"Behalten, begraben, verschenken oder zurückgeben" Uni Kassel sucht den richtigen Umgang mit kolonialen Trophäen
Forschende der Uni Kassel untersuchen im Naturkundemuseum koloniale Jagdtrophäen. Gemeinsam mit Partnern aus der Region und Afrika wollen sie klären, wie diese Trophäen entstanden sind. Ein Leitfaden soll Museen helfen, mit solchen Objekten umzugehen.
Antilopen, Gnus, Kudus: Unzählige Schädel und Hörner dieser Tiere hängen an meterhohen Metallaufstellern im Depot des Naturkundemuseums in Kassel. Manche Schädel sind beschriftet, bei anderen geben kleine Metallschilder Hinweise zu ihrer Herkunft.
Bald wird Maximilian Preuss viel Zeit im Depot verbringen. Der Historiker ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt "Zwischen Ratlosigkeit, Triumph und Scham" der Universität Kassel. Das Projektteam will in den kommenden zwei Jahren die Nachlässe verschiedener Jäger aus dem Kolonialismus untersuchen und möglichen Unrechtskontexte aufzeigen.
Forscher ermitteln Kontext der Jagdtrophäen
Preuss und seine Kollegen werden sich die aufbewahrten Schädel und Hörner genau anschauen: Wie sind sie beschriftet? Und lassen sie sich Regionen und Jahreszahlen zuordnen? So wollen sie den Kontext zu den Museumsobjekten ermitteln. Was fest steht: Sie sind Jagdtrophäen aus einer Zeit, in der europäische Länder wie Deutschland Kolonien in Afrika hatten.
Das Forschungsteam der Uni Kassel arbeitet dabei mit Partnern aus der Region zusammen, aber auch der Austausch mit Menschen aus Äthiopien und anderen Teilen Afrikas ist wichtig. Denn dort liegt die Herkunft vieler dieser Trophäen. Gefördert wird das Projekt vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste.
Informationen gingen im Krieg verloren
Das Naturkundemuseum im Ottoneum nahe dem Friedrichsplatz ist einer der vier regionalen Kooperationspartner des Forschungsprojekts der Uni. Außerdem arbeiten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit dem Archiv der deutschen Jugendbewegung auf Burg Ludwigstein in Witzenhausen (Werra-Meißner), dem Landesmuseum Hannover sowie dem Museumsverband Hessen zusammen.
Das Naturkundemuseum in Kassel beherbergt Trophäen aus der Sammlung Rabe von Pappenheim. Sie alle sind bei kolonialen Jagden geschossen und für die Ewigkeit präpariert worden.
Die meisten Informationen zu den Trophäen sind nach Angaben des Museums im Zweiten Weltkrieg verloren gegangen. Damals war das Museum im Jahr 1943 fast komplett abgebrannt. Woher die ganzen Trophäen kommen, lasse sich daher nicht einfach beantworten, erklärte Kai Füldner, Direktor der städtischen Museen in Kassel.
Museum will Objekte für Nachwelt erhalten
Der Museumschef erhofft sich vom Projekt der Uni einen Erkenntnisgewinn. Seinem Team fehle es oftmals an Zeit, sich mit den Objekten im Depot zu beschäftigen. Er erhofft sich von der Forschung Antworten auf Fragen nach der Jagdmethode und dem Grund für die Jagd.
Von Restitution – also der Wiederherstellung des alten Zustandes durch Rückgabe von Beutekunst – will Füldner bei dem Projekt nicht sprechen. Es gibt bei den Trophäen im Depot "keine Rückforderung afrikanischer Staaten", wie er sagte. Die Aufgabe seines Museums sieht Füldner darin, alle Objekte für kommende Generationen zu erhalten, vielleicht als "letzte Zeugen einer dann ausgestorbenen Art".
"Behalten, begraben, verschenken oder zurückgeben"
Eine der zentralen Fragen des Kasseler Forschungsprojekts ist auch, wie wir heute mit Objekten umgehen können, die uns nicht gehören. Eine klare Antwort gebe es da nicht, sagte Projektleiterin Marion Hulverscheidt. "Man behält sie, man begräbt sie, man verschenkt sie oder gibt sie zurück."
Mit der Forschung will Hulverscheidt mit ihrem Team "eine Grundlage für eine Auseinandersetzung schaffen". Ein Teil des Projekts ist ein Leitfaden für Museen – auch weil diese die Trophäen teils aus Scham heute nicht mehr ausstellen. Letztendlich stünden die Objekte für einen "Kontakt", der damals wie heute zwischen den Ländern und Menschen bestehe.
Dies gelinge leichter als über menschliche Schädel, Knochen und Grabräubereien, die die Kolonialmächte in der Zeit auch nach Europa brachten. Hulverscheidt betreute als Wissenschaftshistorikerin auch die Rückführung eines menschlichen Schädels aus dem Witzenhäuser Museum nach Namibia.
Projekt kann "zu überhitzten Gemütern führen"
Forschungsmitarbeiter Preuss sieht in dem Projekt die Chance, dass Museen die koloniale Jagdtrophäen für Besucher und Besucherinnen künftig besser einordnen könnten. Bei Museen beobachtet er eine "Unbeholfenheit", wie man mit Trophäen umgehe, die einen Machtkontext aufzeigten.
Mit Hilfe eines zu entwickelnden Leitfadens könnten sie ihre Ausstellungen künftig entsprechend konzipieren und damit Besucherinnen und Besucher sensibilisieren.
Der Blick in die Vergangenheit könne zwar bei manchen "zu überhitzten Gemütern führen", sagte Preuss. Der Historiker erwartet allerdings einen geringeren Aufschrei als bei einer Auseinandersetzung mit der heutigen Jagd in Deutschland.