Hommage oder Fake? Banksy-Ausstellung - ohne Banksy
"The Art of Banksy - Without Limits" gastiert in Frankfurt. Kunstwerke von Banksy sind allerdings nicht zu sehen. Die Event-Ausstellung umfasst ausschließlich Reproduktionen der Werke des weltberühmten Street Artists. Darauf muss man aber erst einmal kommen.
"Girl with Balloon" ist eines der bekanntesten Motive des Street-Art-Künstlers Banksy: Ein Mädchen greift nach einem roten Herzballon. 2018 stand das Werk zum Verkauf. Gerade hatte das Bild bei einer Auktion umgerechnet etwa 1,18 Millionen Euro erzielt, da schaltete sich ein im Rahmen verbauter Schredder ein und zerteilte das teure Stück in feine Streifen.
Banksy hatte dem Kunstmarkt ein Schnippchen geschlagen - jedenfalls für den Moment. Drei Jahre später ging die Arbeit umbenannt in "Love is in the Bin" für umgerechnet 18,89 Millionen Euro an eine unbekannte Person.
Das Ballon-Mädchen ziert aktuell Plakatwände im Frankfurter Stadtraum. Beworben wird damit "The Art of Banksy - Without Limits", eine Event-Ausstellung ohne Banksy-Originale. Laien würde sich die Frage nach dem Original nicht stellen, sagt Oliver Forster, Chef des Unternehmens Cofo, das die Ausstellung ausrichtet.
Banksy-Fans andernorts enttäuscht
Forster spricht aus Erfahrung. Seit 2021 tourt seine eigene Eventreihe "The Mystery of Banksy - A Genious Mind" durch Europa - 15 Städte, 1,2 Millionen Besucher:innen an den ersten 12 Orten, sagt er. Zwei Ausstellungen laufen aktuell noch, ab Mai sind es drei. In keiner gab es Originale von Banksy zu sehen, dafür laut Forster "Inszenierung und Sonderbauten", etwa einen nachgebauten U-Bahnwagen und einen lebensgroßen Elefanten.
"Ich kann mich an keinerlei Fälle erinnern, in denen Besucher enttäuscht gewesen wären oder sich nach ihrem Rundgang durch die Ausstellung beschwert hätten, dass es keine Originale zu sehen gab", sagt Forster.
Die Wanderausstellung "The Art of Banksy - Without Limits", die jetzt nach Frankfurt kommt, hat 2021 im koreanischen Seoul allerdings für enttäuschte Fans gesorgt. Damals wurden anders als in Frankfurt neben Repliken auch Originale gezeigt.
Weil nur 27 der 150 ausgestellten Werke echte Banksys waren, gab es Beschwerden. In der Folge wurden Ticketpreise zurückerstattet, wie unter anderem das Branchenblatt Artnet berichtete. Forster war das nach eigenen Angaben nicht bekannt.
"Das war ganz, ganz schlimm"
Er wisse von Ausstellungen, die neben Repliken auch einige Originale zeigen, so Forster. "Das ist natürlich verwirrend. Es sieht aus, als würde man die wenigen Originale nutzen wollen, um nach außen einen falschen Eindruck zu erwecken. Das wollen wir keinesfalls."
Der Frankfurter Stefan Weil ärgert sich bereits vor der Eröffnung von "The Art of Banksy - Without Limits" über das Konzept der Veranstaltung. "Man schämt sich fast, dass so was in Frankfurt stattfindet", sagt er.
Weil ist Chef einer Kommunikationsagentur und nach eigenen Angaben seit 40 Jahren mit der Street-Art-Kultur verbunden, auch als Sammler. Vor ein paar Jahren habe er in Berlin eine Ausstellung mit Banksy-Repliken besucht, erzählt er.
"Ich habe es erst gar nicht realisiert", so Weil. Mit Street-Art-Kultur habe die Veranstaltung nichts zu tun gehabt. "Diese kopierten Bilder, das war ganz, ganz schlimm." Er habe sich geärgert, "weil es auch noch übertrieben kostspielig war". Der Eintritt kostete knapp 20 Euro.
Veranstaltung für "die breite Masse"
Der Besuch von "The Art of Banksy - Without Limits" kostet in Frankfurt für Erwachsene zwischen 18 Euro und 24 Euro. Zum Vergleich: Der reguläre Eintritt für Sammlung und Sonderausstellung im Städel kostet zurzeit 16 Euro, der Eintritt für alle Ausstellungsräume des Museums für Moderne Kunst ebenfalls. In der Schirn zahlen Besucher:innen ohne Ermäßigung aktuell unter der Woche 22 Euro und am Wochenende 24 Euro für zwei Ausstellungen. Anders als "The Art of Banksy" zeigen die Museen Originalkunstwerke.
