DJ, Musikerin & Co. Revival der Schallplatte: Vier Stimmen für das moderne Vinyl
Schallplatten haben sich in den letzten Jahren wieder besser verkauft. Ein kleiner Sieg gegen die digitale Streaming-Welt? Vier Musikfreunde, vier Meinungen - und ein Wermutstropfen.
Auf den ersten Blick ist der Wiederaufstieg der Schallplatte schon etwas kurios. Sie sind nämlich eigentlich der perfekte Grund für die Digitalisierung. Schallplatten nehmen Platz weg, sind aufwendig zu pflegen und wehe, es ist eine Delle im Vinyl – dann springt die Nadel. Zum Glück gibt es also Streaming, hier läuft alles bequem übers Internet.
Das ist aber genau das Problem, findet Matthias Westerweller. Er hat gerade einen Plattenladen auf Zeit auf der Berger Straße in Frankfurt eröffnet. Damit habe er sich einen kleinen Traum erfüllt, sagt er. Er sammelt schon seit Jahrzehnten Schallplatten.
Cover und Booklet statt Playlist
Früher gab es keine andere Möglichkeit, um an Musik zu kommen, heute gehe es mehr darum, etwas Analoges in der Hand zu haben: "Es ist was anderes, ob ich Pink Floyd über Spotify höre oder ob ich die Platte in der Hand habe, den Text mitlesen kann und mir im Booklet Fotos oder das Cover angucke", sagt er.
Was ihn überrascht hat: Das Alter seiner Kunden ist gemischt. Regelmäßig besuche ihn ein zwölfjähriger Junge, der gebrauchte Schallplatten kauft. "Es gibt aber natürlich auch den alten Plattensammler", sagt Westerweller.
Platten geben der Musik Anerkennung
Einen anderen Blick auf das Thema hat die Musikerin Julie Kuhl. Die 17-Jährige hat vor Kurzem ihr erstes professionell produziertes Album rausgebracht. "Born with nostalgic bones" wird unter dem Frankfurter Label Jazz Montez auch als Schallplatte erscheinen.
Das Produkt bekomme dadurch viel mehr Anerkennung, freut sich Kuhl. "Als Künstler:innen machen wir uns ja auch Gedanken, wann welcher Song abgespielt wird oder wie das Cover aussieht. Das wird dadurch gewürdigt", findet sie.
Schallplatten sind DJ-Handwerk
Bei einer bestimmten Gruppe von Musikern hat die Schallplatte nie aufgehört, relevant zu sein: Salvatore Calleri schwört auf den Sound von Vinyl. Als Fratello legt er bevorzugt mit Schallplatten auf.
Musik vom USB-Stick abzuspielen, ist für ihn zu distanziert. "Wenn ich eine Schallplatte anfasse, bekomme ich direktes Feedback. Man muss aber bei der Sache sein. Wenn man die Platte zu sehr schubst, bricht das ganze Gebilde zusammen." Viele Zuhörer würden das auch wertschätzen, dass jemand sich mehr Arbeit macht, mit Platten aufzulegen, sagt er.
Kleine Labels können sich Vinyl nicht mehr leisten
"Mit der Platte aufzulegen ist die Königsdisziplin", findet auch Ata Macias, Gründer des Offenbacher Clubs Robert Johnson und Label-Chef. Im Robert Johnson könne auch jeder unangekündigt mit Schallplatten auflegen, was nur noch in wenigen Nachtclubs möglich sei. An vielen DJ-Pulten gebe es nämlich gar keine Plattenspieler mehr.
Als Musiker liebt er die Schallplatte, als Label-Chef musste er ihr aber jüngst den Rücken kehren: "Die großen Major-Labels haben die Presswerke besetzt. Außerdem sind die Preise gestiegen." Das sei unfair, findet er, denn die kleinen Labels und die Underground-Szene hätten in der Vergangenheit dafür gesorgt, dass überhaupt noch Presswerke existieren. "Es ist halt wie immer: Geld regiert die Welt".
Sendung: hr-iNFO, 29.11.2022, 15.00 Uhr
Ende der weiteren Informationen