"Papi, hast du ein Baby im Bauch?" Dieses Buch erklärt Leihmutterschaft für Kindergartenkinder
Wenn Paare selbst keine Kinder bekommen können, ist die Leihmutter oft der letzte Ausweg. In Deutschland ist Leihmutterschaft verboten und ein Tabu-Thema. Marcel Kahl hat jetzt ein Kinderbuch darüber geschrieben - auch für seine Söhne.
"Warum hast du zwei Papis?" - mit dieser Frage wird Joshua im Kindergarten konfrontiert. Er und sein Zwillingsbruder Jannis haben als Eltern einen Papi und einen Papa - keine Mama. Aber in welchem Bauch sind sie gewachsen? Beide wollen genauer wissen, wie sie entstanden sind.
Ihr Papi erzählt den beiden von einem Kinderwunsch und der langen Suche nach der Frau, die ihm und Papa ihre Eizellen schenkte und der Frau, die ihren Bauch für die Dauer der Schwangerschaft ausgeliehen hat.
Thema Leihmutterschaft im Kinderbuch
Joshua und Jannis sind die Helden eines Kinderbuchs über das Thema Leihmutterschaft. Marcel Kahl aus Kaufungen (Kassel) hat es geschrieben. Die Geschichte hat er sich nicht ausgedacht. Sie ist seine Liebes- und Lebensgeschichte - und die seines Mannes. Das schwule Paar hat vor mehr als zehn Jahren entschieden, Kinder zu bekommen.
Wir können nicht einmal im Jahr beim CSD für Vielfalt und Toleranz demonstrieren und den Rest des Jahres im Schatten leben. Zitat von Marcel KahlZitat Ende
Der 43-Jährige sitzt am Esszimmertisch, hinter ihm unzählige Familienfotos. Darauf zu sehen sind er, sein Mann und die beiden Söhne des Paares. Die heute acht Jahre alten Zwillinge sind dank einer Leihmutter im Ausland geboren worden.
Drei Jahre Vorbereitung auf die Geburt
Kahl und sein Mann sind seit 2001 ein Paar und haben sich mehr als drei Jahre auf die Geburt ihrer Kinder vorbereitet. Sie haben sich bei Beratungsstellen informiert, mit Freunden und Familie gesprochen und homosexuelle Paare getroffen, die einen ähnlichen Weg gegangen sind.
Beide mussten sich auch immer wieder kritisch mit dem Thema Leihmutterschaft auseinandersetzen, erzählt Kahl, es habe auch Kommentare in Richtung “Katalogbestellung” gegeben, als er und sein Mann nach der richtigen Mutter gesucht hätten.
Loser Kontakt zur "Bauchmama"
Für die Zwillinge ist die Geschichte rund um ihre Geburt völlig normal - auch weil Kahl und sein Mann offen damit umgehen. "Die beiden wissen, woher sie kommen und in welchem Bauch sie waren", erzählt Kahl.
Zur Leihmutter oder auch "Bauchmama" haben Kahl und sein Mann immer wieder Kontakt. Zu Geburtstagen und an Feiertagen schreibe man sich. "Sie ist ein Teil von uns", sagt Kahl, die Familie sei ihr auf ewig dankbar. Wenn die Zwillinge sie später einmal kennenlernen wollten, wollen Kahl und sein Mann ihnen das ermöglichen.
Buch soll anderen Paaren Mut machen
Das Buch ist für Kahl eine Herzensangelegenheit und ein Mittel, um anderen Paaren Mut zu machen.
Mit seinem Buch möchte er das Thema Leihmutterschaft enttabuisieren. Ihm sei es schon immer wichtig gewesen, dass Kinder sich und ihre Lebensrealität in einem Buch wiederfinden - somit auch seine eigenen.
Er und sein Mann haben sich bewusst dazu entschieden, an und in die Öffentlichkeit zu gehen: "Wir können nicht einmal im Jahr beim CSD für Vielfalt und Toleranz demonstrieren und den Rest des Jahres im Schatten leben", erklärt Kahl seinen Beweggrund für das Buch und sein Engagement.
Negative Reaktionen bereits vor Erscheinungsdatum
Auch wenn das Buch erst Ende Juli erscheint, gibt es bereits negative Reaktionen in bekannten Online-Buchhandlungen. Kahl hat das erwartet und findet es bedauerlich, dass Kommentare bereits möglich sind, bevor das Buch auf dem Markt ist.
In der Anonymität seien Menschen schnell feige, ungerecht, aber oft auch unwissend, so Kahl. Diese Reaktionen bestärkten ihn darin, über Vielfalt in Kinderbüchern zu schreiben und zu sprechen und diese zu zeigen.
Vielfalts-Bücher für Kitas und Schulen
Denn das ist wichtig findet Kahl. Er hat die Erfahrung gemacht, dass Vielfalt in Kinderbüchern in Kitas und Schulen zu wenig stattfindet. Deshalb setzt Kahl sich unter dem Pseudonym "Regenbogenpapi" unter anderem bei Instagram für mehr Diversität in der Lektüre ein.
Er hat eine Liste mit mehr als 70 Titeln zusammengestellt, die für unterschiedliche Altersstufen Themen wie queere Elternpaare, Patchwork-Familien oder Behinderung aufgreifen. Damit besucht er Schulen und Kindergärten, um über diese Vielfalts-Bücher in den Austausch zu kommen.
Wunsch: Diversität als Standard
Wie mit der Erzieherin, die sofort ein Buch kaufen musste, weil genau so ein kleines Mädchen gerade in ihrer Kita war oder mit dem Großvater, der für seine Enkelin sorgt, weil die Eltern es nicht schaffen.
Auch für diese Familienkonstellation hat Kahl Bücher im Koffer. Und bekommt eine Gänsehaut, wenn er sieht, wie glücklich es Menschen macht, sich und ihre Lebensrealität im Buch wiederzufinden.
Dass schwarze Menschen, Behinderte oder gleichgeschlechtliche Eltern in Kinderbüchern vorkommen, solle Standard sein, wünscht sich der Autor. Die Welt sei bunt, so Kahl, “Kinder nehmen sie in der Regel auch so, wie sie ist. Eigentlich können wir viel von ihnen lernen”.
Lauter weiße Schafe – und ein schwarzes dazu
Kahls Buch ist eine etwas andere Geschichte einer Regenbogenfamilie, dazu ein Aufklärungsbuch und die Einladung zu mehr Akzeptanz und Vielfalt in einem.
Die lebhaften Charaktere im Buch hat die Illustratorin Lisa Rammensee gezeichnet. Kahl ist ein großer Fan von ihr, auch wegen kleiner Details, die sie in dem Buch verewigt hat.
Er blättert bis zu einem Bild von einem Kinderbett mit Mobile, das Papa und Papi vor der Ankunft der Zwillinge aufgehängt haben. Lauter weiße Schafe hängen daran - und ein kleines schwarzes Schaf als Zeichen der Vielfalt.