Auf der Bühne und im Personal Warum das Phungo-Festival an einem Tag nur auf FLINTA* setzt

Vom Aufbau über die Musik bis hin zur Technik: Beim Phungo-Festival in Pfungstadt wird am Freitag möglichst alles von Frauen, Lesben, intergeschlechtlichen, nicht-binären, trans und geschlechtslosen Personen gemacht. Wie ein Herzensprojekt zur Herausforderung wurde.

Melanie Haan, Adriana Flippone und Melina Hildenbeutel (v. l. n. r.)
Melanie Haan, Adriana Flippone und Melina Hildenbeutel (v. l. n. r.) beim Aufbau für das Donna Summer Event beim Phungo-Festival. Bild © hr/Mandana Bareh Foroush
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Die Idee für das "Donna Summer Event" hatte Adriana Filippone schon vor rund drei Jahren. Die 28 Jahre alte SPD-Stadtverordnete in Bensheim ist seit sechs Jahren Event- und Kulturmanagerin und organisiert viele Umsonst-und-draußen-Festivals in Südhessen. Bei dem von ihr organisierten Festivaltag beim Phungo-Festival (8. bis 18. August) in Pfungstadt (Darmstadt-Dieburg) ist etwas anders als an den anderen zehn Tagen.

Von 18 Uhr bis Mitternacht stehen am Freitag fast nur weiblich gelesene Personen auf der Bühne. Auch die Moderation, die Crew, das Security-Team und das Personal an der Bar besteht beinahe komplett aus FLINTA*. Der Begriff FLINTA* steht für Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nicht-binäre, trans und agender - also geschlechtslose - Personen, die aufgrund ihrer Geschlechtsidentität benachteiligt werden.

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Gendersternchen und Gender-Doppelpunkt

Mit dem Gendersternchen (*) soll die Geschlechtervielfalt jenseits eines binären Geschlechtermodells sichtbar gemacht werden. Dieser soll die Existenz von Zwischengeschlechtern verdeutlichen. Auch der Gender-Doppelpunkt soll dies ausdrücken. Auf hessenschau.de können die Autor:innen entscheiden, ob sie ihn nutzen wollen. In diesem Beitrag nutzen wir auch das Gendersternchen, weil sich der Begriff FLINTA* etabliert hat.

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Festival- und Musikbranche männlich dominiert

Filippones Ziel: Mehr Sichtbarkeit für FLINTA* und ein exklusiver Raum für weiblich gelesene Bands – und das in einer Branche, die nach wie vor überwiegend männlich dominiert ist. In den vergangenen Jahren habe sie bei ihrer Arbeit die Erfahrung gemacht, dass nicht nur das Line-up der Künstler:innen nicht ausgewogen war, wie sie sagt. "Beim Personal ist es mir extrem aufgefallen, dass ich selten FLINTA*-Kolleginnen* im Eventmanagment hatte, auch in der Bühnen- und Tontechnik habe ich fast nur Männer gesehen."

Es gebe zwar Frauen in den Berufen, diese arbeiteten aber größtenteils in Ballungszentren und nicht auf dem Land. Filippone will mit dem neuen Format beim Phungo Mut machen, sich als FLINTA* auch für diese Berufe zu bewerben. "Wir müssen diese Räume mehr für Frauen öffnen und ihnen zeigen, dass sie dort einen Platz haben."

Adriana Filippone steht im Grünen.
Adriana Filippone hatte die Idee für den FLINTA*-Festivaltag beim Phungo in Pfungstadt (Darmstadt-Dieburg). Bild © hr/Mandana Bareh Foroush

Helferinnen: Für Frauen genauso machbar

Melina Hildenbeutel verkauft bei Fillippones "Donna Summer Event" am Freitagabend Getränke. In den vergangenen Tagen war sie als Helferin beim Aufbau dabei. Eine körperlich sehr anstrengende Arbeit, von der manche nicht glaubten, dass Frauen das schaffen, wie sie sagt. "Manchmal werde ich gefragt, ob ich Hilfe brauche oder ob mir etwas abgenommen werden soll, das ist einerseits sehr nett und andererseits wird mir dadurch mein Können nicht zugetraut."

Für die 25 Jahre alte Studentin ist der FLINTA*-Festivaltag ein Zeichen gegen Diskriminierung und für Gleichberichtigung. Ihr sei die Arbeit in einem diversen Team wichtig, der Wohlfühlfaktor sei so größer. "Es ist wie jedes andere Festival nur, dass, eben alles von Frauen und FLINTA* gemacht wird und damit zeigen wir, dass wir es eben auch können."

