Coach mit besonderer Lebenserfahrung Wie Zoë Cross Menschen ermutigt, die "anders" aussehen

Die Wiesbadenerin Zoë Cross hat eine Gesichtslähmung. Das hat ihr Leben sehr geprägt, sie wurde verspottet und angegriffen. Heute coacht sie Menschen, die unter ihrem andersartigen Aussehen leiden. Ein Protokoll über Resilienz, Selbstliebe - und Monty Python.

Screenshot des Instagram-Kanals von Zoe Cross
Zoe Cross ermutigt Menschen, die unter ihrem andersartigen Aussehen leiden – auch auf Instagram. Bild © Instagram/hr
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Bild © Andrea Bonhagen/hr| zur Audio-Einzelseite
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Zoë Cross wurde in München geboren und wuchs in Irland und Wiesbaden auf. Heute lebt und arbeitet die 50-Jährige in Frankfurt als Coach. Sie spricht vor allem Frauen mit oder ohne Behinderung an und kann dabei viele ihrer eigenen Erfahrungen einbringen. Hier erzählt sie ihre Geschichte:

"Ich wurde mit einer Krankheit geboren, die Möbius-Syndrom heißt. Vor der Geburt werden dabei bestimmte Gesichtsnerven nicht richtig ausgebildet. Das bedeutet in meinem Fall, dass ich meine Lippen nicht richtig schließen kann. Es gibt deshalb auch ein paar Dinge, die ich einfach nicht kann, zum Beispiel pfeifen oder Flöte spielen. Auch das Wort Möbius-Syndrom ist für mich schwierig auszusprechen. Außerdem ist mein Mund verzerrt, das sieht für viele Menschen merkwürdig aus.

Diese manchmal undeutliche Sprache, die aus der Behinderung folgt, ist oft ein Problem. Durch die sozialen Medien ging mal diese Geschichte: In einem englischen Pub hat der Wirt sich geweigert, einen Menschen Alkohol zu verkaufen, weil der angeblich schon total betrunken war. Dabei hatte er durch seine Gesichtslähmung einfach nur eine sehr verwaschene Sprache.

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Ich wurde angegriffen und verspottet.
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Das andersartige Aussehen hat auch mein Leben sehr geprägt. Nicht als Kind, meine Eltern haben es nie thematisiert, dass ich diese Behinderung habe. Aber später gab es einfach viele, viele Situationen, in denen ich deswegen verspottet oder auch angegriffen wurde.

Es gab zum Beispiel öfter die Situation, wo zwei oder drei Jungs an mir vorbeigingen und sich gegenseitig zuriefen: 'Guck mal, was wäre doch eine Freundin für dich!' Und es war am Tonfall völlig klar, dass das überhaupt nicht ernst gemeint war. Das war sehr verletzend mit 13, 14.

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Meinen ersten Kuss bekam ich mit 41.
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Ich habe wirklich jeden Tag solche Kommentare gehört, gemerkt, wie Menschen sich abgewendet, über mich geflüstert und gelacht haben. Das tut sehr weh und kann extrem verunsichern und einen Menschen in der Entwicklung sehr zurückhalten. Ich selbst habe erst mit 41 Jahren meinen ersten Kuss bekommen.

Das hat mein Leben sehr beeinflusst: Ich habe mich sehr auf meine Karriere als Nachhaltigkeitsmanagerin bei Panasonic konzentriert, weil ich dachte: Partnerschaft oder Familie wird es für mich nicht geben. Und selbst, als ich einen Partner gefunden hatte, hörten die Verletzungen nicht auf: Als mein Freund sehr stolz ein Foto von uns beiden in einem Chatraum gepostet hat, gab es abwertende Kommentare.

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Mit Anfang 40 habe ich von meinen Ansprüchen erfahren.
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Mit Ende 30, Anfang 40 hat mich das in eine tiefe Krise gestürzt, auch beruflich. Ich habe mich dann viel mit mir selbst beschäftigt, zum Beispiel Podcasts zum Thema Selbstliebe gehört. Ich habe dabei gelernt, wie ich mit dem Stress umgehe, der mir jeden Tag begegnet, nämlich mit einer wohltuenden Morgenroutine aus Bewegung, Meditation oder Lesen.

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Zoe Cross in maintower (2020)

Zoe Cross, eine Frau mit Gesichtslähmung, im Gespräch mit dem hr vor einem Bücherregal
Bild © hr
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Freunde und gute Kollegen haben mich damals ermutigt, meine körperlichen Symptome von einem Neurologen untersuchen zu lassen. Seitdem weiß ich, woher sie kommen und wie die Krankheit heißt. Ich habe auch erfahren, dass ich mit meiner Behinderung Anspruch auf einen Behindertenausweis habe und beruflich besonders geschützt bin.

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Ich erreiche Menschen aus aller Welt.
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Das hat nicht nur mir selbst geholfen, sondern mir auch die Stärke gegeben, anderen Menschen in solchen Situationen zu helfen. Ich bin zum Beispiel im Betriebsrat meiner Firma und helfe Menschen, die sich nicht trauen, für sich selbst zu sprechen. Auch in der Selbsthilfevereinigung Möbius-Syndrom Deutschland bin ich aktiv.

Seit 2016 bin ich außerdem als Coach tätig. Durch meine Social Media-Aktivitäten erreiche ich Menschen in der ganzen Welt. Ich helfe zum einen Menschen mit einem äußerlichen Makel, zu mehr Selbstvertrauen und Resilienz zu kommen.

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Auch viele Menschen ohne Makel haben Angst.
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Aber ich habe auch festgestellt, dass viele Menschen auch ohne solche Makel Angst haben. Angst davor, sich in Meetings zu Wort zu melden, Angst, vor eine Kamera zu treten, also sichtbar zu werden. Als Business-Coach ermutige ich deshalb Menschen, vor allem Frauen, aus ihrer Komfort-Zone heraus zu kommen und sich ihren Ängsten zu stellen.

Menschen sagen heute oft zu mir: Du bist so wahnsinnig mutig. Ich denke, das liegt daran, dass ich in meinem Leben sehr oft über meinen Schatten springen musste.

Weitere Informationen

Am Wochenende hat Zoe Cross ihre Geschichte in Kassel bei der Veranstaltung "Ungehaltene Reden ungehaltener Frauen" erzählt. Ein Video-Mitschnitt dazu gibt es bei Youtube.

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Ich kam als neunjähriges Kind mit meinen Eltern aus Irland nach Deutschland, habe die Sprache kaum gesprochen. Später habe ich in England und Japan studiert, da gab es auch immer wieder diese Herausforderung.

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Schwarzer Humor hilft mir.
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Mein Vater und meine Mutter sind sehr starke Menschen, sie haben mich immer ermutigt, auf andere zuzugehen. Was mir außerdem hilft, ist mein Hang zum britischen Humor. Ich liebe zum Beispiel Monty Python. Da gibt es die Geschichte, wo Leute im Büro im Hochhaus sitzen und ständig Menschen am Fenster vorbei in den Tod stürzen. Ich finde diesen Sketch göttlich. Vielleicht ist dieser schwarze Humor auch eine Art und Weise, mit allem zurecht zu kommen, was ungerecht und traurig ist."

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Ein Protokoll von Andrea Bonhagen und Alexandra Müller-Schmieg.

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Sendung: hr2-kultur, 10.12.2022, 6 Uhr

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Quelle: hessenschau.de