Neue Ausstellung im Senckenberg Warum das Hirn einer Eintracht-Legende ins Museum kommt
Die neue Dauerausstellung im Senckenberg Museum widmet sich den Gehirnen von Mensch und Tier. Doch wie vermittelt man Wissen rund um so ein komplexes Gebilde anschaulich? Mit Modellen, Kunst - und Charly Körbel.
Karl-Heinz "Charly" Körbel hat in seinem Leben zwar so einige Wettkämpfe gewonnen, aber dass er es einmal mit Albert Einstein aufnehmen würde, hätte er nicht gedacht. Dass er sich gegen ihn durchsetzt, erst recht nicht, wie er am Dienstag im Senckenberg Museum in Frankfurt erzählt.

Und doch hat die Eintracht-Legende (viermal DFB-Pokalsieg, einmal UEFA Cup) gegen den Wissenschaftler gewonnen - und zwar bei einer öffentlichen Abstimmung in Vorbereitung auf die neue Dauerausstellung "Gehirne".
Die Frage lautete: Wessen Hirn möchten Sie im Museum sehen? Dank der Frankfurter Fans war die Antwort schnell gefunden. Weder Einstein noch die zweite Konkurrentin, Affenforscherin Jane Goodall, hatten eine Chance.

Ganze neun Jahre sind seitdem vergangen. Nun steht die Körbels Büste gleich am Eingang der Ausstellung, die am Mittwoch eröffnet. Von der einen Seite erblickt man das bekannte Gesicht, ergänzt um Muskeln, Adern und Nerven. Die andere Seite gewährt einen Einblick ins Verborgene.
Sie zeigt Körbels Gehirn, realitätsnah anhand von MRT-Scans nachgebildet. Komisch sei das, sagt der 70-Jährige, das eigene Gehirn so groß vor sich zu sehen. Auch weil man damit viel von sich preisgebe.
Was passiert im Hirn, wenn die Fans jubeln?
Doch das Abstimmungsergebnis hat nicht nur über die Büste entschieden, sondern das komplette Konzept beeinflusst.
Eine Museumsausstellung zum Thema Gehirne - und der Fußball: Die Puzzleteile hätten sich erstaunlich gut zusammengefügt, sagt Kuratorin Adela Kutschke. "Der Fußball bietet einen niedrigschwelligen Zugang zu einem sehr komplexen Thema." Was das bedeutet, wird an einem anderen Exponat sichtbar.
Ein kleines Modell eines Fußballstadions, mit einem Bildschirm anstelle des Rasens. Wer hier an einem Rad dreht, kann zwischen verschiedenen echten Spielszenen wählen, die Körbel zeigen - ein Torschuss, jubelnde Fans, Auszug mit dem Pokal. Was passiert im Gehirn eines Spielers, während er das durchlebt?

Eine Projektion, die über dem Stadion zu sehen ist, liefert die Antwort darauf. Es blinkt und leuchtet mal hier, mal dort - je nachdem, welche Hirnregion aktiv ist. Diese Visualisierung beruht auf großen Datenmengen, die Forscher weltweit gesammelt haben, wie Kurator Maximilian Bugert erklärt. Sie soll zeigen, wie Wahrnehmung, Emotionen und Reaktionen verknüpft sind.
Komplexes Organ aus 86 Milliarden Zellen
Die Büste, das Stadion, eine große Wand mit Körbels Antlitz - an ihm und dem Fußball führt in dieser Ausstellung kein Weg vorbei. Doch das Museum präsentiert auf der 200 Quadratmeter großen Fläche viele weitere Fakten und Erkenntnisse rund um das Hirn.
Entstanden ist die Ausstellung in Zusammenarbeit mit der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung, die eigenen Angaben zufolge einer der größten privaten Förderer der Hirnforschung in Deutschland ist. Sie hat die Ausstellung mit rund einer Million Euro unterstützt und mit konzipiert.
Denken, fühlen, sich bewegen, in Erinnerungen schwelgen - für all das braucht es das Gehirn, das rund 86 Milliarden Nervenzellen besitzt. Wie diese Neuronen aussehen und miteinander agieren, erfahren die Besucherinnen und Besucher gleich am Anfang der Ausstellung.
Weitere Stationen zeigen zum Beispiel die Vielfalt der Gehirne in der Tierwelt und Erkenntnisse aus der Forschung zu Lernprozessen und der Entwicklung des Gehirn im Lauf des Lebens.
Künstler gestaltete Büste und Wände
Auch der Kreativität, einer weiteren erstaunlichen Leistung des Gehirns, wollten die Macher in der Ausstellung Raum geben. Dafür haben sie den Künstler Tim Berresheim eingebunden.
Er hat nicht nur die Skulptur von Charly Körbel entworfen, sondern auch die vier Meter hohen Wände an beiden Seiten des Ausstellungsraums gestaltet. Eine davon greift die Büste bildlich noch einmal auf, die andere zeigt Erinnerungsstücke aus dem Leben des Eintracht-Rekordspielers. Pokal, Trikots, Fußbälle, Schuhe - digitalisiert und rematerialisiert, wie Berresheim erklärt.
Stolz auf Einzug ins Museum
Der Blick von Körbels Büste ist auf diese Wand voller Erinnerungen gerichtet. Erinnern - eine weitere faszinierende Fähigkeit des Gehirns. Auch wenn Körbel zugeben muss, dass er ein paar dieser Dinge längst vergessen hatte, bis sie ihm hier im Museum wieder begegnet sind.
"Was kann ich noch mehr wollen?", fragt er sichtlich stolz darauf, es ins Museum geschafft zu haben. Zwei Dinge fallen ihm dann doch noch ein: "Vielleicht ein Sieg der Eintracht in der Euro League. Oder noch mal die Deutsche Meisterschaft gewinnen."