Protest gegen steigende Kosten 60 Pferde bei Demo in Kasseler Innenstadt
Gegen steigende Preise für Heu, Stroh und Tierarzt haben Tierhalter in Kassel hoch zu Ross protestiert. Tierschützer bewerteten die Aktion im Vorfeld kritisch.
Unter dem Motto "Pferdehaltung muss bezahlbar bleiben" sind am Samstag Pferdehalter mit rund 60 Pferden durch die Kasseler Innenstadt geritten. Dazu haben 200 Menschen zu Fuß demonstriert. Die Veranstalter sprachen von rund 100 Pferden und 250 Teilnehmenden.
Vom Messeplatz sind die Demonstrierenden auf einem neun Kilometer langen Rundkurs durch die Innenstadt gezogen. Laut Polizei gab es keine Zwischenfälle.
Grund für den Protest sind steigenden Kosten für die Landwirte. Diese haben, wie Demo-Anmelder Tobias Kallenbach dem hr vorab sagte, auch Auswirkungen auf Pferdebesitzer wie ihn. Die Landwirte müssten ihre Preissteigerungen an Tierhalter weitergeben.
Kallenbach kommt aus Hofgeismar (Kassel) und hat unter anderem bei Whatsapp und in seiner Facebook-Gruppe "Gemeinsam sind wir stark" zu der Kundgebung aufgerufen. Dort äußerte er neben Solidarität mit den jüngsten Bauernprotesten Kritik an der Bundesregierung und an den Medien.
Protest vor HNA-Verlagshaus
Anfang Februar protestierte Kallenbach mit weiteren Demonstranten vor dem HNA-Verlagshaus in der Frankfurter Straße in Kassel. Die Zeitung hatte im Zusammenhang mit den Bauernprotesten Ende Januar in Kassel über ein Fahrzeug berichtet: Es sei mit einer US-Südstaatenflagge geschmückt, dazu ende das Nummernschild mit der Zahl "88". Das eine könnte auf ein rassistisches Weltbild in den früheren Sklavenhalterstaaten verweisen, das andere ist unter Neonazis eine Chiffre für "Heil Hitler".
Christopher Vogel vom Mobilen Beratungsteam gegen Rassismus und Rechtsextremismus wies gegenüber der HNA auf die Gefahr hin, "dass Reichsbürger, Querdenker und AfDler den Protest als Trittbrettfahrer kapern". Kallenbach outete sich nach dem Bericht als Fahrzeughalter und bemängelte, dass die Zeitung ihn nicht kontaktiert habe.
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Auf Nachfrage des hr sagte Kallenbach, sein Nummernschild zeige seine Initialen und die 88 - als Abkürzung für sein Geburtsjahr 1988. Die Flagge der Südstaaten sei bei Western-Reitern verbreitet, für ihn stehe sie für die Geschichte der US-Cowboys. Er habe keine rechtsextreme Gesinnung, beteuert Kallenbach. Er sei zwar unzufrieden mit der Arbeit der Bundesregierung, verorte sich aber auf dem Boden der demokratischen Grundordnung.
Die Demo am Samstag hatte Kallenbach als Pferdehalter angemeldet. Die Preise für Heu, Stroh und Unterbringung seien gestiegen. Dazu habe er seit der Gebührenerhöhung für Tierärzte (GOT) "um fast 100 Prozent gestiegene Tierarztkosten", sagt er.
Appell der Stadt an Autofahrer
Vor Beginn des Demozuges würden alle Pferde von einem Tierarzt begutachtet, versicherte Kallenbach vorher. So wolle man vermeiden, dass nervöse oder ungeeignete Tiere dabei seien.
Die Stadt gab die Versammlung am Freitag bekannt und kündigte erhebliche Verkehrsbehinderungen und Einschränkungen im Bus- und Straßenbahnverkehr an. Ordnungsdezernent Heiko Lehmkuhl forderte vor allem Autofahrer zur Rücksichtnahme auf. Es handele sich bei Pferden um "schrecksensible Tiere", daher sollten durch die Demo ausgebremste Autofahrer möglichst nicht hupen.
Tierschutzbeauftragte: Veranstaltung kann funktionieren
"Wenn Pferd und Reiter erfahren und ruhig sind, kann so eine Veranstaltung funktionieren", sagte Madeleine Martin, die Tierschutzbeauftrage des Landes Hessen. Sie wies aber auch auf Risiken hin. Die Tiere reagierten auf unbekannte Dinge mit Flucht, "das macht jede Veranstaltung mit Pferden gefährlich".
Die Tierschutzbeauftragte bat ebenfalls andere Verkehrsteilnehmer um Rücksicht, auch Fußgänger: "Keine ruckartigen Bewegungen, Hunde an die Leine nehmen, und Autofahrer sollten nicht hupen." Zudem könnten Liegeräder und andere ungewöhnliche Fortbewegungsmittel den Tieren Angst machen.
Tierschutzbund sieht Risiko
Eine Sprecherin des Deutschen Tierschutzbunds bewertete die Pferdedemo kritisch. Ihr Verein vertrete grundsätzlich die Meinung, dass "Tiere zu Demonstrationszwecken nicht mitgeführt werden sollten". Grund dafür sei eben, dass eine ungewohnte Umgebung und Geräusche Panik bei den Tieren auslösen könnten.
Im schlimmsten Fall reiße ein einzelnes panisches Tier die anderen Pferde in der Gruppe mit. Darin liege "ein Risiko für Passanten, den Verkehr, aber auch für die Reiterinnen und Reiter", so die Sprecherin. Zudem könnten sich Pferde verletzen, sollten sie scheuen und beispielsweise mit einem Auto zusammenstoßen.
Pferdeäpfel werden aufgekehrt
Über die Pferdeäpfel, die auf der Strecke zurückblieben, sagte Kallenbach: "Ich hätte sie am liebsten liegen gelassen." Es sei aber eine Auflage der Stadt, die Hinterlassenschaften der Tiere nach der Demo zu entfernen.
Und so sollte eine eigens organisierte Kehrmaschine hinter dem Demozug herfahren und allen Mist einsammeln.
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 17.02.2024, 19.30 Uhr
Redaktion: Stefanie Küster