Rettungaktion wegen geplanter ICE-Trasse Hoffnung für 450 Jahre alte Ulme schwindet

Weil ein Jahrhunderte alter Baum auf dem Verlauf der neuen ICE-Strecke von Frankfurt nach Mannheim steht, sollte er aufwendig verpflanzt werden. Doch dafür ist er offenbar zu krank.

450 Jahre alte Ulme bei Pfungstadt
450 Jahre alte Ulme bei Pfungstadt Bild © Julian Moering (hr)
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Knorrige Äste, krummer Wuchs und ein löchriger und teilweise verfaulter Stamm, in dem es einmal gebrannt hat. Man sieht der markanten Ulme am Stadtrand von Pfungstadt (Darmstadt-Dieburg) ihr fast biblisches Alter auf Anhieb an. Seit über 450 Jahren steht das von den Einheimischen liebevoll "Reest" genannte Naturdenkmal schon an seinem Platz. Ein hohes Alter, selbst für einen Baum.

Es verwundert daher nicht, dass ein Gutachten jüngst zu dem Ergebnis kam: Bei der Ulme handelt es sich nicht um einen durchweg gesunden Baum. Nach bald fünf Jahrhunderten hat man eben so seine Wehwehchen.

Aber warum und wofür wurde überhaupt ein Gutachten erstellt? In Auftrag gegeben hat es die Deutsche Bahn, denn der Baum steht dort, wo in ein paar Jahren Hochgeschwindigkeitszüge über die neue Trasse von Frankfurt nach Mannheim rasen sollen.

Überlebenschance gesunken

Der ursprüngliche Plan der Bahn aus dem Jahr 2021 war, den Baum nicht zu fällen, sondern ihn aufwendig an einen neuen Ort zu verpflanzen - mit Schwerlastkränen. Ein Experte der Unteren Naturschutzbehörde zeigte sich damals hoffnungsvoll und bezifferte die Erfolgschancen für den Umzug auf "etwa 90 Prozent".

Das war vor dem Gutachten. Doch jetzt hat die Hoffnung einen herben Dämpfer erhalten. Bei einer eingehenden Prüfung sei "Fäulbildung in den Wurzelbereichen" festgestellt worden, teilte die Bahn auf Anfrage des hr mit. Obwohl der Baum vor allem in seinen jüngeren Trieben noch vital sei, äußerten die Gutachter demnach Bedenken hinsichtlich einer Verpflanzung: Die Ulme würde den Umzug wahrscheinlich nicht überleben.

Bahn denkt über Plan B nach

Eine abschließende Entscheidung über den Umgang mit dem Baum sei noch nicht gefallen, sagte eine Bahnsprecherin. Da die Bahn allerdings schon laut über einen Plan B nachdenkt, ist davon auszugehen, dass das Unternehmen eine Fällung zumindest in Betracht zieht.

450 Jahre alte Ulme bei Pfungstadt
450 Jahre alte Ulme bei Pfungstadt Bild © Julian Moering (hr)

Die Bahn prüft nach eigenen Angaben derzeit, ob mit Stecklingen in der näheren Umgebung Ableger der "Reest" gezogen werden könnten. "Auf diese Weise könnte das genetische Material erhalten bleiben", so die Sprecherin.

Die Vorstellung, dass sich demnächst die Pfungstädterinnen und Pfungstädter um die Aufzucht der Kinder ihrer geliebten "Reest" kümmern, klingt zumindest charmant. Ein Ersatz für den Verlust des Baum-Riesen wäre diese Lösung allerdings nicht. Es ginge ein ganz besonderer Platz in Pfungstadt verloren.

Ereignisreiches Leben

Die betagte Ulme steht nur einen Steinwurf von der A67 entfernt, umgeben von grünen Wiesen und einem eigens angelegten Feuchtbiotop. Ihr zu Füßen liegt eine kleine Bank mit Tisch, die von den Pfungstädtern gerne als Platz zum Rasten und Verweilen genutzt wird. Ein wahre Natur-Idylle.

Die "Reest" hat in ihrem langen Leben schon viel mitgemacht. Als einziger Baum überstand sie 1850 eine großflächige Rodung. An Karfreitag 1952 soll ein Junge aus dem Ortsteil Hahn in dem hohlen Stamm der Ulme ein Feuer gelegt haben, wie man sich im Ort erzählt. Die Öffnung wurde daraufhin zugemauert, um Fäulnis zu verhindern.

Erst jüngst wurde die Mauer wieder entfernt. 1994 büßte die Ulme durch eine Windhose ihre großen Leitäste ein. Jetzt droht ihr ein Schnellzug endgültig zum Verhängnis zu werden.

Weitere Informationen

Sendung: hr1, 3.7.2024, 12.30 Uhr

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Quelle: hessenschau.de