"Wir sind keine Museumsleute", räumt Veranstalter Forster ein. "Wir wollen hier auch keinen Elite-Kreis ansprechen, sondern die breite Masse." Er findet, Banksys Werke nachzuproduzieren, sei eine eigene Kunstform geworden. Was Banksy selbst von dieser vermeintlichen Kunstform hält, hat der Künstler schon vor Jahren angedeutet.
Banksy bezeichnet Events als "Fake"
Auf Banksys Website ist von einer "Flut von Banksy-Ausstellungen" die Rede, von denen keine in seinem Einvernehmen entstanden sei. "Sie wurden völlig ohne das Wissen und ohne die Beteiligung des Künstlers organisiert", heißt es. "Bitte gehen Sie entsprechend damit um."
Unter dem Label "Fake", also "Fälschung", sind verschiedene Ausstellungsposter aufgeführt. Darunter auch solche von "The Art of Banksy - Without Limits", der Ausstellungsreihe, die nun nach Frankfurt kommt.
"Natürlich weiß ich das", sagt Veranstalter Forster. Bevor er "The Mystery of Banksy" gestartete habe, sei er im Austausch mit Veranstaltern vergleichbarer Ausstellungen gewesen. Er habe sich erkundigt: "Wie seid ihr damit umgegangen? Habt ihr mit jemandem gesprochen? Gab es Lizenzen? Gab es eine Abmahnung?" Als Produzent oder Veranstalter benötige man schließlich Planungssicherheit, wenn man ein solches Vorhaben angehe und Geld investiere.
Fragen statt Antworten von Banksys Team
Da Banksy Anonymität wahre, sei es "leider nicht möglich, eine Erlaubnis zu holen für all das, was wir tun", sagt Forster. "Wir würden liebend gerne Lizenzgebühren an ihn abführen, aber dadurch, dass bis heute kein direkter Kontakt mit ihm selbst stattfinden konnte, können wir ihm leider keine Lizenzgebühren zugutekommen lassen."
Forster gibt jedoch an, "über einen längeren Zeitraum ausführlichen Kontakt" mit Pest Control gehabt zu haben. Pest Control vertritt Banksy in Fragen von Authentifizierung, Zertifizierung und Lizensierung, wobei Banksy kommerzielle Lizensierung seines Werks laut seiner Website grundsätzlich ausschließt.
Forster sagt, er habe versucht, über Pest Control Lizenzen, Genehmigungen oder auch ein Statement von Banksy zu erhalten. "Aber auf solche Dinge bekommt man keine Antwort." Es habe allerdings "eine Art Korrektur-Service" gegeben. Pest Control habe geprüft, ob alle Motive in seiner Ausstellung Banksy zuzuordnen, Jahreszahlen und örtliche Zuordnung korrekt angegeben sind. "Es werden Fragen gestellt, die wir beantworten, und Vorgaben gemacht, die wir einhalten müssen."
Ausstellung nicht genehmigt
Die Vorgaben, an die sich die Macher:innen unautorisierter Banksy-Ausstellungen halten müssen, würden wie folgt lauten: An gut sichtbarer Stelle müsse darauf hingewiesen werden, dass die Ausstellung nicht autorisiert ist - daher stehe auf dem Plakat "#unauthorized", so Forster. Außerdem müsse deutlich gemacht werden, dass die Ausstellung nicht unter Beteiligung Banksys stattfinde, nicht von ihm genehmigt sei und dass es sich um eine Repliken-Ausstellung handele.
Das Wort "Replik" findet sich auf der Website zu "The Art of Banksy - Without Limits" in Frankfurt nicht. Stattdessen wird auf "mehr als 160 Werke des Künstlers, darunter Drucke, Fotos, Lithografien, Skulpturen, Wandbilder und Video-Mapping-Installationen, die nur für diese Ausstellung geschaffen wurden" verwiesen. Weiter heißt es, "einige seiner Werke" seien "eigens für die Ausstellung sorgfältig mit seiner Schablonentechnik reproduziert" worden.
"Copyright is for losers"
Forster kann mit dieser Lösung offenbar leben. Seit ihm Kollegen von ähnlichen Erfahrungen mit Pest Control berichtet hätten, sei für ihn klar gewesen: "Okay, auch wenn wir nicht die offizielle Erlaubnis haben, können wir das trotzdem ruhigen Gewissens machen, weil es sozusagen einfach geduldet wird."
Auch gegenüber hessenschau.de äußerte sich Pest Control nur kryptisch. Auf eine Anfrage hin leitet Banksys Pressesprecherin lediglich folgendes Statement weiter: "Ich beobachte, dass viele verschiedene Ausstellungen von Banksy-Arbeiten in vielen verschiedenen Ländern eröffnen. Was ist da los?"
