Protest gegen Rammstein-Konzerte in Frankfurt "Wir wollen den Rammstein-Fans nicht das Feld überlassen"
Drei Tage hintereinander füllt die Band Rammstein das Frankfurter Waldstadion – trotz der schweren Vorwürfe, die im Vorjahr gegen Frontmann Till Lindemann laut wurden. Eine Gruppe von Aktivist*innen stellt sich dagegen.
Mit 12 Jahren hat Sarah A. (Name der Redaktion bekannt) ihren ersten Rammstein-Song gehört: "Du riechst so gut". Sie war lange Fan, erzählt sie. Noch vor zwei Jahren sei sie auf einem Konzert der Band gewesen.
Doch dann gingen im vergangenen Jahr Frauen mit schweren Vorwürfen gegen Frontmann Till Lindemann an die Öffentlichkeit. Sie berichteten von einem Castingsystem, mit dem junge Frauen vor, während und nach Konzerten gezielt für Parties und Sex mit dem Sänger rekrutiert wurden.
Es ging um Macht und Machtmissbrauch und um die Frage, ob der Rammstein-Frontmann seinen Prominenten-Status ausgenutzt hat.
Ermittlungsverfahren wurden eingestellt
Zwei Ermittlungsverfahren wurden geführt - und mangels hinreichenden Tatverdachts wieder eingestellt. Sein Anwalt Simon Bergmann sagt dazu gegenüber dem hr: "Zur Verfahrenseinstellung ist es nicht deshalb gekommen, weil sich keine Opfer gemeldet haben, sondern weil es keine Opfer gab."
Juristisch ist Till Lindemann nichts vorzuwerfen, und dem Sänger und seiner Band hat der Skandal offenbar nicht geschadet: Wie schon zuvor füllen Rammstein-Konzerte große Hallen – oder sogar wie jetzt an drei Tagen das Frankfurter Stadion.
Nicht "weitermachen wie bisher"
Sarah A. dagegen war schockiert, dass die Band und Lindemann einfach so weiter machen können wie vorher. Die Studentin hat nicht nur ein gesellschaftspolitisches Anliegen, sondern auch ein persönliches. Sie erzählt im Gespräch mit dem hr, auch sie habe eine Erfahrung mit Machtmissbrauch in der Musikbranche gemacht und sei damit nicht die einzige in ihrem Bekanntenkreis.
"Mich hat es enorm geärgert, dass es nach den ganzen Vorwürfen, die laut geworden sind, das Thema Machtmissbrauch in der Showbranche wieder so schnell in Vergessenheit geraten ist. Und dass es keine Initiative in Frankfurt gab, die dagegen Lärm auf der Straße macht", erzählt sie.
Die 26-Jährige gründete deshalb die Initiative "Keine Bühne für Täter Frankfurt", die während der drei Rammstein-Konzerte zu Protestaktionen vor dem Stadion aufruft.
Die Frankfurter Initiative ist Teil des deutschlandweiten Bündnisses "Konsequenzen für Rammstein". Darin sind verschiedene feministische Gruppen zusammengeschlossen, etwa aus Kassel, Berlin, Dresden und Hannover. Sie wollen, dass der Band Rammstein grundsätzlich keine Bühne mehr geboten wird.
Forderung: "Kein Profit aus Machtmissbrauch"
"Wir wollen keine Menschen in der Öffentlichkeit haben, die systematisch ihre Machtposition ausnutzen", sagt Sarah A. "Das hat auf der Bühne nichts zu suchen, das darf nicht abgefeiert werden, da darf kein Profit daraus geschöpft werden."
Das Ziel der Gruppe sei, dass die Ermittlungen gegen Lindemann wieder aufgenommen werden und dass Aufmerksamkeit für sexuelle Gewalt in der Showbranche geschaffen wird. "Wir problematisieren, wenn Musikmagazine jetzt wieder unkritisch über neue Platten berichten, und fordern, dass Konzertveranstalter die Zusammenarbeit mit Rammstein beenden", sagt Sarah A..
Rammsteins Agentur betont Unschuldsvermutung
Rammsteins Agentur MCT antwortet auf eine hr-Anfrage zu A.'s Vorwürfen: "Meinungsfreiheit und Demonstrationsrecht sind in unserem Rechtsstaat verankert und auch uns ein großes Anliegen. Wir begrüßen friedliche Proteste als Ausdruck einer lebendigen Demokratie."
In der Sache erlaube man sich kein Urteil, sondern vertraue auf den Rechtsstaat, dass Vorwürfe geprüft, aber auf Basis der Unschuldsvermutung niemand zu Unrecht verurteilt werde.
Fans treffen auf Demonstranten
Proteste gegen die Rammstein-Konzerte hat es auch schon in anderen Städten gegeben, in Deutschland zuletzt im Mai in Dresden. Dabei trafen Demonstranten und Fans aufeinander – und damit viele Emotionen.
Die Wut der Rammstein-Fans hat Sarah als beängstigend erlebt. Bei Lindemanns Solo-Show im November 2023, wo sie ebenfalls protestierte, hätten die Fans hätten sie gefilmt und beleidigt.
Drohungen gegen Aktivisten
Auch deswegen möchte sie im Artikel nicht mit vollem Namen genannt werden. "Ich möchte mich schützen vor potenzieller Bedrohung durch die Rammstein-Fans." Ihre Genossinnen aus Berlin hätten Mord- und Vergewaltigungsandrohungen bekommen, sagt Sarah A..
"Sobald man als Aktivistin Angst um das eigene Leben haben muss, bleibt man lieber anonym, bevor man den Namen veröffentlicht und irgendwie Futter gibt."
Zehntausende Fans, 30 Protestierende
42.000 Konzertbesucher allein am Donnerstag, versus etwa 30 Protestierende. Ist das für Sarah und das Bündnis "Keine Bühne für Täter Frankfurt" eine Enttäuschung?
Nein, sagt Sarah A.: "Wir wollen auf jeden Fall präsent sein, ob wir 30 sind oder 300 oder 3.000." Die Aktivisten wollten den Rammstein-Fans und den Unterstützern Lindemanns nicht wortlos das Feld überlassen. "Wir wollen deutlich machen, dass wir das scheiße finden, dass sie weiterhin auf diese Konzerte gehen, obwohl so schwerwiegende Vorwürfe im Raum stehen."
Lindemanns Anwalt Bergmann sagt dagegen dem hr: "Unser Mandant ist kein Täter. Er hat keine Straftat begangen." Es gelte die Unschuldsvermutung.