Projekt "Prototype Frankfurt" So könnte die Zukunft des Wohnens aussehen
Bezahlbar, ökologisch, sozial – und schön! So soll das junge Wohnen in Frankfurt sein. Studierende haben dafür jetzt einen Prototyp entworfen. Im Innenhof des Senckenbergmuseums lädt er zum Besuch ein.
Celine, Lilly und Luisa schaffen es in weniger als zehn Sekunden: Sie öffnen eine würfelförmige Holzkiste, nehmen ein paar Teile heraus und bauen im Handumdrehen vier Hocker auf. Die drei Architekturstudentinnen der University of Applied Sciences haben die mobile Hocker-Box entworfen – als platzsparende Sitzmöbel für das experimentelle Wohnprojekt "The Frankfurt Protoype".
Das Experiment, das ab Mittwoch (2. Oktober) im Innenhof des Senckenbergmuseums zu sehen ist, soll ein Lösungsvorschlag sein für eines der drängendsten Probleme der Stadtentwicklung: bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
Die Mietpreise in Frankfurt seien eine Katastrophe, findet Celine Hänle, gerade für Studierende. Daher sei es für sie ein Herzensprojekt, über neue Wohnkonzepte nachzudenken und diese auch umzusetzen.
Jeder Raum ein Modul
"Es geht um die Frage, wieviel Raum brauche ich überhaupt, um glücklich zu sein?", ergänzt ihre Kommilitonin Lilly Baumeister. Die Antwort gibt das Gebäude selbst.
Schlafräume und Badezimmer sind in kleinen Modulkisten aus hellem Holz untergebracht, die sich bei Bedarf erweitern und aufeinander stapeln lassen. Dazu gibt es viel Freiraum auf Terrassen und Balkons, überall ranken sich Grünpflanzen in die Höhe.
Öffentliches Wohnzimmer im Erdgeschoss
Die ganze Wohnanlage schwebt in etwa vier Metern Höhe auf einer Konstruktion aus Stahlträgern. Darunter befindet sich ein großer Raum, den alle nur "die Markthalle" nennen: eine Art öffentliches Wohnzimmer.
Ein Café kann hier entstehen, ein Lebensmittelverkauf, ein Kino oder eine Theaterbühne - auf jeden Fall ein Ort der Begegnung. "Der Austausch war uns sehr wichtig bei dem Projekt", sagt Luisa Host.
Stadt in der Krise
Für den Autor und Architekturkritiker Niklas Maak, der das studentische Projekt als Gastprofessor an der Städelschule initiiert hat, ist klar: "Die Stadt ist in der größten Krise seit der Antike." Man arbeite nicht mehr im Büroturm, gehe nicht mehr auf den Markt.
Mit der Digitalisierung stelle sich immer drängender die Frage, "wie die Stadt als soziales Konstrukt zu retten ist", sagt Maak. Hinzu komme der Mangel an bezahlbarem Wohnraum für Studierende und Geflüchtete. Auf all diese Fragen will das Bauprojekt Antworten geben.
Hinzu kommt die Erkenntnis, dass die Bauwirtschaft für 40 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich ist. Wenn also neu gebaut werden muss, dann mit wiederverwerteten Materialien. Beim "Frankfurt Protoype" haben die Studierenden das konsequent umgesetzt. Der Stahl stammt aus dem Werftbau, wurde zugeschnitten und wie bei einem Metallbaukausten verschraubt. Das Holz wurde zuvor für den Schalungsbau von Betonbrücken verwendet und hier für die Konstruktion der Wohnmodule recycelt.
Biodiversität im vertikalen Dschungel
Drei Jahre haben die Studierenden sich dem Projekt gewidmet, haben Skizzen gezeichnet, Modelle gebaut und zusammen mit Architektinnen und Architekten an der Umsetzung gearbeitet. Einen Ort zu finden, wo das Gebäude im Maßstab 1:1 aufgebaut werden konnte, war nicht leicht.
Die Zusage kam schließlich vom Senckenbergmuseum, in dessen Innenhof das Bauprojekt realisiert wurde. Forschende der Senckenberg Gesellschaft beteiligten sich auch an der Planung des "vertikalen Dschungels", einem Gebäudeteil, der begrünt werden kann und einen Beitrag zur Biodiversität in der Stadt leisten soll.
Bis Ende des Jahres ist "The Frankfurt Prototype" zu besichtigen, das Tor zum Hof neben dem Eingang zum Museum ist täglich ab 10 Uhr bis mindestens 18 Uhr geöffnet. In der öffentlichen "Markthalle" soll es Kino, Theater, Konzerte und ein Café geben. Aktuelle Ankündigungen gibt es auf Instagram.
"Schaufenster für die Welt"
Die Holzmodulräume in den oberen Etagen werden zunächst als Arbeits- und Ausstellungsräume für das "Center for Contemporary Arts Afghanistan" genutzt, das nach der Machtübernahme der Taliban ins Exil gehen musste. Weitere Ausstellungen sollen folgen. Das Gebäude werde so auch zum "Schaufenster für die Welt in Frankfurt", sagt Initiator Niklas Maak.
Nach der Zeit im Museumshof – so hoffen Maak und seine Studierenden – könnte das experimentelle Gebäude an anderer Stelle wieder aufgebaut werden, vielleicht sogar als Kern für ein weiter wachsendes, innovatives Wohnprojekt.