Ob und wieso Banksy oder Pest Control aktuell keine rechtlichen Schritte gegen die unautorisierten Banksy-Ausstellung einleiten, obwohl sie selbige als "Fake" titulieren, bleibt unklar. Vor fast 20 Jahren proklamierte Banksy "Copyright is for losers". Der Künstler steht weiterhin hinter diesem Satz. Auf seiner Website erklärt er: "Ich möchte noch immer alle ermutigen, meine Kunst zu ihrem persönlichen Vergnügen zu benutzen, aber nicht, um damit Profit zu machen."
Gerichtsstreit um Merchandise
In den vergangenen Jahren ist Banksy vermehrt gegen vermeintliche Rechtsverletzungen vorgegangen. 2019 errang Pest Control vor einem italienischen Gericht einen Teilerfolg im Rechtsstreit mit dem Mailänder Museo Delle Culture. Die Verwendung des Namens "Banksy" im Ausstellungstitel und auf Werbematerial konnte dem Museum nicht untersagt werden, jedoch der Verkauf von Merchandise-Produkten, die der Künstler weder produziert noch autorisiert hatte.
Forster gibt an, nichts von dem Verfahren zu wissen. In der Frankfurter Ausstellung werde es Merchandiseprodukte zu kaufen geben, etwa Tassen, Sticker und einen Ausstellungskatalog. "Also all die Dinge, die es in jeder Ausstellung üblicherweise zu kaufen gibt."
"Es gibt ja verschiedene Gerichtsurteile, die ihm selbst die Rechte aberkannt haben", sagt Forster. Das Amt für geistiges Eigentum der Europäischen Union (EUIPO) hatte in der Vergangenheit Anträgen auf Erklärung der Nichtigkeit von Banksy-Marken stattgegeben. Zur Begründung wurden etwa Banksys Anonymität sowie die fehlende Absicht kommerzieller Nutzung der Marken angeführt.
Die Entscheidungen waren als richtungsweisend in Bezug auf Banksy Warenzeichen in der EU und in den USA eingeordnet worden. 2022 hat das EUIPO eine der Entscheidungen allerdings wieder aufgehoben.
Große Nachfrage nach Repliken-Ausstellungen
Phillip Kienzle (Name von der Redaktion geändert) sagt, es sei üblich, dass man bei illegalem Graffiti oder Street Art nicht bei jedem neuen Werk die Urheberschaft für sich beansprucht. Er gehört einer der bekanntesten deutschen Sprayer-Gruppen an. "Der Name unserer Crew wird andauernd überall hingemalt - von allen möglichen Leuten", sagt Kienzle.
Ihn freue das in der Regel, wobei er betont, dass das keinesfalls alle seiner Kolleg:innen so sehen. "Aber wenn irgendwelche Firmen anfangen würden, damit Geld zu verdienen, würde mich das ärgern."
Wie groß das Geschäft mit den unautorisierten Banksy-Ausstellungen ist, lässt sich nur erahnen. Forster spricht von 1,2 Millionen Besucher:innen für "The Mystery of Banksy" zu Mitte März 2023. Zu "The Art of Banksy - Without Limits" könne er keine Angaben machen. Anders als "The Mystery of Banksy" hat seine Firma die Ausstellung nicht selbst produziert, sondern lediglich nach Frankfurt geholt.
"Eher friert die Hölle zu"
Die Ausstellung gehört Forster zufolge der rumänischen Veranstaltungsfirma Events. hessenschau.de hat auf die Anfrage an das Unternehmen keine Rückmeldung erhalten. Auf den Internetseiten für "The Art of Banksy - Without Limits" in Frankfurt ist das Events-Logo platziert, ein Impressum gibt es nicht. Den dortigen Angaben zufolge hatte die Reihe 1,4 Millionen Besucher:innen in 18 Städten auf fünf Kontinenten.
Seit 2016 finden weltweit mehrere Event-Ausstellungen unter dem Titel "The Art of Banksy" statt, die von verschiedenen Firmen veranstaltet werden. Das bestätigt Steve Lazarides gegenüber hessenschau.de. Laut Medienberichten hat er die erste "The Art of Banksy"-Ausstellung, initiiert von Unternehmer Kemal Gürkaynak, kuratiert. Lazarides selbst wählt heute andere Worte.
"Ich habe 2016 die Original-Show in Istanbul auf die Beine gestellt. Seit 2018 bin ich nicht mehr involviert", teilt Lazarides mit. Zu den Gründen gibt er keine Auskunft. Auf die Frage, ob er heute in "The Art of Banksy" oder "The Art of Banksy - Without Limits" involviert sei, antwortet er: "Eher friert die Hölle zu, als dass dieses Szenario eintritt."
