Künstlerische Bilanz Warum die documenta 14 gescheitert ist
Die documenta 14 endet am Wochenende. Finanziell entging sie knapp der Pleite. Aber was bleibt sonst von der Weltkunstschau in Kassel? Eine künstlerische Bilanz.
Politisch wie nie wollte die am Sonntag endende Weltkunstschau sein, die seit dem 8. April in Athen und seit dem 10. Juni in Kassel zu sehen war. Deshalb gastierte sie auch in der krisengeschüttelten griechischen Hauptstadt. Aber die Macher sind an ihren Ansprüchen gescheitert, auch wenn durchaus bewegende Kunst zu sehen war. Was in Erinnerung bleiben wird:
Ideologisches Korsett statt roter Faden
Der reiche, neoliberale Westen ist schuld am Elend der Welt! Ausrufezeichen! Das war das einzige Leitmotiv, das sich durch die documenta 14 zog. Einen künstlerischen roten Faden brauche man nicht, sagte einer der Kuratoren bei der Eröffnung im Juni in Kassel. So hingen nackte Brüste und goldene Schlüpfer im Untergeschoss der Neuen Galerie, während oben drüber nach NS-Raubkunst gesucht wurde. Und: Es gab viel plakative Betroffenheitskunst, garniert mit genau der Zeigefinger-Überheblichkeit, die die Kuratoren eigentlich kritisieren wollten. Erinnert sei nur an die Diskussion um die unsägliche Performance "Auschwitz on the beach".
Ein unzugänglicher künstlerischer Leiter
Die jeweiligen künstlerischen Leiter der documenta geben sich gerne eine Aura des Mystischen. Wer aber Adam Szymczyk auf den verschiedenen Pressekonferenzen vor der Eröffnung erlebt hat, konnte den Eindruck bekommen, er sei weder an Publikumskontakt interessiert noch daran, dass die Besucher seine Ausstellung auch verstehen. Seine künstlerische Vision? "Wir müssen uns dem Neoliberalismus entgegenstellen", rief er auf der Eröffnungs-PK in Kassel, um sich danach ausführlich bei den vielen documenta-Sponsoren aus Wirtschaft und Politik zu bedanken. Da wundert es nicht, dass viele der ausgestellten Kunstwerke eher unverbindlich waren.
Von Athen lernen - ja was eigentlich?
Unverbindlich. Das gilt auch für das Motto der d14, "Von Athen lernen", denn es war nicht mit Inhalt gefüllt. Wer in Kassel unterwegs war, fragte sich oft: Ja, wo sind sie denn nun, die Verbindungen nach Athen? Klar, es gab die Ausstellung der Sammlung des Athener Nationalen Museums für zeitgenössische Kunst (EMST) im Fridericianum. Aber die wirkte mitunter ziemlich altbacken. Wo war die aktuelle, die junge griechische Kunstszene? Und was hätten die Kasselaner im Speziellen und die Deutschen im Allgemeinen von ihnen lernen können, sollen, müssen? Besucher hätten sicher gern mehr darüber erfahren.
Der Club der toten Künstler
Überhaupt: Von einem Überblick über die zeitgenössische Kunst konnte bei dieser documenta nicht die Rede sein. Von den rund 200 gelisteten Künstlern waren schon über 60 tot und keiner der lebenden war unter 30, wie die Welt kurz vor der Eröffnung in Kassel ausgerechnet hatte. So erklärt sich vielleicht auch, dass wichtige Themen unserer Zeit (Populismus, Überwachung, Terror, um nur drei zu nennen) auf der d14 fehlten.
Und dann noch Schulden
Welch eine Ironie. Sollte es stimmen, was die HNA recherchiert hat, dann hat ausgerechnet der zweite Standort Athen hauptsächlich dazu beigetragen, dass die documenta diesmal ein Defizit von rund sieben Millionen Euro eingefahren hat. Stromkosten in Athen? Ausufernde Sicherheitsmaßnahmen? Was genau zu den horrenden Kosten geführt hat, werden die Kasseler Steuerzahler nach dem 21. September erfahren. Dann tagt der Aufsichtsrat der documenta GmbH. Und ob die Stadt Kassel eine Bürgschaft von 3,5 Millionen Euro übernehmen wird, entscheidet das Stadtparlament am 25. September.
Immerhin: Ein Kunstwerk mit Bäm!-Faktor
Trotz allem gab es einige gelungene documenta-Kunstwerke. Das herausragendste war der Parthenon der Bücher. Das Metallgerüst nach dem Vorbild des Tempels auf der Athener Akropolis, behängt mit ehemals oder aktuell verbotenen Büchern, hat viele Besucher zum Nachdenken über Presse- und Meinungsfreiheit angeregt. Die Argentinierin Marta Minujin hat es bestens verstanden, ästhetische Kunst mit einer Botschaft zu verknüpfen - ganz ohne erhobenen Zeigefinger.