Event zur Branchen-Vernetzung Warum Hessens Indie-Game-Szene mehr Unterstützung braucht

Hessen liegt abgeschlagen auf dem letzten Platz aller Bundesländer, was die Förderung von Games-Entwicklern angeht. Trotzdem räumen Solo-Entwickler und Start-Ups deutschlandweit Preise ab. Nicht mehr lange, warnen Branchenvertreter.

Ein Porträt eines Mannes mit einer weißen Umrahmung vor einer bunten abstrakten Videospiel-Szenerie.
Stephan Göbel hat mit seinem Spiel "Cube Quest" einen der Deutschen Entwicklerpreise gewonnen. Bild © privat , Collage: hessenschau.de

Ein leuchtend blauer Ozean, Palmen und ein kleiner schwarzer Würfel. Es gilt, den Würfel durch ein Labyrinth zu steuern. Unterwegs lauern Fallen, Katapulte und andere Mechaniken.  

"Man muss diese Mechaniken clever einsetzen, vorausschauend planen und so das Ziel des Levels erreichen," erklärt Entwickler Stephan Göbel. Sein Würfel-Strategie-Spiel "Cube Quest" hat ihm kürzlich den Deutschen Entwicklerpreis eingebracht.

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Unverhoffter Erfolg

Damit hatte der Solo-Entwickler aus Kassel nicht gerechnet – immerhin hat die Konkurrenz der großen Studios oft Millionenbudgets und hunderte Mitarbeiter. Dagegen hat Göbel sein Spiel komplett aus eigener Tasche finanziert.  

Sein Erfolg beruhe auf einer Mischung aus Selbstausbeutung, Idealismus und Leuten im Bekanntenkreis, die sich auskennen. "Eine Hand wäscht da die andere, man unterstützt sich gegenseitig bei Projekten," erzählt Göbel. 

Sein Spiel habe sich solide verkauft, sagt er – auch Dank des Deutschen Entwicklerpreises. Aber es reiche noch nicht, um Spiele-Entwicklung in Vollzeit zu machen. Göbel arbeitet daher auch noch für eine Kasseler Werbeagentur.

Mehr Unterstützung für Indies

Ein Spiel rauszubringen dauert oft viele Jahre. Und immer bleibe, so Göbel, "das Bangen und Harren", ob das Spiel überhaupt ankommt – oder sang- und klanglos untergeht.

Stephan Göbel wünscht sich mehr finanzielle und strukturelle Unterstützung für unabhängige, sogenannte Indie-Entwickler. "Viele Solo-Entwickler oder kleine Teams scheitern nicht an Ideen oder ihrem Können, sondern an fehlenden Ressourcen, sei es Budget, Marketing oder auch Zugang zu größeren Entwickler-Netzwerken," sagt Göbel. 

Staatliche Förderangebote gebe es zwar, aber die seien sehr unübersichtlich, beklagt er. Ein Event der Hessenagentur hat deshalb diese Woche versucht, Licht in das Dickicht des Förderdschungels zu bringen und die Indie-Entwickler zu vernetzen.

Hessen ist Schlusslicht bei Games-Förderung

Kleine Spiele-Entwickler fallen tatsächlich oft durchs Raster, bestätigt Jan Klose vom Branchenverband "Game" in Hessen, denn die bestehenden EU- und Bundesförderungen, oft in Millionenhöhe, richten sich vor allem an große, international agierende Spiele-Unternehmen.  

Das ist für Start-Ups und Solo-Entwickler fatal – besonders in Hessen. Das Bundesland liegt mit zuletzt 280.000 Euro Förderung für "Serious Games" abgeschlagen auf dem sechzehnten Platz.

Hessen fördert damit nicht mal ein Zehntel von dem, was die Spitzenreiter Bayern, Nordrhein-Westfalen und Berlin spendieren. 

