-Panik lässt nach"
Mit der Jesus-Rolle macht er nun aber eine Next-Level-Erfahrung. Denn wo er sonst mal ein paar Sätzchen sagte musste, sind nun Text-Berge zu bewältigen. "Das Drehbuch hat 75 Seiten und ich bin auf über 50 Seiten dran", veranschaulicht Braun. "Und dieses, nennen wir es Kirchen-Deutsch, ist nicht gerade leicht zu lernen."
Doch mittlerweile geht's, wie Braun sagt: "Die Stress-Panik lässt langsam nach. Anfangs musste ich mir die Zeilen noch mit Gewalt ins Hirn reinprügeln." Gott sei Dank gebe es auch eine Souffleuse am Bühnenrand, die Stichworte bei Texthängern vorflüstern kann.
"Es ist alles viel Arbeit - meine bislang größte Rolle. Beim nächsten Mal brauche ich mehr Freiraum zur Vorbereitung", meint Braun. Denn: Seine körperliche Verfassung ist ihm nicht so gelungen wie ihm vorschwebte. "Ich wollte regelmäßig ins Fitness-Studio. Auch auf die Gefahr, dass ich mich mit Muskelkater über die Bühne schleppe." Fitness-Studio habe zeitlich aber nicht mehr geklappt.
Hüftspeck statt Sixpack
In Form sein wollte Braun gern, weil er schließlich bei der Kreuzigung halbnackt am Kreuz hängt. "Für ein Sixpack der Bauchmuskeln hat's leider nicht mehr gereicht. Ist auch Speck an der Hüfte. Aber egal, wir sind nicht in Hollywood."
Dafür vermeldet Braun auf Kopfhöhe Erfolge. "Lange Haare wie Jesus habe ich. Ich hab' mir aber auch extra einen Bart wachsen lassen. Der ist in meinem Alter zwar schon grau. Habe ich aber dunkel gefärbt - mit Bartfarbe aus der Drogerie."

Jesus-Kollege ist blutiger Anfänger
Nichts färben musste dagegen Sebastian Schwarzstein. Der 42-Jährige ist halt auch mehr als 20 Jahre jünger. Der zweite Jesus-Darsteller des Duos, steht am Sonntag erstmals auf der Bühne und wechselt sich bei den insgesamt sieben Aufführungen mit Kollege Braun ab.
Schwarzstein hatte mit dem Text-Lernen nicht sonderlich Mühe, wie er sagt. Aber dafür ist der Mann aus Großenlüder-Bimbach, von Beruf Elektriker, blutiger Bühnen-Anfänger. "Als Schauspieler performen, ist da schon schwieriger. Das Feedback der anderen auf der Bühne ist aber bislang gut."
Glücksgriffe bei Darstellern
So sieht das auch Regisseur Günther Hahn. Er ist happy mit beiden Jesus-Darstellern. "Sind Glücksgriffe für uns. Frank hat schon Erfahrung und Sebastian ist ein Naturtalent. Manchmal erinnert er mich vom Aussehen ein bisschen an Keanu Reeves." Der spielte auch mal solch eine spirituelle Rolle.
Für den Hobby-Regisseur, früher beruflich im Vertrieb für Autoteile unterwegs und heute Rentner, war es auch eine große Herausforderung. "Ich bin ja selbst Laie. Aber ich versuche alles aus der Zuschauer-Perspektive zu sehen und es anschaulich zu gestalten."
Regisseur als "Mädchen für alles"
Doch allein aufs Künstlerische konzentrieren, ist nicht drin. "Bei solch einer Produktion ist man Mädchen für alles. Vom Bühnenbau über die Einsätze für Musik und Chor bis hin zu Catering ist man im Team mit fast allen Themen befasst."
Seit dem Probenbeginn im September brauchte Hahn keine weiteren Hobbys mehr. "Wir haben seither rund 60 Proben absolviert. Mit Amateuren muss man häufiger üben als mit Profis. Der ein oder andere hat beim Proben noch lange ins Textbuch schauen müssen... Aber wir bekommen es hin. Es ist beeindruckend, wie groß die Leidenschaft aller ist, etwas Großes auf die Bühne zu bringen."

Mit Live-Musik und einer bunten Truppe
50 Schauspielerinnen und Schauspieler wirken auf der Bühne mit, 50 weitere Akteure im Chor und ein gutes Dutzend im Orchester. Die Musik wird live aufgeführt. Auf der Bühne ist es eine bunt zusammengewürftelte Truppe. Auch ein vor Jahren aus Syrien geflüchteter Christ gehört zum Ensemble, schon zum zweiten Mal. Er spielt einen Soldaten der Tempelwache.
Orga-Stress gab es noch während der Proben. Umbesetzungen wurden nötig. Die Darsteller für Petrus und Judas mussten aus gesundheitlichen Gründen passen. Doch sie konnten ersetzt werden. Regisseur Hahn wird aber bis zur letzten Vorstellung ums Ensemble zittern müssen. "Wir haben natürlich nicht das Personal, alle wichtigen Rollen doppelt zu besetzen. Daher hoffe ich, dass keiner krank wird und alle gesund bleiben." Auch der Regisseur muss leiden - bei den Passionsspielen in Großenlüder.