Starkregen, Hagel, Sturm Fast 1.700 Einsätze wegen des Unwetters in Hessen
Feuerwehrleute und Hilfskräfte waren nach dem schweren Unwetter im Dauereinsatz. Fast 1.700 Mal mussten sie in Hessen ausrücken. Im Regional- und Fernverkehr der Bahn kam es auch am Tag danach zu erheblichen Problemen.
Bei dem schweren Unwetter in Hessen sind Feuerwehren und Hilfsorganisationen zu insgesamt 1.686 Einsätzen ausgerückt. Die meisten gab es in der Stadt und im Landkreis Kassel, wie das Innenministerium am Freitagnachmittag mitteilte. Dort kam es seit Donnerstag (22.06.2023) zu insgesamt 792 Unwettereinsätzen.
Die Feuerwehren waren landesweit am Donnerstag und in der Nacht auf Freitag vor allem aufgrund umgestürzter Bäume sowie abgedeckter Dächer im Einsatz. In Nordhessen liefen den Angaben zufolge wegen Starkregens auch zahlreiche Keller voll.
Störungen im Bahnverkehr
Die Auswirkungen des Unwetters mit orkanartigen Böen, Regen und Hagel waren am Freitag immer noch deutlich zu spüren, vor allem in Nordhessen. Es gab erhebliche Beeinträchtigungen im Bahnverkehr, die zum größten Teil erst am Abend behoben waren. Verspätungen waren aber weiterhin nicht ausgeschlossen.
Die ICE-Strecke zwischen Kassel-Wilhelmshöhe und Göttingen war am Freitagmittag wieder frei, wie eine Bahnsprecherin sagte. Die Strecke war nach dem Unwetter komplett gesperrt gewesen. Zwischen dem Kasseler Hauptbahnhof und Göttingen war die Strecke bis Staufenberg-Speele (Niedersachsen) dagegen bis zum Abend gesperrt, am Samstag konnte sie wieder befahren werden.
Auch die Strecke Fulda-Bebra wurde am Freitagabend wieder freigegeben. ICE-Züge zwischen Kiel/Hamburg und Stuttgart/Basel konnten zwischen Kassel-Wilhelmshöhe und Frankfurt wieder wie gewohnt verkehren. Der Halt in Fulda war am Freitag zunächst entfallen.
NVV: Hangrutsch, gesperrte Strecken und Verspätungen
Von größeren Auswirkungen auf den Öffentlichen Personennahverkehr hatte der Nordhessische Verkehrsverbund NVV berichtet. Im Fuldatal kam es zu Verspätungen und Zugausfällen, wie ein Sprecher am Freitagmittag mitteilte. Dort liefen auch am Abend noch Entstörungsarbeiten an der Bahnstrecke zwischen Melsungen und Körle. Am Samstag fuhren die Züge wieder weitgehend nach Plan.
Bei den RegioTramlinien zwischen Kassel und Hofgeismar, Kassel und Wolfhagen sowie Kassel und Melsungen gab es noch mögliche Fahrplanabweichungen. Der Busverkehr im NVV-Gebiet verlief den Angaben zufolge am Freitag weitgehend planmäßig. Im Schwalm-Eder-Kreis habe es allerdings einen Hangrutsch zwischen Homberg und Malsfeld gegeben, die sich auch auf den Busverkehr auswirkten.
Im Rhein-Main-Verkehrsverbund RMV kam es auf mehreren S-Bahn- und Regionalbahn-Linien zu Ausfällen und Verspätungen. Bis zum Freitagabend gab es Ausfälle und Verspätungen auf den Linien S1, S2, RB10, RE20, RB21, RB22 wegen verschiedener Unwetterschäden. Reisende wurden gebeten, sich vor der Fahrt über ihre Verbindungen zu informieren.
Warnsystem rund um Kassel ausgelöst
Das Unwetter war von Donnerstagnachmittag an über Hessen gezogen und hatte insbesondere Stadt und Kreis Kassel getroffen. Gegen 16.30 Uhr wurde es an diesem schwül-heißen Sommertag plötzlich dunkel, orkanartige Böen, Regen und Hagel peitschten über Straßen, Grünanlagen und Häuser.
Das erst im Dezember bundesweit getestete Warnsystem Cell Broadcast löste Alarm auf den Handys vieler Menschen aus.
In Nordhessen prasselten erhebliche Regenmengen vom Himmel. Nach Messungen des Deutschen Wetterdienstes war die Niederschlagsmenge in Wolfhagen (Kassel) am höchsten. Dort fielen 62 Liter Regen pro Quadratmeter, ebenso in Battenberg (Waldeck-Frankenberg). In Wesertal (Kassel) waren es 58 Liter pro Quadratmeter.
Passagiere übernachten in Zügen
"Das Unwetter hatte eine große Wucht und dementsprechend sind auch die Folgen", sagte Kassels Oberbürgermeister Christian Geselle (parteilos) am Donnerstagabend.
Binnen Minuten wurden Äste von Bäumen abgeknickt und sogar Bäume entwurzelt. Dächer wurden abgedeckt, Scheiben gingen zu Bruch, Keller liefen voll. Autos konnten wegen überfluteter Straßen nicht weiterfahren, Busse und Straßenbahnen stellten vorübergehend den Verkehr ein - auch Regional- und Fernbahnstrecken wurden gesperrt.
