Spielzeug im Kunstmuseum Kassel Wie Alte Meister durch Playmobil lebendig werden sollen
Alte Gemälde haben bei vielen jungen Menschen einen schweren Stand, während der Spielzeughersteller Playmobil mit einer Unternehmenskrise kämpft. Können zwei Leidensgenossen sich mit einem Auftritt in Kassel gegenseitig wieder ins Gespräch bringen?
Ein grauer Miniatur-Felsen steht derzeit in der "Galerie der Alten Meister" des Schlosses Wilhelmshöhe. Oben auf ihm thronen die "Tugenden der Menschheit", davor liegen ihre "Laster". Dargestellt ist dieses klassische Motiv, die Cebestafel, auf einer kleinen Bühne mit liebevoll angerichteten Plastikfiguren.
An der Wand dahinter hängt die jahrhundertealte Vorlage, eine Leinwand mit Ölfarbe. "Das ist ein sehr kompliziertes Gemälde", sagt der Künstler Oliver Schaffer, der das Playmobil-Diorama aufgebaut hat. Ruhig stellt er Figürchen neben Figürchen. "Befreundete Sammler haben mich für verrückt erklärt, das nachzustellen".
Alte Gemälde mit Spielzeug neu inszeniert
Aus seinen 1.500 Kisten mit insgesamt 400.000 Playmobil-Figuren hat er 15 Motive zusammengestellt und mit nach Kassel gebracht. Der 45-Jährige ist nicht nur Markenbotschafter der Firma, sondern auch ein sogenannter Playmobil Diorama Artist. Seinen Durchbruch in der Kunstwelt schaffte der frühere Musical-Darsteller vor 20 Jahren mit einem Zirkus aus Playmobil, den er 2009 sogar im Pariser Louvre ausstellte.
Dreieinhalb Millionen Menschen hätten seine bisherigen 68 Ausstellungen bereits besucht, erzählt er stolz. Im Kasseler Schloss Wilhelmshöhe stelle er aber erstmals Werke aus einer Kunstsammlung originalgetreu mit Playmobil-Material nach.
Positive Wahrnehmung trotz Unternehmenskrise
Auf einige historische Motive muss der Künstler dabei aber verzichten. So seien Sex und Gewalt mit den kleinen Plastikfiguren nicht vereinbar, findet Schaffer.
Die Kunst mit Kunststofffiguren boomt trotztem. Zeitgleich befindet sich Playmobil seit Jahren in einer tiefen Krise. Im vergangenen Jahr machte der Spielzeughersteller erstmals Verluste und entließ rund 700 Mitarbeiter, 17 Prozent der Belegschaft.
Sorgen um seine Ausstellungen macht sich Schaffer deshalb aber nicht. Schon während des Aufbaus habe er festgestellt, wie positiv die Besucher im Museum noch immer auf Playmobil reagierten.
Aufmerksamkeit soll Kunst vermitteln
Sowohl Hessen Kassel Heritage als auch für der Künstler möchten solche Besucherreaktionen für die Kunstvermittlung nutzen. Durch die Dioramen werde die Aufmerksamkeit auf Details der nachgestellten Kunstwerke gelenkt und ein Denkprozess angeregt.
"Wenn dann Leute sagen: 'Ah, den gelben Hund da vorne, den hab ich auf dem Bild noch nie gesehen!', dann nehmen sie den durch das Playmobil auf einmal wahr und gucken das Gemälde ganz anders an", erklärt Schaffer.
Die Museumssprecherin Lena Pralle hofft außerdem, dass sich neben Familien und Kindern auch Erwachsene mit der Ausstellung identifizieren können, die früher selbst Elemente aus den Werken zuhause hatten. Dass der Auftritt in einer renommierten Kunstsammlung für das Unternehmen Playmobil auch eine kostenlose Werbung darstellt, sei den Beteiligten bewusst.
Tiefere Beschäftigung mit Inhalt der Gemälde
Solange sich die Menschen dabei den oft fantastischen Geschichten der Kunstwerken näherkämen, sei das aber vertretbar, so Pralle: "Wir haben tatsächlich jetzt schon während des Aufbaus immer mal wieder Kinder und Familien hier in der Ausstellung gehabt, die ganz neugierig waren, was sich hinter den abgedeckten Vitrinen verbirgt und sehr glücklich waren, wenn sie mal reingucken durften".
In der Vergangenheit hat Oliver Schaffer bereits Playmobil-Werke im Kloster Ebersbach und in Hanau ausgestellt. Dabei standen eine "Reise durch die Geschichte" und das Paulskirchen-Jubiläum im Vordergrund.
"Die Ausstellung in den anderen Standorten sind sehr gut angenommen worden und hatten viel Publikum", sagt Museumssprecherin Pralle. Die Hanauer Schau konnte sich über fast 30.000 Besucher freuen.
Gerade Schulklassen wolle das Museum mit der Ausstellung in den kommenden Monaten erreichen – und so für die alte Kunst begeistern.
Redaktion: Alexandra Müller-Schmieg
Sendung: hr-iNFO, 03.05.2024, 6.30 Uhr