Neue Verordnung Warum in Hessen die Biomüll-Tonnen bald häufiger stehen bleiben könnten
Mit einer neuen Bioabfallverordnung will die EU sicherstellen, dass weniger Mikroplastik in die Umwelt gelangt. Für die Entsorgungsbetriebe in Hessen bedeutet das mehr Aufwand - und für die Bürgerinnen und Bürger vielleicht sogar Bußgelder.
Mit gekonnten Handgriffen holt Heinz Hotz eine Biotonne von ihrem Platz vor einem Wohnhaus, öffnet den Deckel und wirft einen prüfen Blick hinein. Das gehört für den Mitarbeiter des Darmstädter Entsorgungsbetriebs EAD zum Job, wenn die Tonnen abgeholt werden.
Er kontrolliert, ob Dinge im Biomüll gelandet sind, die hier nicht hingehören - und wird fündig: In der Tonne liegt eine Mülltüte. "Da ist zwar ein Zeichen drauf mit dem grünen Punkt, aber die ist nicht zulässig", sagt Hotz.
EU-Richtlinie verschärft Grenzwerte
Der Hinweis, dass eine Mülltüte aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt wurde oder kompostierbar ist, reicht nicht. Wenn sie nicht zertifiziert industriell kompostierbar ist, zersetzt sie sich zu langsam und darf nicht in der Biotonne entsorgt werden.
Heinz Hotz bleibt deshalb nur eine Möglichkeit: "Wir stellen den Eimer wieder zurück, den dürfen wir nicht leeren." Ärgerlich für den Haushalt, aber ein Szenario, das sich in Zukunft häufen könnte. Grund dafür ist eine neue EU-Richtlinie.
Durch die Richtlinie werden die Regelungen für Fremdstoffe verschärft: Ab 1. Mai dürfen im aufbereiteten Biomüll nur noch ein Prozent Fremdstoffe enthalten sein, bevor er weiterverarbeitet wird. Neben Plastik gehören dazu auch Metalle, Stoffreste, Katzenstreu oder Sand - alles Dinge, die bislang regelmäßig in den Tonnen landen.
Um die Einhaltung des Kontrollwertes zu erleichtern, wird schon bei der Abholung in Augenschein genommen, wie viele Fremdstoffe enthalten sind. Hier sollte der Wert von drei Prozent nicht überschritten werden. Der Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft schätzt, dass der Anteil falsch entsorgter Abfälle derzeit bei etwa fünf Prozent liegt.
Fremdstoffe verhindern Weiterverarbeitung
Klaus Meier ist Sachgebietsleiter Abfallwirtschaft beim Darmstädter Entsorgungsbetrieb EAD. Er kann die neue Regelung grundsätzlich verstehen, denn sie hat einen guten Grund: Der Müll aus der Biotonne wird entweder kompostiert und als Dünger für Pflanzen verwendet oder zu Biogas umgewandelt und für die Gewinnung von Strom und Wärme genutzt.
Fremdstoffe, insbesondere Plastik, verhindern aber, dass der Biomüll weiterverarbeitet werden kann. Stattdessen wird er verbrannt.
Laut Europäischem Wirtschaftsdienst gehen dadurch jährlich 92.000 Tonnen Kompost verloren, die durch nitratreiche Düngemittel ersetzt werden müssen. Außerdem könnte durch korrekte Mülltrennung deutlich mehr Energie aus Bioabfall erzeugt werden und es ließen sich 25.600 Tonnen CO2 pro Jahr einsparen.
Strafen bis 2.500 Euro möglich
Für Entsorgungsbetriebe wie die EAD bedeutet die neue Regelung aber auch mehr Aufwand. Die Entsorger müssen die Bioabfälle künftig noch genauer kontrollieren als bisher. Hier hofft Sachgebietsleiter Klaus Meier auch auf die Menschen in Darmstadt: "Die Bürger können mithelfen – durch besseres Trennen."
Wer das nicht tut, muss unangenehme Folgen fürchten: Tonnen, die zu stark verunreinigt sind, dürfen auch künftig einfach stehen bleiben. Das dürfte durch die neue Regelung häufiger passieren als bisher. Zusätzlich sind auch Bußgelder möglich: Wird absichtlich oder fahrlässig nicht richtig getrennt, handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit und es drohen Strafen von bis zu 2.500 Euro.
Noch setze man in Darmstadt aber auf Aufklärung statt Strafe, sagt Klaus Meier: "Das Thema Strafen ist auch eine Möglichkeit, die Bürger mitzunehmen. Aber wir setzen in erster Linie auf proaktive Information."
Mehr Aufwand für Entsorger
Auch in Frankfurt bereitet man sich auf die neuen Biomüll-Regelungen vor. Für den Geschäftsführer der Rhein-Main-Bio-Kompostierungsanlage im Frankfurter Ostend, Peter Dumin, bedeutet das: mehr Aufwand ohne zusätzliches Geld.
"Das ist ein Mehraufwand für uns, den wir nicht bezahlt kriegen", sagt er. "Da müssen wir sehen, wie wir damit klarkommen."
Kontrolle durch KI-gesteuerte Kameras
Um die Richtwerte zu erreichen, will die Stadt Frankfurt auf Technik setzen: Müllfahrzeuge sollen mit KI-gesteuerten Kameras ausgestattet werden. Sie sollen schon beim Leeren erkennen, ob sich Plastiktüten oder andere Fremdstoffe in der Biotonne befinden.
Peter Dumin sieht trotz des Mehraufwands aber auch einiges an Potenzial durch die neue Regelung – vor allem in den Küchen der Stadt: "Viele werfen Küchenabfälle noch in den Restmüll und der wird verbrannt." Wenn solche Abfälle, wie es eigentlich sein sollte, im Biomüll landen, könnte man daraus wieder etwas Nützliches machen", sagt Dumin. Zum Beispiel Wärme, Strom, Bio-Methan und Kompost.
Mit Informationen von Robert Hübner und Lisa Muckelberg
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