Auch Melanie Haan ist von Fillippones Idee überzeugt. "Es ist toll, auch mal 'die Arbeit der Männer' zu übernehmen, dazu gehören auch das Schleppen schwerer Dinge und handwerkliche Aufgaben", sagt die 21-Jährige. Mit wem sie zusammenarbeitet, ist Melanie aber gar nicht so wichtig, wenn die Chemie stimmt. "Mensch ist für mich Mensch."

Fünf männlich gelesene Personen noch im Personal

Eine Besetzung nur aus FLINTA* für den einen Festivaltag zu finden, ist Fillippone nicht gelungen. Am Freitag wird die Crew aus 15 FLINTA* und fünf männlich gelesenen Mitarbeitenden bestehen. Auch die Suche nach Künstler:innen für das "Donna Summer Event" war eine Herausforderung.

Das Line-up sollte möglichst aus regionalen Künstler:innen und Nachwuchstalenten bestehen. "Ich konnte nicht einfach eine Google-Suche starten, ich musste mit viel Hilfe von Agenturen arbeiten", sagt sie. "Um fünf Künstler:innen zu finden, habe ich rund vier Monate gebraucht, das ist eine lange Zeit."

Bei ihren Anfragen und der Vorstellung des Konzepts sei sie fast immer auf offene Ohren gestoßen. "Die Debatte beschäftigt die gesamte Branche", sagt sie. Manche argumentierten, die Tickets mit einem weiblichen Line-up verkauften sich schlechter oder es gebe einfach mehr männliche Künstler. "Das ist eine bequeme Ausrede und Quatsch", sagt Fillippone.

Sie habe in den vergangenen Jahren die Erfahrung gemacht, dass es viele aufstrebende junge Künstler:innen gebe, die nur gesehen werden müssten.

Oft nur Gesang in Bands von FLINTA*

Mane Stelzer vom Journal Melodiva, das sich seit 1984 für Musikerinnen* einsetzt und vom Frauen Musik Büro Frankfurt herausgegeben wird, sieht den Grund für die weibliche Unterrepräsentation in den überwiegend männlichen Strukturen der Musikwelt. "Bei den großen Festivals ist es sehr wahrscheinlich, dass der Kommerzgedanke im Vordergrund steht und Mann meint, mit den männlich besetzten Bands die sichere Bank zu buchen."

Viele Frauen oder FLINTA* würden in Bands singen, aber kaum welche spielten die Instrumente, kritisiert Stelzer. Viele Mädchen kämen in der Pubertät nicht auf die Idee oder trauten sich nicht, eine Band zu gründen. Das sollte mit gezielten Angeboten wie Workshops, Open Stages und Safe Spaces geändert werden, "wo sich FLINTA* ohne Bewertung und Stereotype ausprobieren und die eigene Musik entwickeln können", wie Stelzer sagt. Bands mit FLINTA* an den Instrumenten könnten so zum Vorbild werden.

Wunsch: "Dem Ganzen eine Chance geben"

Adriana Filippone hält den FLINTA*-Freitag beim Phungo in Pfungstadt für einen Anfang. Es sei einfacher ein Publikum anzusprechen, das mit manchen Themen noch nie in Berührung gekommen ist, wenn der Rahmen wie beim Phungo-Festival bereits etabliert sei, betont die Festival-Organisatorin. Das Phungo findet zum achten Mal statt.

Mit dem einen Festivaltag soll das Publikum an Themen wie Geschlechtergerechtigkeit und Geschlechteridentitäten herangeführt werden. "Ich kann nicht rausgehen und Menschen Worte wie FLINTA* an die Stirn ballern, da kommt die Botschaft nicht an", sagt Filippone.

Mit der Auswahl der Live-Acts wollte Filippone bewusst junge Menschen ansprechen, wie sie sagt. Willkommen seien aber alle. "Mein Wunsch ist, dass alle dem Ganzen eine Chance geben."

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Lust aufs Phungo?

Das Phungo-Festival findet zum achten Mal auf dem ehemaligen Gelände des Pfungstädter Schwimmbades statt. Vom 8. bis 18. August gibt es Live-Musik und ein Kinderprogamm. Das Phungo finanziert sich durch Sponsoren und einen Kulturbeitrag. Den Kulturbeitrag zahlen Besuchende mit einem Becher, der einmalig für fünf Euro erworben und während der gesamten Dauer des Festivals gegen Bezahlung aufgefüllt werden kann.

An den Wochenenden erwarten die Veranstalter:innen zwischen 800 und 1.000 Besuchende. Insgesamt 60 Mitarbeitende sind am Festival beteiligt. 45 Künstler:innen treten an den elf Tagen auf. Dabei handelt es sich größtenteils um Musker:innen aus der Region – MAIVA, AYMZ, VITA und DJane MSKI aus Offenbach treten auf.

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Redaktion: Sophia Averesch

Sendung: hr4,

Quelle: hessenschau.de