Wenige lokale Läden übrig Warum kleine Musikgeschäfte nicht mehr mithalten können
Klavier, Flöte, Gitarre: Kleine Läden voller Instrumente könnten bald ein Relikt früherer Zeit sein. Der Preisdruck im Internet bewegt viele Händler dazu, den eigenen Laden zu schließen. In zwei Musikfachgeschäften in Kassel und Bad Homburg läuft der Räumungsverkauf.
30 Prozent auf alles: Anton Fischer lockt seit Wochen mit Rabatten in seinen Laden in Bad Homburg. Im Musikhaus Taunus – so heißt Fischers Musikfachgeschäft – werden ausgerechnet zu Weihnachten E-Gitarren, klassische Gitarren, E-Pianos, Verstärker, Saiten und anderes Musikzubehör zu ungewöhnlich niedrigen Preisen verkauft.
"Totaler Räumungsverkauf" steht auf einem Zettel am Schaufenster. 1.633 Euro statt 2.333 Euro kostet zum Beispiel ein Klavier. Zum Jahresende bereits schließt Fischer sein Geschäft. In den 16 Jahren vor Ort in Bad Homburg baute er sich eine Stammkundschaft auf, zog einen Online-Shop für das eigene Sortiment hoch und meisterte eine Pandemie. Doch es reicht nicht, wie der 45-Jährige sagt.
Kleinere Musikgeschäfte wirtschaften am Limit
Wochenlang habe er zuletzt Excel-Tabellen erstellt, gerechnet und kalkuliert, ob er seinen Betrieb in Zeiten von Preisdruck und Inflation noch halten könne. "Dann wurde mir klar, dass ich das so nicht schaffen würde. Es darf halt nichts dazwischen kommen, dann würde das Unternehmen schlagartig nicht mehr funktionieren", so das Fazit des Geschäftsmannes.
Auch in Kassel schließt ein Fachgeschäft
Mitte Februar macht auch Frank Eichler seinen etablierten Musikhandel Eichler in der Kasseler Innenstadt dicht. Erst hatte er unter seinen elf Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen nach einem Nachfolger für sein Geschäft gesucht, später branchenweit - vergeblich.
"Es findet sich einfach niemand, der das Risiko und die viele Arbeit so übernehmen möchte", sagt der 65-Jährige. Frank Eichlers Großvater hatte das Geschäft vor rund 95 Jahren in Kassel eröffnet, seit über 45 Jahren gibt es den Laden an der heutigen Geschäftsstelle.
In Hessen nur noch wenige Musikgeschäfte übrig
Bundesweit machen immer mehr Musikfachhändler ihren stationären Handel zu, bestätigt der Gesamtverband Deutscher Musikfachgeschäfte (GDM). "Die Lage gibt einem schon zu bedenken", schildert Birgit Böcher, Geschäftsführerin beim GDM. Der Handel sei in einer Krise, die sie noch nicht erlebt habe.
Hessenweit gibt es einer GDM-Schätzung zufolge nach den bevorstehenden Schließungen in Bad Homburg und auch Kassel noch etwa 15 stationäre Musikfachgeschäfte - Tendenz sinkend.
In der Folge werde der Weg zum nächsten Fachhändler immer weiter. Erst Ende November hatte auch das Notenfachgeschäft "Musikalien Petroll" einen seiner zwei Standorte im Rhein-Main-Gebiet geschlossen. Beim Musikhaus Bornheim in Frankfurt wird derzeit ein Nachfolger gesucht.
Musik gilt als Luxus
Gerade jetzt sei die wirtschaftliche Lage für die Händler schwierig, betont die GDM-Geschäftsführerin. Die hohe Inflation führe zu extrem steigenden Unterhaltskosten wie etwa bei der Energie, der Miete oder dem Personal. Gleichzeitig herrsche eine generelle Kaufzurückhaltung im Bereich der Freizeitmusik. "Musik ist etwas, das leider nicht an erster Stelle steht und ein bisschen als Luxusartikel gesehen wird."
Online-Riesen wie Amazon greifen Kunden ab
Allein vom Verkauf an Profi-Musiker und -Musikerinnen könnten die Geschäfte nicht überleben. Hochwertige Instrumente seien aber auch keine Ware, in die Hobbymusiker und -musikerinnen jedes Jahr neu investierten. Besonders zu schaffen mache die Konkurrenz im Internet.
Amazon sei inzwischen der größte Fachhändler in Deutschland und auch über Temu schwappten "Billigstinstrumente" nach Europa. "Man kann sich im Internet zehn Gitarren nach Hause bestellen, kann alle zehn Gitarren zwei Wochen lang ausprobieren und sie dann ohne Angabe von Gründen auch wieder zurückschicken – das kann der Fachhändler nicht", kritisiert Böcher.
Preisdruck lässt Gewinne schrumpfen
Die Corona-Pandemie habe das Kaufverhalten nachhaltig verändert, betont Geschäftsinhaber Anton Fischer vom Musikhaus Taunus in Bad Homburg. Zwar hätten sich einige in der Zeit wieder an ihr früher gelerntes Instrument getraut und sich wieder ausgestattet, der Großteil der Kunden habe sich aber daran gewöhnt, online zu kaufen.
Manche Kunden würden sich auch im Geschäft vor Ort beraten lassen, Instrumente ausprobieren, dann aber wegen niedrigerer Preise woanders online kaufen, erinnert sich Frank Eichler aus Kassel. Beide Musikfachgeschäfte – Bad Homburg und Kassel – hatten zwischenzeitlich auch auf Online-Shops gesetzt.
Durch die Konkurrenz mit Online-Riesen seien die Preise aber immer weiter nach unten gerutscht, sagte Fischer, "und mit der Marge können wir dann teilweise gar nicht leben". Einkaufs- und Verkaufspreis hätten sich immer weiter angenähert, während der Shop viel Arbeit beansprucht habe.
Das Ende einer "Herzenssache"
In Kassel öffnet "Musik Eichler" nach dem Ladenschluss Mitte Februar an einem deutlich kleineren Standort. Vier Klavierbauer sollen weiter Reparaturen anbieten und Stammkunden und Institutionen wie Musikakademien betreuen. Klaviere und Flügel würden weiterhin verkauft, sagt der Klavierbaumeister. "Man geht natürlich in eine Spezialisierung und guckt, wo seine Stärken liegen."
Verkaufen will Anton Fischer vom Musikhaus Taunus in Bad Homburg nicht mehr. Ab Januar bietet aber auch er weiterhin Reparaturen für E-Pianos und Gitarren an. Dass er sein Musikfachgeschäft nun schließe, sei nicht leicht. Der Laden sei für ihn eine "Herzenssache" gewesen, für die auch manches Mal seine Famile das Nachsehen gehabt habe. "Ich kann mich nicht an einen Tag erinnern, wo ich gesagt habe, heute habe ich keinen Bock."