Wolfram Koch über seinen letzten Tatort "Ein Abgang muss Effekt haben"

Paul Brix und Anna Janneke ermitteln ein letztes Mal im Frankfurter Tatort. Im Interview spricht Brix-Darsteller Wolfram Koch über seine schwierigsten Drehtage, einen Fall, den er gerne noch gelöst hätte, und warum das letzte Drehbuch umgeschrieben wurde.

Wolfram Koch alias Paul Brix steht an einer Autotür.
Wolfram Koch alias Paul Brix in seinem letzten Tatort "Es grünt so grün, wenn Frankfurts Berge blüh'n". Bild © hr, ARD Degeto Film
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Knapp zehn Jahre hat Wolfram Koch den coolen, eigenwilligen Frankfurter Tatort-Ermittler Brix gespielt. Wenn an diesem Sonntag der neue Frankfurt-Tatort läuft, ist das der letzte Fall für das Ermittler-Duo Paul Brix und Anna Janneke (gespielt von Margarita Broich). 19 Fälle lösten die beiden Kommissare gemeinsam.

Ab 2025 ist ein neues Tatort-Team mit neuen Schauspielern für Frankfurt im Einsatz, das lang zurückliegende Mordfälle aufklären soll, sogenannte Cold Cases. Was aus den Kommissaren Janneke und Brix wird, zeigt sich in "Es grünt so grün, wenn Frankfurts Berge blüh'n" (20.15 Uhr im Ersten und anschließend in der ARD Mediathek).

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Das Gespräch führte Sophia Averesch.

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hessenschau.de: Mit der ersten Idee der Drehbuchautoren für das Ende ihrer Abschieds-Krimis waren Sie und Ihre Kollegin Margarita Broich gar nicht zufrieden. Was hat Sie gestört?

Wolfram Koch: Die ersten Versuche waren, mit Verlaub, teilweise etwas öde. Wir saßen laut Drehbuch missmutig an der Arbeit, ließen die Köpfe hängen und hatten im Grunde gar keine Lust mehr, weiterzuarbeiten. Dann haben wir uns verabschiedet, die eine ist dahin gefahren, der andere dahin.

Margarita Broich und ich haben dann den Drehbuch-Autoren gesagt: Das machen wir nicht, das ist einfach zu langweilig. Wenn ihr den letzten Tatort für uns schreibt, müsst ihr ihn wie den Ersten schreiben: So vital, lustig und schön.

hessenschau.de: Sind Sie jetzt zufrieden mit dem Finale von Brix und Janneke?

Wolfram Koch: Ich komme vom Theater und da gibt es den Satz 'Ein Abgang muss Effekt haben', egal, ob er leise oder laut ist. Es muss beim Abgang zumindest irgendeine Erinnerung bleiben. Margarita und ich haben dann ziemlich viel bei diesem Drehbuch mitgeredet. Nicht an der ganzen Idee, aber wir haben mitgeredet, was mit diesem Paar in diesem letzten Tatort passiert. Und das, was jetzt passiert, ist von uns. Das finale Ende war auch ausdrücklich unser Wunsch.

Derzeit ist Koch als "Mephisto" am Schauspiel Frankfurt in der Aufführung von Goethes "Faust 1 & 2" in der Inszenierung von Jan-Christoph Gockel und Claus Philipp zu sehen. Der 62-Jährige studierte an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt. Er arbeitet freischaffend unter anderem in Zürich, Wien, Hamburg und Berlin.

Sein Tatort-Kollege Isaak Dentler, der den Kriminalassistenten "Jonas Hauck" spielte, ist seit 2009 Teil des Ensembles am Schauspiel Frankfurt.

hessenschau.de: Hätten Sie vor knapp zehn Jahren gedacht, dass Sie so lange Tatort-Ermittler sein würden?

Wolfram Koch: Nein. Ich wurde damals angerufen und gefragt, ob ich die Rolle machen würde. Ich hatte geantwortet: 'Nein, ich gucke keinen Tatort, ich glaube, ich bin der Falsche.' Ich hatte dieses Ritual am Sonntagabend nicht, ich bin ohne Fernsehen groß geworden. Die Redakteurin hatte damals geantwortet: 'Aus diesem Grund wollen wir dich aber'. Jetzt gucke ich natürlich ab und zu Tatort.

Der letzte Drehtag im Dezember vor einem Jahr war dann sehr traurig, weil alle vom Team wussten, das war's jetzt. Der Hessische Rundfunk produziert den Tatort nicht mehr intern. Man kannte sich, man traf sich wieder zum Drehen, man freute sich aufeinander und das war damit für alle vorbei.

Wie die Tatorte zuvor war auch der letzte Brix-und-Janneke-Tatort "Es grünt so grün, wenn Frankfurts Berge blüh'n" eine hr-Produktion im Auftrag für ARD Degeto Film für die ARD.

