"Watchbetter" Wie ein Videoportal aus Gießen Youtube Konkurrenz machen will
Mit ihrer Video-Plattform "Watchbetter" wollen zwei Gießener ein Gegengewicht zu Youtube bilden. Im Gegensatz zum Big Player wollen sie ihre Nutzer nicht nur unterhalten, sondern informieren - und einen Beitrag zum Klimaschutz leisten.
Inmitten eines Gartens steht eine ältere Dame mit blondiertem Haar und schwarzer Brille. "Den Rasen für den Winter vorbereiten: Hallo, willkommen bei der Gartenmoni", sagt sie in die Kamera. Monis Videos mit Gartentipps gehören zu den Top-Videos auf "Watchbetter", einer neuen Videoplattform made in Gießen.
Seit Anfang des Jahres ist Watchbetter online. Auf den ersten Blick erinnert es mit seinen bunten Vorschau-Bildern, Thumbnails genannt, und den plakativen Überschriften an Youtube. Man wolle aber kein Klon des Plattform-Riesen sein, stellt Gründer Patrick Wallbott klar, sondern besser.
200 bekannte Youtuber sind schon dabei
Vor allem die Tatsache, dass jeder und jede alles auf der Plattform hochladen kann - auch Inhalte, die möglicherweise fragwürdig oder sogar falsch sind - habe ihn und seinen Kollegen Dennis Walter gestört, sagt Wallbott. In Zeiten von Covid und Ukraine-Konflikt wolle man keine Plattform für Fake News sein.
Mit ihrer eigenen Video-Plattform wollen Walter und Wallbott deswegen vor allem Infotainment und Edutainment liefern. Dazu haben die Gründer schon acht Mitarbeitende eingestellt. Insgesamt 30.000 Videos von 200 etablierten deutschsprachigen Youtubern seien mittlerweile auf Watchbetter vertreten, sagt Wallbott. Er wisse genau, welche Content Creator welche Inhalte für die Plattform produzierten. "Alle gehen über meinen Schreibtisch."
Watchbetter setzt auf Kategorien statt Filterblasen
Das ist bei Youtube kaum möglich: Nach eigenen Angaben werden dort jede Minute mehr als 500 Stunden Video-Content hochgeladen. Tatsächlich könne auf Youtube jede Verschwörungstheorie gepostet werden, sagt auch die Marburger Medienwissenschaftlerin Angela Krewani. Der Youtube-Algorithmus sorge für enge Weltbilder, da Nutzer und Nutzerinnen sich durch das Entstehen von Filterblasen in ihren Ansichten bestätigt fühlten, so die Expertin.
Bei Watchbetter ist die Herangehensweise eine andere: Nutzer und Nutzerinnen können durch Kategorien stöbern. Die "Gartenmoni" findet sich beispielsweise in der Rubrik "Garten", die laut Wallbott zusammen mit "Essen und Trinken" zu den beliebtesten Kategorien zählt. "The Handyman", der auf Youtube 290.000 Abonnentinnen und Abonnenten mit seinen Handwerker- und Technik-Tipps erreicht, lädt Videos in der Kategorie "Wissen" hoch, "mommymade" postet Do-It-Yourself-Inhalte im Bereich "Kreative Hobbys".
Feste Preise für Werbung statt Auktion
Auch in Sachen Nutzerschaft gibt es Unterschiede zum US-amerikanischen Plattform-Riesen. Während Youtube einer aktuellen Statista-Auswertung zufolge vor allem bei 14- bis 25-Jährigen beliebt ist, erreicht Watchbetter den Gründern zufolge derzeit vor allem Frauen im Alter zwischen 30 und 40 Jahren. Eine Kommentarfunktion gibt es nur für registrierte Nutzerinnen und Nutzer.
Die Vergabe der Werbeplätze sei wiederum ausgelagert, erklärt Wallbott. "Der wichtigste Unterschied bei der Werbung ist, dass wir für die einzelnen Platzierungen auf Watchbetter feste Preise je Video haben", sagt er. "Diese werden nicht wie bei Youtube in einem Auktionsverfahren an den Höchstbietenden für das jeweilige Userprofil vergeben werden. Damit können wir auch sicherstellen, dass keine unseriöse oder fragwürdige Werbung geschaltet wird."
"Müssen Nachhaltigkeit immer mitdenken"
Und noch etwas wollen die Gießener besser machen als die Amerikaner. "Wir müssen uns dazu zwingen, das Thema Nachhaltigkeit immer mitzudenken", sagt Patrick Wallbott. "Wir leben in einer Zeit, in der man sich nicht rausnehmen und das ignorieren kann." Eine kleine grüne Wolke zeigt deswegen beim Anschauen der Videos an, wie viel CO2 die Plattform kompensiert.
Für alle 2.000 gesehenen Videominuten pflanzt das Unternehmen zudem einen Mangrovenbaum, finanziert durch einen Teil der Werbeeinnahmen. Die Fans der "Gartenmoni" haben mit dem Angucken ihrer Videos schon 68 Bäume gepflanzt. Das zeigt ein kleines Symbol auf ihrem Profil an. Insgesamt wurden so schon 3.000 Bäume gepflanzt, sagt Wallbott.
Expertin: Alternativen wie Watchbetter sind wichtig
Aber kann Watchbetter eine wirkliche Konkurrenz zu Youtube sein? Die Klicks der Videos liegen weit unter denen, was "Gartenmoni" und Co. mit dem gleichen Content auf Youtube erzielen. "Die amerikanischen Plattformen sind schon immer die, die dominieren", sagt Medienexpertin Angela Krewani. Doch sie prognostiziert den Gießenern eine gute Nischen-Existenz. Zudem sei es wichtig, dass Alternativen entstünden, die Qualitätsansprüche formulierten und auch durchsetzten.
Sendung: hr-iNFO, 14.11.2022, 11.47 Uhr
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