Kommerzielle Interessen
Lazarides hat ein gutes Jahrzehnt mit Banksy gearbeitet, Ende der Nullerjahre trennten sich ihre Wege. Über den Bruch der beiden sagte Lazarides 2010 in einem Interview mit der US-Zeitschrift Vanity Fair: "Ich wollte mich vergrößern. Man muss erwachsen werden - sonst sieht man aus wie ein Idiot."
Auch Kemal Gürkaynak wollte Banksy größer denken. Anlässlich von "The Art of Banksy" in Istanbul sagte der Unternehmer der US-amerikanischen Zeitung Wall Street Journal: "Ich will ihn kommerzieller und noch kommerzieller und noch kommerzieller machen." Inwieweit ihm der weltweite Erfolg der "The Art of Banksy"-Ausstellungen zuzurechnen ist, ist unklar.
Cofo-Chef Forster gibt an, der Name Kemal Gürkaynak sei ihm bislang nicht bekannt gewesen. Er räumt ein, nicht alle Ausstellungen unter dem Titel "The Art of Banksy" einem Veranstalter zuordnen zu können: "Das scheint ein unlösbares Rätsel zu sein, aber es ist für mich im Endeffekt auch nicht erheblich."
Deutschlandpremiere oder nicht?
Die Frankfurter Ausstellung "The Art of Banksy - Without Limits" wird als Deutschlandpremiere beworben. Sie sei "so mit diesem Titel, in der Zusammensetzung und mit dem Konzept zum ersten Mal in Deutschland zu sehen", sagt Forster.
Die erste "The Art of Banksy"-Ausstellung hierzulande ist es nicht. Bereits 2017 und 2018 fanden in Berlin Veranstaltungen unter diesem Titel statt - nicht mit dem Zusatz "Without Limits", sondern "curated by Steve Lazarides".
Forster weiß davon. "Anscheinend war das irgendwie eine andere Ausstellung", sagt er. Mit ihm habe das nichts zu tun gehabt - auch nicht mit Events-Chefin Sorina Burlacu. Allerdings hat ihr Unternehmen zwei Ausstellungen von "The Art of Banksy - Without Limits" in Rumänien 2019 als Fortsetzung der Ausstellungsreihe aus Istanbul angekündigt und im Zuge dessen vorige Stopps unter anderem in Berlin erwähnt.
Auch auf der Seite artofbanksy.com/frankfurt, worüber die Frankfurter Ausstellung "The Art of Banksy - Without Limits" beworben wird, war bis vor wenigen Tagen Berlin als früherer Veranstaltungsort gelistet. Inzwischen ist der Eintrag verschwunden. Die Unterseite theartofbanksy.com/berlin existiert weiterhin, obwohl Berlin im Menü nicht als Ausstellungsort gelistet ist.
Graffiti vs. Kommerz
Wer im Einzelnen für die verschiedenen "The Art of Banksy"-Ausstellungen verantwortlich ist, lässt sich nicht nachvollziehen - entsprechend auch nicht, wer daran verdient. Banksy scheint die Repliken-Ausstellungen gegenwärtig hinzunehmen. Was er auf seiner Website als "Fake" labelt, nennen die Veranstalter auf der ihren eine "Hommage".
Was der Künstler davon hält, ist allenfalls zu erahnen. "Kommerzieller Erfolg ist ein Zeichen des Versagens für einen Graffiti-Künstler", sagte Banksy 2013 der US-Kulturzeitung The Village Voice. "Wir sollten nicht auf diese Weise zelebriert werden."
Anm. d. Red.: Nach Veröffentlichung des Artikels reagierte Sorina Burlacu auf die Anfrage von hessenschau.de. Sie gibt an, die Veranstaltungsreihe "The Art of Banksy" 2019 von Gründer Kemal Gürkaynak übernommen zu haben. Sie habe die Reihe als "The Art of Banksy – Without Limits" weiterentwickelt.
Auf die Frage, inwieweit Gürkaynak heute noch in "The Art of Banksy – Without Limits" involviert sei, antwortete Burlacu nicht. In Medienberichten taucht Gürkaynak im Kontext von "The Art of Banksy – Without Limits" 2022 in Miami als "Gründer" oder "Kurator" auf.
Frühere "The Art of Banksy"-Ausstellungen, etwa 2018 in Berlin, seien nicht auf den Veranstaltungsseiten gelistet, da es sich um "eine andere Ausstellung" handele, die nicht von ihr produziert worden sei, so Burlacu. "The Art of Banksy"-Ausstellungen in Istanbul, Amsterdam, Melbourne und Antwerpen, die vor 2019 produziert wurden, werden auf den betreffenden Seiten aufgeführt.
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 21.04.2023, 19.30 Uhr
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