"Hoffe, ich kann mir irgendwann ein Gehalt auszahlen" Wie sich kleine hessische Kinos neu erfinden

Aktivisten haben das Berger Kino in Frankfurt nach drei Jahren Leerstand besetzt. Ihr Ziel: Es in ein Kulturzentrum umwandeln. Ein Weg aus der Kinokrise? Zwei hessische Programmkinos zeigen, wie dieser Weg aussehen kann.

Rote Kinosessel, davor Weingläser
Blick in die Filmbühne Bad Nauheim. Bild © Mario Andreya
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Bild © Katrin Kimpel (hr)| zur Audio-Einzelseite
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Erste Dates, Knutschereien, die ersten Kinobesuche mit den Kindern und gute Unterhaltung - das verbinden Menschen mit dem Kino. Immer mehr Kinos müssen allerdings aufgeben, jüngst etwa die E-Kinos an der Frankfurter Zeil nach 70 Jahren.

Das Berger Kino im Stadtteil Bornheim wiederum stand für drei Jahre leer - bis es das Kollektiv "queereskino069" vergangenen Samstag besetzte und dort ein selbstverwaltetes spendenbasiertes Kulturzentrum einrichten will.

Am Eingang hat das Kollektiv ein weißes Plakat aufgehängt, auf das Menschen schreiben können, was sie an dem Kino schätzen. Der Zuspruch hier und in den sozialen Medien ist groß. Derweil diskutiert die Frankfurter Stadtpolitik wie etwa am Dienstag im Ortsbeirat über Unterstützungsmöglichkeiten - Ausgang offen.

"Bestehende Standorte müssen erhalten bleiben" 

Aktuell gibt es noch 68 Standorte in Hessen mit Filmtheatern und kommunalen Kinos, weiß Erwin Heberling vom Filmbüro Hessen, einem Verband aus Kinobetreibern. Er ist durchaus zufrieden mit der Zahl, auch wenn diese früher bei über 100 lag.

"Aber das ist lange her", sagt er und weist darauf hin, dass es schon in den 1980ern ein Kinosterben gab. "Nun geht es darum, dass die bestehenden Standorte erhalten bleiben", betont er. 

Der Verein Filmbüro Hessen habe lange eine Investitionsförderung für Kinos gefordert. Seit acht Jahren können Kinos sie neben der Filmförderungsanstalt (FFA) auch bei der Förderanstalt HessenFilm beantragen. Damit konnten schon einige Kinos ihre Modernisierung vorantreiben, erzählt Heberling.

Betreiber sieht schwarz für gewerbliche Kinos 

Das allein hilft vielen Lichtspielhäusern aber nicht. Das Berger Kino in Frankfurt musste nach vierzig Jahren Betrieb nicht nur schließen, weil es während der Corona-Pandemie schlecht lief, erklärt der Pächter und Betreiber Harald Metz. Mit seiner jahrzehntelangen Erfahrung in der Branche sieht er schwarz für das gewerbliche Kino, wie er sagt.

Unter anderem die Streaming-Dienste würden es den Betreibern erschweren, kostendeckend Programm anzubieten. Denn: Immer öfter schauten sich potenzielle Kinobesucher schnell nach dem Kinostart verfügbare Blockbuster auf dem heimischen Großbildschirm an.

Filme zeigen - das geht nach seiner Meinung nur noch als nicht gewerbliche Kulturstätte, ohne die Abhängigkeit von Filmverleihern. Er hatte der Stadt Frankfurt schon 2021 ein neues Konzept für sein Kino vorgelegt, wollte ein Kultur- und Kommunikationszentrum daraus machen. Doch eine Förderung steht bisher dafür nicht in Aussicht, politische Diskussionen darüber verliefen immer wieder im Sande.  

Kino Traumstern in Lich als Positivbeispiel

Aber es gibt hessenweit auch positive Beispiele dafür, wie es gut laufen kann. Das Kino Traumstern in Lich (Gießen) war vor zwölf Jahren gefährdet, dem Gebäude drohte der Abriss, erzählt Edgar Langer. Er ist zusammen mit Hans Gsänger Betreiber des Kinos.

