Sonderausstellung in Hadamar 95-jähriger Mönch illustriert Kinderbuch über NS-Euthanasie
Mit dem Bilderbuch "Oskars Rettung" erzählt die Gedenkstätte Hadamar kindgerecht die Überlebensgeschichte eines Jungen mit Behinderung in der NS-Zeit. Illustriert hat es der 95-jährige Lukas Ruegenberg – Maler, Mönch und Menschenfreund.
Es sind bunte Bilder zu einem äußerst düsteren Kapitel in der deutschen Geschichte: Das Kinderbuch "Oskars Rettung – wie ein Junge mit Behinderung den Nationalsozialismus überlebte" erzählt die wahre Geschichte des kleinen Jungen Oskar, geboren 1932 in Münster. Nach einem Unfall hat Oskar eine bleibende Beeinträchtigung. Er stottert, sein rechter Arm ist teilweise gelähmt.
Im Buch wird in einfachen Worten das Weltbild der Nazis beschrieben und wie Kinder wie Oskar nicht hineinpassen. Sie gelten als "minderwertig" und bekommen das auch deutlich zu spüren. Wörter wie "schwachsinnig" hört er immer wieder, "Idiot" - schließlich auch: Hadamar.
Von 1941 bis 1945 befand sich im mittelhessischen Hadamar (Limburg-Weilburg) eine Tötungsanstalt. Fast 15.000 Menschen wurden ermordet, die meisten aufgrund von Behinderungen oder Erkrankungen. Das Buch erzählt, wie auch Oskars Leben in Gefahr ist und er sich schließlich nur durch Verstecken retten kann.
Werksausstellung in Hadamar
In Hadamar läuft derzeit eine Sonderausstellung zum Buch und den dazu gehörigen Bildern. Sie stammen von Lukas Ruegenberg – einem mittlerweile 95 Jahre alten Benediktinerbruder und Illustrator aus Nordrhein-Westfalen.
Gezeigt wird eine Auswahl von Ruegenbergs Aquarellen: Es sind flächige Zeichnungen, schemenhaft und gleichzeitig detailreich. Durch die oft unscharfen Konturen wirken manche fast wie bewegt.
Künstlerbruder Lukas Ruegenberg
Der Benediktinerbruder wurde 1928 in Berlin als Alfred Ruegenberg geboren. Vor Kurzem sprach er mit dem WDR ausführlich über seine Arbeit und seine bewegte Lebensgeschichte.
Er berichtete dabei auch darüber, wie er selbst die Zeit der Judenverfolgung und des Kriegs miterlebt hatte. Ruegenberg war mit 15 Jahren Flakhelfer geworden und hatte die letzten Gefechte um Berlin miterlebt.
Künstlerbruder und Sozialarbeiter
Nach dem Krieg studierte er freie Malerei an der gerade erst wieder aufgenommenen Hochschule für bildende Künste in Berlin. Dort war er Meister-Schüler des Expressionisten Karl Schmidt-Rottluff.
Nachdem er als junger Mann eine tiefe religiöse Erfahrung gemacht hatte, zog es ihn in den Dienst der Kirche und schließlich in die Abtei Maria Laach in der Eifel, wo er bis heute lebt.
Ab 1965 entsendete ihn der Orden zudem in eine Brennpunktsiedlung nach Köln, wo er jahrelang als Sozialarbeiter unter sozial benachteiligten Jugendlichen, Obdachlosen und Arbeitslosen arbeitete. Ruegenberg lebte abwechselnd in Köln und im Kloster.
Ruegenberg malt bis heute
Gleichzeitig widmete er sich stets weiterhin der Kunst. Ruegenberg illustrierte zahlreiche Kinderbücher, zu biblischen Geschichten, aber auch zu gesellschaftlichen Problemen und zur NS-Zeit.
Nachdem er zusätzlich noch Kirchenmalerei an der Akademie der Bildenden Künste in München studiert hatte, übernahm er auch Aufträge für große Glasfenster-Gestaltungen.
Im WDR berichtet er: Er male weiterhin noch jeden Tag, am liebsten von morgens bis abends.
Buch basiert auf wahrer Geschichte
Das Bilderbuch "Oskars Rettung" ist in einer Buchreihe der Gedenkstätte Hadamar (Limburg-Weilburg) erschienen und basiert auf dem Jugendroman "Anton oder Die Zeit des unwerten Lebens" der renommierten Kinder- und Jugendbuchautorin Elisabeth Zöller. Darin schildert Zöller die Lebensgeschichte ihres eigenen Onkels.
Das Bilderbuch folgt Oskars Überlebenskampf auf eindringliche Weise: von Herabwürdigungen in der Schule, über dunkle Kellerverstecke, bis zu einem Bauernhaus auf dem Land bei Tante Emmi. Erst als ein Arzt einen falschen Totenschein ausstellt, hören die Nazis auf ihn zu suchen.
Oskar überlebt den Nationalsozialismus – als einer von wenigen Menschen mit Behinderung, heißt es am Ende des Buches. "Er überlebte, weil es Menschen gab, die ihm geholfen haben."
Gedenkstätte wollte Lücke schließen
Projektkoordinatorin Judith Sucher, die auch die pädagogische Arbeit in der Gedenkstätte Hadamar leitet, erzählt: Man habe festgestellt, dass ein Besuch in der Gedenkstätte viel Vorbereitung brauche. "Es ist wichtig, dass auch Kinder bereits mit einem Grundverständnis von der Thematik an den Ort kommen."
Auf der Suche nach geeigneten Büchern über NS-Euthanasie für die Zielgruppe Grundschüler habe man schnell festgestellt: Es gib nichts. Die Gedenkstätte habe dann entschieden, diese Lücke selbst zu füllen.
"Für die literarische Vorlage haben wir uns entscheiden, weil sie ein positives Ende nimmt", so Sucher. Die Geschichte sei traurig und in Teilen schwer zu lesen, aber der Ausgang sei gut: Oskar überlebt.
Auf den Illustrator sei man schnell gestoßen, weil Ruegenberg bereits viele Kinderbücher rund um die Thematik Nationalsozialismus bebildert habe. "An Lukas Ruegenberg führt da eigentlich kein Weg vorbei."
Begleitetes Lesen empfohlen
Das Buch ist keine leichte Kost. Empfohlen wird es von der Gedenkstätte ab acht Jahren. Allerdings eigne es sich nicht für die Alleinlektüre von Kindern, sondern eher als Schullektüre für ganze Klassen oder einen intensiven gemeinsamen Leseabend in der Familie.
Das Buch enthält im Anhang zudem Erklärtexte über die NS-Zeit und die Tötungsanstalt Hadamar.