40 Jahre "Technoclub" Wie ein Frankfurter den Techno aus der Taufe hob

Techno als Genre gab es noch nicht mal richtig, da wusste Talla 2XLC schon: Elektronische Musik ist die Zukunft. Vor 40 Jahren rief er in einer Frankfurter Kellerdisco den "Technoclub" ins Leben. Bis heute lockt die Partyreihe tausende Fans auf die Floors.

Ein Mann von hinten im Bildvordergrund, der an einem Turntable steht und die Arme nach oben reckt. Im Bildhintergrund eine Menschenmenge in farbiges Licht getaucht mit linearen Lichteffekten im Raum über der Menge.
Seit den 1980er Jahren als DJ aktiv: Talla 2XLC. Bild © privat
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Putenschnitzel "Talla Art" mit Zwiebelsoße, Knoblauch und Pommes Frites, in den Größen von S bis XL – so ehrt ein Restaurant im Frankfurter Norden den Wegbereiter des Techno, Talla 2XLC.

"Ich trinke seit 21 Jahren keinen Alkohol mehr und rauche nicht", sagt der 61-Jährige, als er im hr an einer Apfelschorle nippt, "aber Burger und Schnitzel sind meine Schwäche."

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Talla, immer nur Talla, bitte!

Andreas Tomalla, wie er bürgerlich heißt, wurde in Frankfurt-Bornheim geboren. Aufgewachsen ist er im Stadtteil Griesheim, am liebsten lässt er sich schlicht "Talla" rufen, wie er betont.

Er zählt zu den weltweiten Pionieren des kommerziellen Techno und Trance. "Aber dass es so groß wird und ich heute immer noch dabei bin, das hätte ich damals nicht geglaubt."

Junge Menschen in einem Tanzclub in rotes Licht getaucht.
Mit dem "Technoclub" startete Talla 1984 eine Veranstaltungsreihe, die bis heute läuft. Bild © privat

Ein Fach im Plattenladen macht Geschichte

Die Idee zu seiner Veranstaltungsreihe "Technoclub" entsteht in den frühen 1980er-Jahren im Plattenladen City Music in der B-Ebene am Frankfurter Hauptbahnhof, wo Talla jobbt.

Platten mit den neuen Synthie- und Elektrosounds von Kraftwerk, Depeche Mode oder dem japanischen Yellow Magic Orchestra sortiert er in ein Fach unter einem eigenen Reiter namens "Techno".

"Der Begriff 'Technologie-Musik' hörte sich zu sperrig an", erklärt er. Damit ist die Bezeichnung für das Genre geboren.

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Der "Technoclub" ist kein fester Ort

Der "Technoclub" ist eine Veranstaltungsreihe, die seit ihrer Gründung 1984 in verschiedenen Locations zuhause ist – in Rhein-Main, Deutschland und weltweit. Unter dem Namen "Technoclub" erscheinen zudem seit 1997 CD-Kompilationen, auf denen Talla sich mit anderen namhaften DJs ein Mixbattle liefert. Gast auf der aktuellen Folge Nr. 73 ist Westbam. "Technoclub"-Geburtstagspartys finden am 7. Dezember im Offenbacher Club MTW und am 26. Dezember im Euro Palace in Wiesbaden statt.

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Erste DJ-Jobs noch während der Ausbildung

Während seiner Ausbildung zum Industrie-Kaufmann legt Talla ein paar Mal in der Frankfurter Tanzschule Kiel-Blell Platten auf, aber seine Auswahl elektronischer Musik eckt nach eigener Aussage an.

Am 2. Dezember 1984 bezieht er dann mit einer Metallkiste voll Schallplatten das erste richtige Domizil des "Technoclub": die Kellerdisco "No Name" in der Steinwegpassage.

Sein Konzept schlägt ein, schon die erste Veranstaltung ist mit 380 Gästen sehr gut besucht. "Nur durch Mundpropaganda", erinnert sich Talla. "Und die erste Platte, die ich gespielt habe, war 'Let me go' von Heaven 17."

Teenagerfreundliche Öffnungszeiten

Sonntags von 15 bis 21.30 Uhr wird der "Technoclub" so zum Mekka der Synthiepopper und New Waver. Teenager aus dem Umland tanzen dort neben Nachtgestalten, die aus der Flughafendisco Dorian Gray zur Afterhour reingeschneit kommen.

"Es gab damals nicht viele Clubs dieser Art", sagt Talla. "In London gab's den Blitz-Club, wo Visage und Culture Club abhingen. Aber in Deutschland waren wir die ersten, die elektronische Musik in dieser Form dargeboten haben."

Eine junge Frau und ein junger Mann stehen während einer Clubnacht an einem Turntable.
Talla und seine Frau Wafa lernten sich im legendären Club Dorian Gray kennen. Bild © privat

"Meine Wiege der elektronischen Musik"

Mit dem heutigen Techno-Sound hatte Tallas damalige Musikvorliebe noch wenig zu tun. "Anfangs war das viel englischer Wave-Sound", erklärt er. "Auch mit Gitarren, wie bei The Cure."

Der Sound habe sich über Electronic Body Music (EBM) und Industrial – mit kantigen Rhythmen und Stars wie Front 242 oder Nitzer Ebb – im Lauf der Zeit immer weiterentwickelt und der "Technoclub" mit ihm. "Er ist meine Wiege der elektronischen Musik".

