"Tapefabrik" in Wiesbaden Mehr als ein Hip-Hop-Festival
Seit mehr als zehn Jahren kommt die Rap-Szene zur "Tapefabrik" in Wiesbaden zusammen. Diesmal soll beim Underground-Festival auch diskutiert werden - über unbequeme Themen wie toxische Männlichkeit und rechtes Gedankengut.
Das, was die Macher des "Tapefabrik Festivals" in Wiesbaden sich für die diesjährige Ausgabe überlegt haben, sei "ein Meilenstein", sagt Maximilian Schneider-Ludorff.
Das "Klassentreffen der Hip-Hop-Szene", wie der Projektleiter das nach eigenen Angaben größte Underground-Rap-Festival Deutschlands nennt, soll in diesem Jahr nämlich noch viel mehr bieten als Konzerte und Austausch zwischen Fans, Künstlern und Labels. Vielmehr will es zur Diskussionsplattform für gesellschaftspolitische Themen werden.
Vorträge über Männlichkeit und rechte Tendenzen
Auf dem Programm stehen unter anderem ein Vortrag der Soziologin Heidi Süß vom Berliner Institut für Popkultur und Rap-Forschung zum Thema Hip-Hop, Männlichkeit und Kampfsport sowie ein Panel über rechtes Gedankengut im Deutschrap.
Inhalte, nach denen sich auch der Wertekompass der "Tapefabrik" ausrichte, sagt Schneider-Ludorff - die im Deutschrap wegen homophober, frauenfeindlicher und antisemitischen Texte aber immer wieder für Diskussionen sorgen.
"Wir positionieren uns offen und aktiv gegen jede Art von Diskriminierung", betont Schneider-Ludorff und zählt auf: "Gegen Queerphobia, Rassismus, Antisemitismus oder Sexismus." Ein Awareness-Team stelle sicher, dass diese Werte auch auf dem Festivalgelände des Wiesbadener Schlachthofs eingehalten würden.
3.500 Besucher aus ganz Europa
2012 als Veranstaltung für lokale Nachwuchs-Rapper gestartet, kommen inzwischen jedes Jahr rund 3.500 Fans und Musiker aus ganz Europa zur "Tapefabrik".
"Unsere Besucher gehören zu dem, was wir Untergrund nennen - eine Szene mit künstlerischem Anspruch, fernab von kommerziellen Interessen", erklärt Schneider-Ludorff. "Die kommen nach Wiesbaden, weil sie ihre Kultur feiern wollen und nicht wegen großer Künstlernamen."
In diesem Jahr treten mehr als 30 Artists auf, zum Beispiel Pimf aus Hofgeismar (Kassel) oder die als "Queen of Beats" bekannt gewordene Musikproduzentin Melbeatz. "Man kann auch Rap-, Beat-, DJ- und Graffitti-Künstler treffen, den Profis beim Malen und Scratchen zuschauen, oder sich selbst in Workshops ausprobieren", sagt Maximilian Schneider-Ludorff.
Hip-Hop früh in Wiesbaden verankert
Dass das "Klassentreffen" in Wiesbaden stattfindet, ist dabei kein Zufall: Die Stadt gilt in der Szene seit Jahrzehnten als Inbegriff für europäische Hip-Hop-Kultur. Schneider-Ludorff erklärt dies auch mit der Stationierung der US-Army in Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg. "Durch die Kaserne in Wiesbaden kamen sehr früh amerikanische Einflüsse in die Stadt."
Den Anfang machte aber Graffitti, das eng mit der US-Hip-Hop-Kultur verwoben ist. 1995 fand das erste Sprayer-Festival in Wiesbaden statt, das in der Folge unter dem Slogan "Meeting of Styles" in mehrere Länder der Welt exportiert wurde und noch heute von Hessen aus organisiert wird.
Sendung: hr-iNFO, 07.06.2024, 13.05 Uhr
Redaktion: Anna Lisa Lüft