Neues Buch von Satirikerin Ella Carina Werner "Mach du mal den Haushalt, ich hänge lieber ab"

Die Titanic-Mitherausgeberin Ella Carina Werner beweist mit ihren Tiergedichten, dass Feminismus auch lustig sein kann. Im Interview spricht sie über unscheinbare Kakerlaken, ihren Angriffshumor und chillende Frauen.

Zwei Frauen mit einer Hühner-Kopfbedeckung
Mut zur Albernheit: Ella Carina Werner und Juliane Pieper, Illustratorin des Buchs. Bild © Holger Matthöfer

Ella Carina Werner ist Mitherausgeberin der Frankfurter Satire-Zeitschrift "Titanic" und eine der bekanntesten Satirikerinnen Deutschlands. Jetzt hat die 45-Jährige ein grell illustriertes Büchlein mit feministischen Tiergedichten geschrieben, der Titel: "Der Hahn erläutert unentwegt / der Henne, wie man Eier legt".

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Bild © Juliane Pieper/Verlag Antje Kunstmann| zur Audio-Einzelseite
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Im Interview spricht sie über von Männern gefüllte Humor-Regale, den Mut zu verbaler Vernichtung und ihren Rat an Frauen, einfach mal rumzuhängen.

Das Gespräch führte Grete Götze.

hessenschau.de: In Ihrem Buch geht es um Enten mit kleiner Rente, masturbierende Krakinnen oder Fertig-Nudeln kochende Schaben. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, feministische Tiergedichte zu schreiben? 

Ella Werner: Ich interessiere mich schon lange für komische Reimgedichte, da kommt man schnell auch auf Tiergedichte. Es gibt viele von Heinrich Heine, Wilhelm Busch oder Robert Gernhardt. Irgendwann mir fiel mir beim Lesen auf: Hoppla, das sind ja fast alles Männchen, die Dinge erleben: Tiger, die Tigerinnen vernaschen oder eben Robert Gernhardts masturbierender Kragenbär.

Ich wollte, dass auch Weibchen interessante Dinge erleben. So kam das dazu, dass fast nur Weibchen in meinen Tiergedichten auftauchen, die viele weibliche Themen reinbringen, vom Masturbieren übers Menstruieren, über Care-Arbeit, Altersarmut bis hin zu neuen Rollenbildern. Es sind also auch viele schwierige Themen, die spielerisch in Form von tierischen Zwiegesprächen verpackt werden.

Comic-Zeichnung einer Schabe
"In der Küche zeigt die Schabe ihre hausfrauliche Gabe und kocht mit mütterlicher Güte Yum-Yum-Nudeln aus der Tüte." Bild © Juliane Pieper/Verlag Antje Kunstmann

hessenschau.de: Warum haben wir es mit so vielen "Ungeziefer"-Tieren zu tun?

Werner: Es gibt auch eine Löwin, aber ich habe mich vor allem für "Ungeziefer" interessiert, weil die Tiere interessanterweise oft grammatikalisch weiblich sind. Also etwa die Schabe oder die Kakerlake im Gegensatz zum männlichen Löwen oder Elefanten. Ich wollte den kleinen unscheinbaren Tieren eine größere Bühne geben.

hessenschau.de: Woran liegt es, dass lustige Reimgedichte vor allem von Männern verfasst wurden?

Werner: Komik überhaupt wurde eigentlich bis vor wenigen Jahren überwiegend von Männern produziert, also lustige Erzeugnisse wie Sketche, Kabarett-Texte oder Romane. Kein Wunder, dass sich Frauen auch weniger an das komische Reim-Gedicht herangetraut haben.

Man muss nur alte Benimm-Bücher aus den Fünfziger Jahren lesen, wo noch steht, das Witzeln ist Männern vorbehalten. Es gibt zwar schon ein paar wenige Lyrikerinnen wie Ingeborg Bachmann oder Marie Luise Kaschnitz, aber das war dann eben ernste Lyrik.

Comic-Zeichnung von Ente und Erpel, er fährt im Boot, sie schwimmt.
"Zum Erpel sagt die Ente: Ich kriege keine Rente. Sagt er, im Plauderton: Ich schon." Bild © Juliane Pieper/Verlag Antje Kunstmann

hessenschau.de: Ist die Komik immer noch eine Männer-Domäne?

Werner: Viele der jetzt bekannten Comedians wie Carolin Kebekus oder Hazel Brugger sind weiblich, aber das hat sich erst in den letzten fünf bis zehn Jahren geändert. Ich habe in den Nuller Jahren angefangen, Satire zu schreiben, und bin wirklich noch 2007 von Kollegen darauf angesprochen worden, dass Frauen ja keine Ironie können.

Auch heute stehen in den Humor-Regalen von Buchläden zu 95 Prozent nur Bücher von Männern, von Loriot, Heinz Erhardt oder Torsten Sträter, da könnte man echt denken: Es gibt gar keine lustigen Frauen. Das ist auch ein Gatekeeping-Ding, viele Frauen werden nicht groß gemacht.

Man kann zwar verschieden zählen, aber egal wo man hinschaut, auf Kabarett-Bühnen, in der politischen Satire oder Gag-Schreiber-Teams – es sind immer unter 20 Prozent Frauen.   

hessenschau.de: Sie haben sich ja einen Namen gemacht in der Komik, warum ist das immer noch so Seltenheit?