Am ICE-Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe regnete es durch das Dach auf Gleise und Bahnsteige. Für gestrandete Reisende stellte die Bahn in Kassel Aufenthaltszüge zur Verfügung. Draußen vor dem Bahnhof stand manchen das Wasser bis zu den Knien. Auch am Hauptbahnhof in Frankfurt wurden nach Angaben einer Bahnsprecherin Züge zur Übernachtung für gestrandete Passagiere bereitgestellt.
Ministerpräsident dankt Einsatzkräften
Hessens Ministerpräsident Boris Rhein und Innenminister Peter Beuth (beide CDU) dankten am Freitag den tausenden Einsatzkräften, die sich um die Beseitigung der Unwetterschäden kümmerten.
"Wir sind heute einfach nur froh, dass bei den Unwettern offenbar kein Mensch in Hessen lebensgefährlich zu Schaden gekommen ist", so Rhein und Beuth.
Mehrere Schulen und Sportanlagen in Kassel bleiben geschlossen
Einige Schulen in Kassel bleiben wegen der Unwetterschäden noch bis auf Weiteres geschlossen, teilte die Stadt am Freitagnachmittag mit. Es handele sich dabei um die Friedrich-Wöhler-Schule, die Reuterschule und die Henschelschule. Betroffen sei auch die Kindertagesstätte Fasanenhof.
Als Verantwortlicher für den Katastrophenschutz hatte Oberbürgermeister Geselle am Donnerstag angeordnet, dass sämtliche Schulen am Freitag in Kassel geschlossen blieben.
Auch das Freibad Harleshausen und der Außenbereich des Auebads bleiben vorerst zu, wie die Stadt ankündigte. Alle städtischen Sportanlagen stünden unter Wasser und seien daher am gesamten Wochenende nicht nutzbar.
Mehr als 161 Feuerwehreinsätze in Waldeck-Frankenberg
Bis Freitagmorgen verzeichnete die Leitstelle des Landkreises Waldeck-Frankenberg 161 Feuerwehreinsätze. Die gemeldeten Einsätze umfassten laut Leitstelle hauptsächlich umgestürzte Bäume, Erdrutsche, Schäden durch Hagelschlag, heruntergefallene Dachziegeln und vollgelaufene Keller. Auch am Freitag seien viele weitere Einsätze dazugekommen.
Besonders heftig traf das Unwetter im Landkreis Waldeck-Frankenberg die Orte Waldeck und Sachsenhausen, wo vor allem Dachschäden zu verzeichnen waren.
Erdrutsch im Schwalm-Eder-Kreis
Im nordhessischen Schwalm-Eder-Kreis berichtete die Polizei am Freitagmorgen von umgestürzten Bäumen, herumliegenden Ästen, Überschwemmungen durch schlagartig einsetzende Regenfälle sowie von herumfliegenden Gegenständen.
Es sei zu kurzfristigen Behinderungen im Straßenverkehr, aber auch zu länger anhaltenden Straßensperrungen gekommen, hieß es in einer Mitteilung. Zwischen Lengemannsau und Homberg kam es demnach zu einem Erdrutsch, der zu einer länger andauernden Straßensperrung führte. Im Bereich Melsungen wurden mindestens drei Fahrzeuge durch herabfallende Äste beziehungsweise umgeknickte Bäume beschädigt.
Annullierungen am Frankfurter Flughafen
Im Rhein-Main-Gebiet wurde die Bahnstrecke Frankfurt-Mainz-Wiesbaden vorübergehend gesperrt. Am Frankfurter Flughafen gab es Annullierungen, laut Internetseite des Airports aber hauptsächlich bei den Ankünften.
Die Hessische Luftaufsicht teilte mit, dass am Flughafen in Folge des Unwetters insgesamt 27 Flugzeuge ausnahmsweise nach 23 Uhr starten oder landen durften. Normalerweise gilt dort ein Nachtflugverbot.
Tornado-Verdacht in Hattersheim und Waldeck
In Hattersheim (Main-Taunus) gab es knapp 100 Einsätze der Feuerwehr. Durch das Unwetter waren am Donnerstagabend zahlreiche Bäume auf Häuser und Autos gestürzt, wie die Feuerwehr mitteilte. Der Deutsche Wetterdienst prüft anhand von Radarbildern, ob sich dort möglicherweise ein Tornado gebildet hatte - ebenso im nordhessischen Waldeck.
Auch Polizei und Feuerwehr in Frankfurt, Wiesbaden, Gießen und Offenbach berichteten von zahlreichen Unwettereinsätzen. Es seien wegen des Windes Bäume umgestürzt und Äste abgebrochen. Außerdem seien Keller und Unterführungen vollgelaufen.
Versicherung: 25 Millionen Euro an Schäden
Die Wiesbadener R+V Versicherung ging am Freitag in einer ersten Schätzung von rund 25 Millionen Euro an Schäden aus, die das Sturmtief in Deutschland angerichtet hat. Dabei handele es sich zumeist um kleinere Schäden an Häusern und Fahrzeugen.
Die meisten Meldungen seien aus Nordhessen, dem südlichen Niedersachsen und Teilen von Nordrhein-Westfalen gekommen.
Bei finanziellen Schäden durch Starkregen, Hochwasser, Erdbeben, Erdrutsch oder Schneedruck springt die Elementarschadenversicherung ein. Eine solche Versicherung hat laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft bislang jedoch nur knapp die Hälfte der hessischen Immobilienbesitzer abgeschlossen.
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau extra, 23.06.2023, 20.15 Uhr
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