Der neue hr-Tatort mit dem Schauspiel-Duo Melika Foroutan und Edin Hasanović wird von der Filmproduktion Sommerhaus produziert. Die Redaktion liegt bei Jörg Himstedt und Erin Högerle vom Hessischen Rundfunk. Drehstart ist in diesem Jahr, ausgestrahlt wird der erste Krimi mit Foroutan und Hasanović voraussichtlich im Herbst 2025 oder im Frühjahr 2026.

hessenschau.de: Was hat der Frankfurter Tatort anders gemacht als die anderen?

Wolfram Koch: Wir hatten diese Idee, als wir vor zehn Jahren starteten: Da kommen zwei 'Normalos', Altsemester. Wir wollten keine privaten Seelenabstürze zeigen, keine Geisteskrankheiten, keinen Familienstress. Wir wollten spannende Fälle und uns als Ermittler zurückhalten. Man erfuhr privat nicht sehr viel. Es gab Fanny (gespielt von Zazie de Paris, Anm. der Redaktion), die war gesetzt, was großartig war. Bei ihr wohnte ich und es blieben Fragen offen.

Die Tatort-Redaktion hat sehr mutige, sehr spannende, hervorragende Drehbücher entwickelt und ganz tolle Tatorte gemacht. Wir waren ein bisschen die Experimentierleute im deutschen Fernsehen.

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hessenschau.de: Gab es einen Tatort, der Ihnen schwerfiel?

Wolfram Koch: Es gab diesen Nacht-Tatort (Anmerk. d. Red.: "Erbarmen. Zu spät."). Wir hatten 25 Drehtage und das waren 25 Nacht-Drehtage. Es gibt viele Leute, die ihr Leben lang unter Tage oder nachts arbeiten, aber für uns war das eine Herausforderung, nachts zusammenzukommen und bis morgens im Regen auf irgendwelchen Wiesen um Frankfurt zu arbeiten. In dem Fall: eine Leiche zu suchen. Komischerweise waren wir am Dreh so konzentriert, dass wir uns kaum Versprecher geleistet haben.

hessenschau.de: Haben Sie manchmal gemerkt, dass Sie ähnlich wie Paul Brix gehandelt hätten?

Wolfram Koch: Es gibt natürlich Eckpunkte, die übereinstimmen. Dass ich eher autonom unterwegs bin, mein eigenes Ding mache. Ich liebe es, unabhängig zu sein, tatsächlich auch bei meiner Arbeit im Theater. Ich bin seit 30 Jahren freischaffend.

Wenn bestimmte Sachen geregelt werden müssten, um einen Fall zu lösen, könnte ich mir vorstellen, dass ich mich auch manchmal nicht an die Vorschriften halten würde. Aber der Brix hat ja auch manchmal so Kopfnüsse verteilt, um sich zu verteidigen. Das ist mir noch nicht passiert.

hessenschau.de: Sie wohnen in Frankfurt und hatten auch schon in der Stadt studiert. Wie war es für Sie, Frankfurt-Ermittler zu sein?

Wolfram Koch: Meine Familie hat sich wahnsinnig gefreut, dass ich mal in Frankfurt arbeite. Ich war so viel unterwegs. Mit dem Tatort gab es zwei Mal ungefähr sechs Wochen im Jahr, wo ich in der Stadt gearbeitet habe. Das war großartig.

Und dann lernt man natürlich Frankfurt noch völlig anders kennen. Wir haben in Ecken gedreht, die ich überhaupt nicht kannte. Wir haben auch Leute kennengelernt, die ich so sonst nicht kennengelernt hätte. Menschen, die gerne ihre Wohnung zur Verfügung stellen, egal in welchen Vierteln, aus allen sozialen Schichten. Das war natürlich toll.

Als ich mit meiner Familie aus Berlin hierher zog, vor langer, langer Zeit, fand ich Frankfurt furchtbar. Snobby, teuer und unfreundlich. Das hat sich aber sehr gewandelt. Nicht nur, weil ich mich angepasst habe, sondern weil ich gemerkt habe, was für eine Qualität diese Stadt hat. Sie haben auf engstem Raum die größten Widersprüche, die eine Stadt in Deutschland bieten kann.

hessenschau.de: Zu welchem Fall hätten Sie als Paul Brix gerne noch ermittelt?

Wolfram Koch: Margarita Broich und ich hatten uns tatsächlich überlegt, vor allem Margarita, dass wir mal zusammen mit der Eintracht Frankfurt einen Tatort machen. Ein Mord im Eintracht Frankfurt-Team. Das hätten wir gern noch mit der Fußballmannschaft gedreht. Es ist nur schwierig gewesen, da Drehs zusammenzukriegen, weil die natürlich auch trainieren. Das hätten wir wirklich sehr gerne noch gemacht, so einen Fall.

Sendung: hr1,

Quelle: hessenschau.de