Werner: Einmal ist es historisch gewachsen. Und man braucht schon sehr viel Mut oder auch fast so ein bisschen Unverschämtheit dazu, Satire zu betreiben, weil man erhebt sich ja über andere. Bei "Titanic" machen wir zum Beispiel sehr böse Personenporträts, wo man Leute verbal vernichtet. Das muss man sich erst mal zutrauen, und da muss es andere geben, die einem das zutrauen.

Es gibt aber immer noch die alte Buddykultur, in der Männer abends zusammen was trinken gehen und einander fördern. Das ändert sich erst langsam. Für mich ist es jedenfalls sowas wie ein politisches Lebensprojekt, mehr Frauen in die Komik zu bringen.

hessenschau.de: Wodurch haben sich getraut, mit ihrem angriffslustigen Humor an die Öffentlichkeit zu gehen?

Werner: Ich war schon immer ein Komik-Nerd und habe schon als Kind viel geschrieben, mich aber erst in meinen Dreißigern getraut, viel zu veröffentlichen. Grundsätzlich habe ich aber einen Angriffshumor, bin mit Brüdern aufgewachsen, immer viel mit Jungs zusammen gewesen. Da lernt man früh, sich durchzuboxen, beharrlich stehen zu bleiben.

Die Humorforschung sagt ja, Frauen haben eher einen defensiven, selbstironischen Humor, aber ich glaube das ist schwer voneinander zu trennen. Wenn man immer eingetrichtert kriegt: mach es nicht zu laut und grell, dann macht man es auch nicht. Will es aber im tiefsten Herzen vielleicht ganz anders und viel derber machen.

Comic-Zeichnugn der Nachtigall im Nest
"Viele schlaue Nachtigallen legen nie ein Ei ins Nest / aus Angst vor schlaffen Beckenböden und dem Kita-Sommerfest." Bild © Juliane Pieper/Verlag Antje Kunstmann

hessenschau.de: Apropos laut und grell: Wie kam es zur Zusammenarbeit mit der Illustratorin Juliane Pieper?

Werner: Sie zeichnet ja schon lange Tiere, vor allem in Kinderbüchern, und ich habe ihren Stil gleich geliebt und gemerkt, dass er zu meinen Gedichten passt. Es ist sehr bunt, sehr wild, oft sehr albern.

Meine Gedichte sind ja auch sehr albern und derb, deswegen war es gleich so eine Bild-Text-Kombination, die ich mir super für das Buch vorstellen konnte. Dass es so schön wird und jede Doppelseite komplett anders aussieht hatte ich nicht zu träumen gehofft.

hessenschau.de: So ist ein buntes, scheinbar lustiges Buch entstanden, dass gleichzeitig scharf die gesellschaftlichen Verhältnisse kritisiert. Ist Humor die beste Waffe im Kampf gegen patriarchales Denken?

Werner: Es ist auf jeden Fall mein Weg, immer zu schauen, was ist lustig an einer Sache, wie kann ich eine Perspektive verdrehen? In den Tiergedichten zum Beispiel sind die Cooleren die Weibchen, die zu ihrem Mann sagen: Mach du mal den Haushalt, ich hänge lieber ab. Das ist eine schöne Utopie, und durch die Perspektiv-Umkehr wird einem klar: Shit, da ist noch viel im Argen.

Denn das Bild ist lustig, weil es seltsam wirkt, weil es nicht der Realität entspricht. Man kann durch eine komische Zuspitzung Probleme, die bestehen, gut sichtbar machen. Ich finde es aber auch toll, dass es wütende, feministische Sachbücher gibt, oder Kabarettistinnen, die ihre Shows aus einer großen, wütenden Energie heraus machen.

Comic-Zeichnung von Löwe und Löwin
"Von der Wiege bis zur Bahre trägt die Löwin Achselhaare..." Bild © Juliane Pieper/Verlag Antje Kunstmann

hessenschau.de: Liegt die auch Wut daran, dass Frauen in ihren Rollen immer noch so unfrei sind?

Werner: Auf jeden Fall. Entweder sollst Du die Rolle der aufopfernden Mutter spielen, die sich ab Mittags um die Kinder kümmert, oder wenn Du das nicht bist sollst du gefälligst doll Karriere machen, damit es irgendwie eine Begründung gibt, warum du keine Mutter bist.

Mir ist aufgefallen, dass das Nichtstun auch in der Literatur gerne Männern zugeschrieben wird, wo es den Flaneur oder den Slacker gibt, die einfach so rumhängen und nichts machen, und das ist voll ok. Aber Frauen wird es viel weniger zugestanden, und deswegen hängen in meinen Tiergedichten viele Frauen einfach ab und erfüllen keine gesellschaftliche Rolle. Diese Gedichte sind mir besonders nah.

Weitere Informationen

"Der Hahn erläutert unentwegt der Henne, wie man Eier legt"

Die feministischen Tiergedichte mit Illustrationen von Juliane Pieper sind im Verlag Antje Kunstmann erschienen und kosten 22 Euro. 

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Redaktion: Alexandra Müller-Schmieg

Sendung: hr2 kultur,

Quelle: hessenschau.de