Geplanter erweiterter Suizid Mutter soll Sohn mit Narkosemittel getötet haben - Prozess in Fulda eingestellt
Das Landgericht Fulda hat das Verfahren gegen eine Frau eingestellt, die ihren 16 Jahre alten Sohn mit Narkosemittel getötet haben soll. Im Rahmen eines geplanten erweiterten Suizids kam auch ihr Ehemann ums Leben.
Das Landgericht Fulda begründete die Entscheidung am Mittwoch damit, dass die Schuld der heute 52 Jahre alten Frau aus Künzell (Fulda) im Falle einer Verurteilung als gering anzusehen gewesen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung bestehe. Staatsanwaltschaft und Verteidigung schlossen sich dem an.
Der Frau war zur Last gelegt worden, Anfang Januar 2018 im Zuge eines geplanten erweiterten Suizids im Einvernehmen mit ihrem Ehemann ihren gemeinsamen 16-jährigen Sohn mit dem Narkosemittel Propofol und einem Beruhigungsmittel getötet zu haben.
Sich selbst zu niedrige Dosis verabreicht
Die als Anästhesie-Krankenschwester arbeitende Frau soll auch dabei geholfen haben, ihrem damals 51 Jahre alten Mann per Infusion eine tödliche Dosis Propofol zu verabreichen. Sie stand seit Anfang Mai vor Gericht.
Während Sohn und Mann starben, überlebte die Angeklagte. Sie soll sich nach Angaben des Gerichts mit der benötigten Gesamtmenge des Propofols verkalkuliert und sich eine zu niedrige Dosis des Mittels verabreicht haben. Die Polizei vermutete, dass die Krankenschwester das Narkosemittel zuvor bei ihrem Arbeitgeber entwendet hatte.
Arbeitgeber fand Abschiedsbrief des Mannes
Ihr Mann und ihr Sohn waren tot im Ehebett der Wohnung gefunden worden. Der Arbeitgeber des Mannes hatte die Polizei alarmiert, weil er einen Abschiedsbrief seines Mitarbeiters gefunden hatte. Darin hatte er angekündigt, mit seiner Familie aus dem Leben zu scheiden.
Es sei ein präziser Plan für eine gemeinsame Selbsttötung der dreiköpfigen Familie vorausgegangen, berichteten Polizei und Staatsanwaltschaft nach der Tat.
Gericht: Sohn konnte Suizid-Entscheidung nicht abwägen
Grund dafür soll die ärztliche Diagnose eines gestörten Sozialverhaltens des Sohns gewesen sein, wegen derer eine "familienexterne Unterbringung" empfohlen worden sein soll, wie es in der Mitteilung des Gerichts vom Mittwoch heißt. Da das für die 52-Jährige und ihren Ehemann nicht in Betracht gekommen sei, sollen sie sich gemeinsam mit ihrem Sohn dazu entschieden haben, Suizid zu begehen.
Laut Polizei hatte der Sohn wohl eine autistische Störung. Der Anklage zufolge soll der 16-Jährige wegen der Einschränkungen durch die Erkrankung und wegen seines Reifegrades aber nicht in der Lage gewesen sein, "die volle Tragweite seiner Entscheidung für einen Suizid zu übersehen und angemessen abzuwägen". Das soll die Frau billigend in Kauf genommen haben, weswegen ihr Totschlag zur Last gelegt wurde.
Tötung auf Verlangen oder fahrlässige Tötung
Die Strafkammer begründete die Einstellung des Verfahrens gegen die Frau damit, dass nach dem vorläufigen Ergebnis der Beweisaufnahme die Tat "in rechtlicher Hinsicht auch als Tötung auf Verlangen oder fahrlässige Tötung gewertet werden könne".
Das Gericht teilte mit, zu Gunsten der Angeklagten sei auch zu berücksichtigen, "dass sie die von Beginn an gestandene Tat aus Verzweiflung sowie Ausweglosigkeit und aus Liebe zu ihrem Sohn begangen habe, für welchen sie über 16 Jahre alle persönlichen Kräfte aufgebracht habe". Die Frau belaste das Erlebte psychisch schwer.
Trotz gesundheitlicher Probleme habe sie sich dem Verfahren gestellt. Umstände, die bei einer Verurteilung zu Lasten der Frau zu berücksichtigen gewesen wären, waren für die Kammer nach eigenen Angaben nicht ersichtlich.