Volles Programm vor dem Umzug So feiert die Frankfurter Schirn ihren (vorläufigen) Abschied
Im Frühsommer nimmt die Kunsthalle Schirn vorerst Abschied von ihrem Standort am Römer. Der bevorstehende Auszug eröffnet neue Perspektiven auf das markante Gebäude - zum Beispiel an diesem Wochenende bei einem Performance Festival.
Kurz vor dem Umzug erfindet sich die Schirn neu: Unter dem Titel "Body and Building" widmet sie ein ganzes Wochenende der Performance-Kunst – einer Gattung, die sonst nur eine Nebenrolle im Programm spielt.
Im Mittelpunkt steht das Zusammenspiel von Raum und Körper, nicht nur in den Performances selbst. Auch die veränderte Erscheinung der Ausstellungshalle rückt in den Fokus, denn das Gebäude am Römer muss temporär schließen, um energetisch saniert zu werden.
So hat man die Schirn noch nicht gesehen
Erstmals sind die Fenster der 140 Meter langen Galerie zum Tageslicht geöffnet. "Eine Atmosphäre, wie sie die meisten Besucher noch nie erlebt haben", erklärt Direktor Sebastian Baden. Die Performances würden die Dynamik des Raums noch betonen.
Normalerweise stehen in der Schirn die Exponate im Fokus – diesmal stünde das Gebäude im Vordergrund, so Baden. Licht durchflutet die Halle, die geöffneten Fenster geben den Blick auf die umliegende städtische Architektur frei.
Körperlichkeit in ihrer unauffälligsten und vergänglichsten Form
Die Performances des dreitägigen Festivals setzen sich mit dem Verhältnis von Körper und Raum auseinander. "Die Grundidee ist, dass es um den menschlichen Körper und dem architektonischen Körper, den Raum geht", erklärt Kurator Matthias Ulrich.
Ein besonderes Beispiel ist die Performance "Antibodies" des Künstlerkollektivs Norma Jeane. Sie widmet sich dem Staub – den unscheinbaren Überresten menschlicher Präsenz wie Hautschuppen und Haaren, erklärt Ulrich. Gekleidet wie bei der Spurensicherung fegen die Mitglieder des Kollektivs den Staub vom Boden der Ausstellungshalle zusammen und formen daraus eine Skulptur. Sie produzieren fast schon expressionistische Bilder.
Die Grundlage für diese vergängliche Kunst: Über mehrere Monate hinweg sammelte das Reinigungsteam der Schirn den Staub gezielt für die Performance.
Ein Wochenende voller Live-Kunst
Aber auch in Astrit Ismailis Performance "Lynx" hat das Zusammenspiel von Körper und Raum eine besondere Bedeutung. Ismaili verbindet sich mit einer Skulptur aus Metal mittels Fäden. Durch das Ziehen der Fäden und den Einsatz der eigenen Stimme verändert Ismaili Klang und Musik, die gleichzeitig zu hören sind.
Selbst komponierte Songs sowie Tonfragmente aus Kunst, Populärkultur und Politik handeln von Tradition und Gewalt, Einschränkung und Widerstand.
Insgesamt werden 14 Live-Performances sowie ein Raum mit 10 Videoarbeiten präsentiert. Tanz, Musik, Theater, Poesie und Skulptur verschmelzen miteinander. Die Performances laufen parallel, überschneiden und wiederholen sich. Einen detaillierten Zeitplan gibt es auf der Schirn Website. Ergänzt wird das Programm durch Gespräche und Diskussionen zur Performance-Kunst.
Kunst trifft auf Geselligkeit
Ungewöhnlich für eine Ausstellung: Essen und Trinken sind ausdrücklich erlaubt. Eine Bar im Ausstellungsraum bietet Snacks und Getränke – ihr Tresen besteht aus den abgenommenen und übereinandergestapelten Fensterabdeckungen.
Ein weiteres Highlight: Ein selten für Ausstellungen genutzter Raum der Schirn wird für die Besucher geöffnet und lädt mit einer ASMR-Performance von Anna Witt zum Verweilen ein.
Ein Phänomen, das durch soziale Medien bekannt wurde: ASMR – sanfte Geräusche wie Flüstern, Klopfen oder Kratzen, die bei Zuhörenden ein angenehmes Kribbeln auslösen. Für das Festival hat Witt die professionelle ASMR-Künstlerin Dori-ASMR eingeladen. Ihre Performance kombiniert sanfte, aber zugleich zerstörerische Aktionen an Objekten.
Ein Wandel für die Schirn
Für Direktor Sebastian Baden ist dieses Wochenende mehr als nur ein Event – es markiert den Auftakt für den Wandel der Schirn und den bevorstehenden Umzug nach Bockenheim. Noch bis zum 21. April ist die Ausstellung "Troika" am Römer zu sehen. Mit der letzten "Schirn at Night" am 30. April verabschiedet sich die Kunsthalle vorerst von ihrem aktuellen Standort.
Ab Mai 2025 beginnen die umfassenden Sanierungsarbeiten, die voraussichtlich bis Frühjahr 2027 dauern. Doch bereits ab September 2025 startet das Programm im Interims-Standort, der ehemaligen Dondorf-Druckerei in Bockenheim.
Obwohl die neuen Räumlichkeiten etwas kleiner sind als am Römer, hält Baden am bewährten Konzept fest: Zwei parallele Ausstellungen werden weiterhin präsentiert – "etwas reduzierter in der Größe, aber mit gleichbleibender Qualität", versichert der Direktor.