Umstrittene Postmoderne Warum Frankfurts 80er-Jahre-Bauten jetzt Denkmalschutz verdienen
Schön bunt und verspielt? Oder eher albern und rückwärtsgewandt? Die Meinungen über die Architektur der Postmoderne gehen weit auseinander. Jetzt ist ein Bildband erschienen, der zeigt: Gerade in Frankfurt ist die Architektur der 1980er denkmalreif.
Drei junge Architektinnen von der Universität der Künste in Berlin haben sich wissenschaftlich mit der Architektur der Achtzigerjahre beschäftigt. Herausragende Beispiele dafür fanden sie vor allem in Frankfurt. Ihr Urteil: Spannend.
"Man kann sie lieben und man kann sie hassen, aber man kann ihr nicht gleichgültig gegenüberstehen", findet Annekathrin Warter. "Das ist eine Epoche des Sowohl-als-auch", sagt Carina Kitzenmaier. "Es geht hier um Lust an der Architektur", meint Helene Peters.
Besonders begeistert die bunte Häuserzeile der Saalgasse hinter der Kunsthalle Schirn die drei Berlinerinnen, die alle erst nach den Achtzigern geboren wurden und ganz unbefangen auf diese Zeit blicken.
Typisch für die Postmoderne sei das Interesse an Geschichte, das Collagieren von Zitaten und geometrischen Formen und das Weiterbauen im historischen Kontext, analysieren sie in einem Bildband zu dieser Epoche, den das Deutsche Nationalkomitee für Denkmalschutz jetzt herausgegeben hat.
"Skurrile Energie"
"In all diesen Gebäuden steckt so viel Eigensinn und so viel kreative, bisweilen skurrile Energie, dass man dafür eigentlich nur dankbar sein kann", sagt auch Oliver Elser, Kurator am Deutschen Architekturmuseum. Sein Liebling aus dieser Zeit ist die 1988 eröffnete Landeszentralbank, heute die Hauptverwaltung Hessen der Deutschen Bundesbank.
Ein Gebäude voller Säulen, Treppen, Statuen und Brunnen – eine Stadt im Haus. Der Frankfurter Architekt Jochem Jourdan war wesentlich an der Planung des versteckt gelegenen Bürokomplexes an der Frankfurter Taunusanlage beteiligt.
Dass sein Werk jetzt unter Denkmalschutz steht, freut den heute 85-jährigen Jourdan: "Man sieht die Sorgfalt der Detaillierung, die Materialität, die Wärme, die das Gebäude ausstrahlt, und man hört auch, dass sich die Leute dort wohlfühlen."
Die Achtziger - eine abgeschlossene Epoche
Für die Denkmalschützer sind die Achtzigerjahre jetzt "dran" bei der Erfassung und Bewertung zu schützender Gebäude, sagt Markus Harzenetter, Präsident des Hessischen Landesamts für Denkmalpflege. Der Denkmalschutz beschäftige sich in der Regel mit abgeschlossenen Epochen, und das setze einen Mindestabstand von 25 bis 30 Jahren voraus.
Typisch für die Achtziger sei aber nicht nur die bunt-verspielte Postmoderne mit ihren Schnörkel-Fassaden, sondern auch geometrische Strenge, betont Harzenetter. Das könne man am Frankfurter Museumsufer sehen, wo zum Beispiel das Museum Angewandte Kunst oder das Deutsche Architekturmuseum "eine gewisse strenge Intellektualität" ausstrahlten.
Beispielhafte Museen
Überhaupt, das Museumsufer. Für Oliver Elser vom Deutschen Architekturmuseum macht es Frankfurt neben Berlin zu der Hauptstadt der Postmoderne. Am Mainufer und drumherum entstanden in den 1980er Jahren eine ganze Reihe von Museen von renommierten Architekten wie Richard Meier, Oswald M. Ungers, Hans Hollein oder Boehnisch & Partner.
Allerdings seien einige dieser Museumsbauten für Ausstellungen nicht wirklich geeignet und schwer zu bespielen, weiß Oliver Elser aus eigener Erfahrung. Der erste Direktor des Museums für Moderne Kunst, Jean-Christophe Ammann, soll sich bei der Eröffnung darüber ausgelassen haben, dass man im "Tortenstück" eigentlich keine Kunst zeigen könne. Zu kompliziert seien die dreieckigen Räume und die "Treppen-Orgien", wie Oliver Elser es nennt.
Herausforderung für die Kuratoren
Auch beim Deutschen Architekturmuseum ist das so, meint Elser. Hier hat der Architekt Oswald M. Ungers ein Haus im Haus in eine historische Villa am Mainufer hineingebaut – eine faszinierende begehbare Skulptur, in der aber kaum Platz für Exponate bleibt.
Derzeit wird das Gebäude aufwändig restauriert, an den beengten Verhältnissen dürfte sich dadurch aber kaum etwas ändern. Für die Museumsleute ist diese Architektur eine ständige Herausforderung, die sie aber immer wieder gerne annehmen, versichert Kurator Oliver Elser: "Wir haben alle gelernt, unsere postmodernen Museen zu lieben. Man muss sich davon inspirieren lassen zu speziellen Ausstellungen."
Sendung: hr-iNFO, 08.07.2023, 10:30 Uhr
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