Performance "Habitat" am Staatstheater Wiesbaden "Dass Nacktheit sich seltsam anfühlt, ist Erziehung"

Am Wochenende startet die neue Intendanz am Staatstheater Wiesbaden. Es soll für jeden was dabei sein, jeder soll mitmachen können. Dazu passt die Eröffnungspremiere: eine nomadische Nackt-Performance mit Laien und Profis.

Nackte Menschen, einige im Rollstuhl, im barocken Foyer des Staatstheaters Wiesbaden.
"Habitat" heißt die Performance von Doris Uhlich am Staatstheater Wiesbaden. Bild © Eike Walkenhorst
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Es ist eine bunte Mischung aus Laien, Profis, alten und jungen Leuten. Sie alle haben sich im verschnörkelten Foyer des Wiesbadener Theaters versammelt und proben für ihre Nackttanz-Performance zwischen Theater, Kurhaus und Park.

Zu elektronischen Beats hüpfen und klopfen die Teilnehmer den Saal ab, legen sich längs auf die Treppen. Versuchen scheinbar, die Säulen zu verschieben.

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Bild © Maximilian Borchardt| zur Audio-Einzelseite
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Choreografin aus der freien Wiener Szene

"Jetzt versucht mal, euch gegenseitig zu energizen", schlägt die österreichische Choreografin Doris Uhlich vor. Sie steht mitten im Raum und spricht in ein Mikrofon, woraufhin sich kleine Grüppchen bilden.

Uhlich gehört zu den bekanntesten Choreografinnen der freien Wiener Szene. Immer wieder lotet sie Schamgrenzen aus, zum Beispiel im Projekt "Gootopia", wo sich die Tänzer mit zähem Schleim übergossen.

Immer wieder arbeitet sie auch mit Körpern, die nicht dem herkömmlichen Schönheitsideal entsprechen, zum Beispiel mit Darstellern mit einer körperlichen Behinderung oder mit Tänzern im Rentenalter.

Zu Probenbeginn sind alle bekleidet

Die Arbeit mit nackten Körpern ist für sie natürlich. Nacktheit sei ein verbindender Zustand, schließlich sei auch jeder nackt geboren worden. "Dass Nacktheit sich seltsam anfühlt, ist Erziehung, Kodierung, und das legt man hier wie ein Kleidungsstück ab", sagt die 47-Jährige.

Die Probe beginnt in bequemen Klamotten. Nach und nach entkleiden sich die Teilnehmer dann immer mehr, bis schließlich alle nackt sind.

Performance schon in unterschiedlichen Städten

"Habitat" heißt die Performance, mit der sich etwa 40 Teilnehmer unter Uhlichs Anleitung nackt den öffentlichen Raum rund um das Theater in Wiesbaden erobern.

Die Choreografin hat mit dieser Produktion schon unterschiedliche Städte bespielt, zuletzt Kopenhagen, aber auch in einem Einkaufszentrum in Bristol hat sie schon stattgefunden. Im Vorfeld gibt es jeweils öffentliche Ausschreibungen. In Wiesbaden war das Interesse riesig. Es haben sich 160 Leute beworben.

Nackte Menschen laufen über eine Wiese, im Hintergrund das klassizistische Gebäude des Staatstheaters Wiesbaden
Die Performance von Doris Uhlich findet statt im und um das Staatstheater Wiesbaden. Bild © Maximilian Borchardt

Peinlich, wenn Freunde einen nackt sehen?

Eine der Teilnehmer ist Jonas Wegner aus Wiesbaden, der früher viel mit Unsicherheit und den gesellschaftlichen Erwartungen an den Körper gerungen hat. "Seit einem Jahr habe ich die Mission, mich emotional und körperlich zu zeigen", sagt der 32-Jährige.

Die Probenarbeit sei eine tolle Erfahrung. "Einfach mal den Kopf auszuschalten und in dem Moment da zu sein. Sich in einem Raum mit anderen zu spüren, das ist toll."

Ist es nicht peinlich, wenn Freunde oder Bekannte einen nackt sehen? Klar mache man sich darüber Gedanken, sagt Wegner, aber in dem Moment, in dem man Teil der Aufführung sei, vergesse man die Nacktheit: "Es geht ja darum, sich zu zeigen und nicht dafür zu schämen."

Mehr als eindrucksvolle Bilder

Das passt zu Doris Uhlichs Kunstauffassung. Die Choreografin versucht, mit ihren Performances nicht nur kollektive Bilder zu schaffen, sondern auch, einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten.

"Das Idealbild der Werbung versucht, eine Norm zu setzen des stählernen Körpers, einem Körper, der nicht wabbelt und schwabbelt. Ich merke aber, dass der Körper so vieles ist, dass so viele Seiten in ihm schlummern und auch, dass der Körper glücklich ist, wenn er alles ausleben darf", sagt die Choreografin.

Andrang für zwei Vorstellungen riesig

Die Aufführung soll denn auch ein Fest für alle Körper und Altersgruppen sein. Das kommt offenbar an.

Für "Habitat" wollten schon im Vorfeld so viele Leute Karten kaufen, dass das Angebot noch mal aufgestockt wurde. Insgesamt gibt es zwei Vorstellungen im Staatstheater Wiesbaden, am Freitag (27.) und am Sonntag (29. September). Dann zieht die Choreografin mit ihrer Hymne an den selbstbefreiten Körper weiter.

Weitere Informationen

Das Hessische Staatstheater Wiesbaden

"Habitat" ist das Eröffnungsstück der neuen Saison in der Sparte Tanz des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden. Nach dem vorzeitigen Abgang des Intendanten Uwe Eric Laufenberg leiten Dorothea Hartmann und Beate Heine nun als Intendantinnen gemeinsam das Fünf-Sparten-Haus. Erklärtermaßen stehen nicht nur das gemeinsame Führungsmodell, sondern auch die künstlerische Neuausrichtung für den Dialog.

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Redaktion: Alexandra Müller-Schmieg

Sendung: hr2 kultur,

Quelle: hessenschau.de