Umzug der Nachrichtenmeisterei Neues Herz für Kasseler Kreativszene
20 Jahre lang war die Nachrichtenmeisterei am Kasseler Hauptbahnhof eine Heimat für Künstler und Kreative der Stadt - bis die Deutsche Bahn ihr vergangenes Jahr die Räume kündigte. Nun beginnt der mühsame Neustart.
Die Wärmepumpen sollen direkt neben dem Eingang stehen. Und sie sollen vergoldet werden. "Kritische Infrastruktur wie diese erledigt heute so eine wichtige Arbeit", sagt Sebastian Fleiter. Die Menschen sollten die Pumpen mit anderen Augen sehen, um ihre große Bedeutung zu erkennen, findet der Medienkünstler und Geschäftsmann.
Goldene Wärmepumpen - das ist nur eine der Visionen des Gründers des Kasseler Kreativwirtschaftszentrums Nachrichtenmeisterei für den neuen Standort im Schillerviertel. Blattgold-Experten arbeiteten ohnehin in der Nachrichtenmeisterei und der Preis für das Gold hielte sich im Rahmen, weil der Werkstoff sehr dünn und damit günstig sei, sagt Fleiter.
Die Umsetzung dieses Plans wird aber vermutlich noch Monate in Anspruch nehmen, derzeit steht ein großer Teil der neuen Fläche noch voll mit Inventar aus dem alten Lager.
Es ist noch viel zu tun für das kleine festangestellte Projektteam, das neben Fleiter aus der Koordinatorin Anne Walther, einem Hausmeister und mehreren Aushilfen besteht. Neu gestrichen und eingerichtet sind viele Büros im ehemaligen Autoteilehandel zwar bereits, die Heizung fehlt aber beispielsweise noch.
75 Mieter in 20 Jahren
Vor fünf Monaten musste die Nachrichtenmeisterei aus ihrem alten Gebäude am Hauptbahnhof endgültig ausziehen und Platz machen für eine neue Betriebszentrale der Bahn. Ein schmerzhafter Einschnitt.
"Vielleicht hätten wir den Schritt zum neuen Gebäude schon früher machen müssen", gibt Gründer Fleiter heute zu. Doch steckte viel Herzblut an den alten Räumlichkeiten, die sich unter seinem Engagement von einer industriellen Schmuddelecke in einen der exklusivsten Kulturorte der Stadt gewandelt hatten.
In den 20 Jahren des Bestehens waren rund 75 wechselnde Unternehmen und Start-ups Teil des Unternehmens. Es hatte sich viel angesammelt. 16 Tonnen Möbel und Material mussten umgezogen werden, aber eben auch vieles ausgemistet.
In der Vergangenheit sei die Nachrichtenmeisterei relativ zufällig gewachsen, die kreativen Ideen der Kunstschaffenden hätten die Ausrichtung der Institution fortlaufend verändert. "Das geschah immer eher aus dem laufenden Geschäft heraus", sagt Fleiter.
Vom Serverraum bis zum Veranstaltungssaal
Der Umzug soll nun nicht nur eine organisatorische, sondern auch eine inhaltliche Neuausrichtung ermöglichen. Einen "Ort der Möglichkeiten" nennt Projektkoordinatorin Anne Walther das neue Gebäude im Schillerviertel. Zunächst sei es den beiden Verantwortlichen aber wichtig, Struktur in das gemeinsame Unternehmen zu bringen.
Am neuen Standort entsteht alles, was es für moderne Medienproduktionen in einer Kreativwerkstatt braucht: Im Keller Tonstudios und Proberäume für Bandsessions, Regieräume für Filmemachende, Serverräume, damit die Technik mitspielt.
Das Erdgeschoss wird zu einer 500 Quadratmeter großen Veranstaltungsfläche, auf der Kunstausstellungen und Tagungen stattfinden sollen. Im ersten Stock befindet sich derzeit eine Holzwerkstatt.
"Inspirierende Baustelle"
Mit den neuen Räumen finden auch neue Köpfe ihren Weg in die Nachrichtenmeisterei. Etwa die prämierte Dokumentarfilmerin Antonia Kilian aus Berlin ("Exile never ends").
Sie suchte einen Ort für ihre neue Produktionsfirma und schätzt den Ort, trotz der Umstände: "Baustellen finde ich immer inspirierend. Orte, die noch am entstehen sind, sind kreative Orte, weil man sich einbringen und sie mitgestalten kann."
Investor gesucht
Eine Baustelle wird die Nachrichtenmeisterei wohl noch einige Zeit bleiben. Eventuell wird das Gebäude in den kommenden Jahren noch aufgestockt, dann käme noch einmal die Gesamtfläche von etwa 1.200 Quadratmetern hinzu, so Fleiters Vision.
Doch dafür bräuchte er einen weiteren Investor, denn bereits für die Sanierung des neuen Gebäudes musste er nach eigenen Worten einen großen Kredit aufnehmen. Die genaue Summe möchte er nicht nennen. Das Unternehmen finanziert sich durch die Einnahmen von derzeit 13 Mietern, außerdem wird das Kreativzentrum vom städtischen Kulturamt gefördert.
Große Zukunftsvisionen also, doch im Moment steht die Gegenwart im Vordergrund, mit Wärmepumpen, Photovoltaikanlagen und Regenwasserrückgewinnung. Mit den Investitionen will die Nachrichtenmeisterei Vorreiter im Kasseler Schillerviertel werden. Die vergoldeten Wärmepumpen sollen nur der Anfang sein.