Ein Abriss zum Geburtstag im Dorian Gray

Von Mitte 1987 bis zur Schließung Ende 2000 residiert der "Technoclub" mit kleinen Unterbrechungen in der Flughafendisco Dorian Gray in Frankfurt – für Talla und seine Mitstreiter der liebste Spielort, wie er sagt.

Legendär aus dem Ruder gelaufen sei etwa ein Auftritt der US-Band Nitzer Ebb zum fünften Geburtstag der Veranstaltungsreihe mit 2.000 Gästen.

"Vor dem großen Club im Gray war eine Stahltür, die wurde einfach eingedrückt, was eigentlich unmöglich ist", erinnert sich Talla. "Wir durften da nie wieder ein Konzert machen."

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Aktuell drei Projekte gleichzeitig

Ab den 1990er-Jahren feilt Talla im Dorian Gray an der Klangpalette, die bis heute seine Tanzflächen füllt: Trance, Progressive und Goa, alles Spielarten von Techno.

Aktuell betreibt er drei Musik-Projekte gleichzeitig: den "Technoclub", das spacige "Zyrus 7" sowie den Techno-Crossover "RRAW!".

"Im Lauf der Zeit habe ich alles mitgemacht", schmunzelt Talla. "Bis auf TikTok-Techno mit diesen Pillepalle-Sounds. Nee, das muss schon Hand und Fuß haben!"

Kult im Radio: die Clubnight

Auch im Radio platziert Talla seine Musik massentauglich: Regelmäßig ist er Gast der "Clubnight", einer Kult-Sendung des hr, bei der das Sendestudio zur DJ-Kanzel wird.

Von Mitte der 1990er Jahre bis 2003 legt Talla dort seinen Technotrance auf. "Die Grundidee, DJs aus den wichtigsten Clubs Hessens einzuladen, fand ich super", sagt Talla.

Mit dem Helikopter zum Hessentag

Besonders ein Clubnight-Event außerhalb des Sendestudios ist ihm im Gedächtnis geblieben: der Hessentag Erbach (Odenwald) 1998.

Zwei Männer stehen hinter einem Pult und lachen in die Kamera. Einer trägt ein rotes T-Shirt mit der Aufschrift "hr3" und hält ein Mikrofon in der Hand.
Talla war regelmäßig Gast der "hr3 Clubnight"; hier posiert er mit hr3-Producer Jörg Albrecht. Bild © privat

"Wir sind da mit dem Hubschrauber eingeflogen. Schon wurde geätzt: Wie dekadent! Aber was, wenn wir mit dem Auto nicht durchkommen? Da waren 12.000 Menschen im Zelt, und 12.000 davor!"

Techno-Fashion hat einen Namen: Wafa Tomalla

Auf den vielen Stationen seiner Karriere wird Talla von seiner Frau Wafa unterstützt. 1998 lernt er sie im Dorian Gray kennen. Die Musikmanagerin und Szenegröße erlebt die Entwicklung des Techno hautnah mit.

"Es ist eine Kultur", sagt sie. "Und für mich ist es auch Mode". Diese habe sie repräsentiert – und tue es bis heute.

Bei der Fashion Week 2022 in Frankfurt zeigt sie das erste Mal ihre eigenen Outfits aus drei Dekaden Techno. Aktuell arbeitet Wafa an einer eigenen Kollektion, wie sie sagt, die zur Fashion Week 2025 fertig sein soll.

Talla 2XLC und Ehefrau Wafa sitzen beim Gespräch im hr-Studio
Talla 2XLC und Ehefrau Wafa sitzen beim Gespräch im hr-Studio. Bild © hr/Katrin Kimpel

Im Mainstream angekommen

Für seine Arbeit bekommt Talla auch Anerkennung aus der Politik: 2010 verleiht die damalige Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) ihm die Ehrenplakette der Stadt.

Er habe das kulturelle Ansehen Frankfurts international gefördert, so die Begründung. Damit ist Technokultur mit Tallas Hilfe endgültig im bürgerlichen Wertekatalog angekommen.

Dass sie Teil von etwas Großem sind, war Wafa schon vorher klar. "2001, als wir den ersten Wagen auf der Loveparade in Berlin hatten. Da wusste ich, diese Bewegung schreibt Geschichte. Das gab es so noch nie, dass Menschen aus aller Welt friedlich miteinander tanzen." Und Talla? "Ich war einfach im Flow."

Im Fokus eine junge Frau, die ihre Arme nach oben reckt und lacht - inmitten einer großen Menschenmenge in einer großen Straße.
Wafa Tomalla bei der Loveparade. Bild © privat

Mitinitiator des MOMEM

Im Flow ist er immer noch. 2019 haben Talla und Wafa seine Biografie "Am Anfang war der Technoclub" geschrieben, der 61-Jährige zählt außerdem zu den Köpfen hinter dem Frankfurter Museum of Modern Electronic Music (MOMEM).

In das Museum hätte er eigentlich gern die alte Einlasstür vom Dorian Gray eingebaut, die in einer Scheune im Taunus eingemottet ist. "Aber die ist so groß, die passt da nicht rein."

DJ-Nachwuchs gesucht

Aktuell sucht Talla Nachwuchs-DJs zwischen 18 und 25 Jahren für das "Technoclub"-Team. Er sei immer offen für Menschen, "die wirklich bereit sind, etwas Kreatives zu machen."

Die Party geht also weiter – auch 2025 werden es wohl wieder 80 bis 100 Termine weltweit, sagt er. Und wo holt er bis heute die ganze Energie her? "Das ist die Liebe zur Musik."

Redaktion: Katrin Kimpel

Sendung: hr INFO,

Quelle: hessenschau.de