Die beiden gründeten eine Genossenschaft, die Kino und Grundstück kaufte. Mittlerweile hat sie 290 Mitglieder, ihr Programmkino ist vielfach preisgekrönt. Besuchende des Kinos nehmen lange Anfahrten in Kauf - für Filmperlen, die in Multiplex-Kinos meistens keinen Platz haben.

Zudem gibt es Diskussionsrunden mit Regisseuren und Schauspielern, und auch Konzerte und Lesungen. Langer und Gsänger pflegen ihre Nische bewusst, kämpfen aber immer wieder mit der schwarzen Null, trotz Förderung durch den Landkreis Gießen.

Erfolg von Fall zu Fall unterschiedlich 

Was am Ende hilft, ein Kino über Wasser zu halten, das sei pauschal nicht zu sagen, erklärt Giovanni Speranza. Er traute sich, während Corona ein Kino zu übernehmen.

Seit zwei Jahren betreibt er nun die Filmbühne in Bad Nauheim (Wetterau). Das Kino kenne er noch aus seiner Kindheit, sagt er, sein Motto bei der Übernahme inmitten der coronabedingten Kinokrise: "antizyklisch handeln".

Ein weiteres Motto: "Im richtigen Kino sitzt man nie im falschen Film." Er ließ jede zweite Sitzreihe für mehr Beinfreiheit entfernen. Tischchen und ausgewählte Snacks und Getränke sollen für eine besondere Atmosphäre sorgen. Und auch er verzichtet auf der Leinwand auf Mainstream, lädt Schauspieler und Regisseure zu Diskussionsrunden, organisiert Sonderaktionen.  

Marge von Programmkinos gering

Die Marge ist auch bei einem solchen Angebot gering, gibt er zu. Mit Filmtickets verdiene er kein Geld, denn rund die Hälfte des Ticketpreises gehe an den Verleih. Erfolgreich ist der gelernte Werbefachmann trotzdem, wie er sagt: "Wir haben eine gute Auslastung", durchschnittlich rund 55 Besucher am Tag. Seit Mai 2022 seien 34.000 Zuschauer im Kino gewesen.

"Das ist deckungsgleich mit der Einwohnerzahl von Bad Nauheim", sagt er stolz. Stolz mache ihn auch, dass die Filmbühne in einem Ranking des unabhängigen Berliner Vergleichsportals Testberichte.de unter 1.000 Kinos deutschlandweit auf Platz 13 gewählt wurde.  

Trotz des Erfolgs laufe die Bilanz aber auf fast Null heraus. Reich werde er durch das Betreiben eines Kinos nicht, sagt Speranza und frotzelt: "Ich hoffe, ich kann mir irgendwann mal ein Gehalt auszahlen".

"Man will von Besetzern nicht entmündigt werden"

Im Berger Kino in Frankfurt haben die Besetzer die Popcornmaschine wieder angeschmissen und zeigen Filme auf Beamern, die sie selbst mitgebracht haben. Wenn es nach ihnen ginge, könnte das einfach so weitergehen, erzählt Jule, eine der Besetzerinnen.

Betreiber Metz hat ambivalente Gefühle zur Besetzung: "Es ist eine Mischung aus Sympathie, und andererseits ist das Kino seit 40 Jahren mein Baby. Da will man natürlich nicht entmündigt werden, auch nicht von 20-jährigen Besetzern." Wie es mit ihnen weitergeht, ist bislang unklar.

Der Besitzer des Gebäudes, der Ortsvorsteher von Bornheim und Ostend, Hermann Steib (Grüne), möchte in der kommenden Zeit mit Metz und weiteren Interessenten für das Kino ins Gespräch kommen, wie er sagt. Die Besetzung sei bei alldem nicht hilfreich. 

Weitere Informationen

Sendung: hr2-kultur, 12.03.2024, 8.28 Uhr

Redaktion: Sonja Fouraté

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Quelle: hessenschau.de