Durch mehr Förderung der Kleinen gewinnen auch die Großen

Der Branchenverband fordert daher, dass Hessen die Förderung der Games-Entwicklung stark erhöht, auf drei Millionen Euro. Das käme nicht nur den geförderten kleinen Unternehmen und Solo-Entwicklern selbst zugute, erläutert Klose. 

"Die großen Unternehmen sind total daran interessiert, dass sich eine Entwickler-Landschaft bildet." Denn sie profitierten selbst davon. Sie könnten so zum Beispiel neue Mitarbeiter gewinnen, wenn diese fertig ausgebildet seien, oder kleine Teams unter Vertrag nehmen.

Abwanderung verhindern

Das können sie aber nur, wenn die kleinen Start-Ups weiter in Hessen entstehen. Klose sieht die Gefahr, dass Fachkräfte und Studierende der inzwischen renommierten hessischen Hochschulen - wie etwa der TU Darmstadt - in andere Teile Deutschlands oder der Welt abwandern.

Das lasse sich nur verhindern, wenn Hessen in der Förderung zu den anderen Bundesländern aufhole.

Rhein-Main ist wichtiger Games-Standort

Lobbyist Klose kennt die Szene gut. Er hat mit "Deck 13" in Frankfurt ein erfolgreiches, international gewichtiges Spiele-Unternehmen mit über hundert Mitarbeitern aufgebaut. 

Mit anderen großen Playern wie Crytek, Assemble Entertainment, Keen Games oder Cloud Imperium Games macht der Software-Entwickler das Rhein-Main-Gebiet zu einer der bedeutendsten Game-Standorte in Deutschland. Auch mehrere Weltkonzerne wie Sony und Nintendo haben hier ihre Niederlassungen.  

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Hessische Spieleautoren räumen beim Deutschen Entwicklerpreis ab

HS16:45-06.12.2024
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2022 erwirtschaftete die Software- und Games-Branche rund sechs Milliarden Euro und ist damit eine der umsatzstärksten Branchen der hessischen Kreativwirtschaft.  
 

Eine lebendige Indie-Game-Szene – noch 

Doch gerade die kleinen Spiele-Entwickler, die Indie-Szene, sei die große Stärke von Hessen, sagt Klose. "Das kann man mit dem Independent Film vergleichen. Da machen Leute eben mehr das, was ihnen am Herzen liegt und, was sie eigentlich als ihre Botschaften aussenden wollen."

Die Themen seien sehr divers und auch kulturell stark: "Erinnerungsthemen, Deutsche Geschichte wird da aufgearbeitet." Manche dieser Indie-Spiele seien sogar kommerziell sehr erfolgreich, z.B. die KlimaApp "H.O.P.E." des Wiesbadener Entwicklers Konrad Licht.

Vielfältige Perspektiven durch Solo-Entwickler

"Auch die Kultur der Menschen in der Branche, ist sehr, sehr divers", ergänzt Klose. Es gebe viele Entwicklerinnen und non-binäre Personen, die ihre eigenen Perspektiven einbrächten. "Das ist es wert, dass man das unterstützt und steigert", meint Klose.

Neben der finanziellen Förderung sei dafür auch die Vernetzung der verschiedenen kleinen und großen Games-Entwickler enorm wichtig sowie die Schaffung einer zentralen Anlaufstelle beim Land, betont Klose.

Mehr als ein Beruf

Das würde auch Stephan Göbel aus Kassel begrüßen. Damit der Solo-Entwickler vielleicht irgendwann in Vollzeit das machen kann, was ihm am meisten liegt.

"Spielentwicklung ist nicht nur ein Beruf, sondern es ist die Freude, sich kreativ ausdrücken zu können, eigene Ideen, Welten zu kreieren und umzusetzen. Das ist das, was für mich den Reiz dabei ausmacht."

Redaktion: Alexandra Müller-Schmieg

Sendung: hr2 kultur,

Quelle: hessenschau.de