"Neubau völlig irrational" Protest gegen Abriss: Aktivisten besetzen alte Druckerei in Frankfurt
Der 150 Jahre alte Backsteinbau einer früheren Druckerei in Frankfurt soll für einen Neubau abgerissen werden. Dagegen engagieren sich mehrere Initiativen - auch mit Verweis auf die Klimakrise. Eine Gruppe von Aktivisten besetzte das Gebäude jetzt.
"Wir fordern die Erhaltung der Dondorf-Druckerei": An der Fassade des rund 150 Jahre alten Backsteingebäudes im Frankfurter Stadtteil Bockenheim hängten Aktivistinnen und Aktivisten am Samstagnachmittag ein Banner auf. Die Gruppe, die sich schlicht "Die Druckerei" nennt, will sich mit dem geplanten Abriss der alten Dondorf'schen Druckerei nicht abfinden und besetzte das Gebäude kurzerhand. Sie fordert, die ehemalige Druckerei in ein selbstverwaltetes kulturelles Zentrum umzuwandeln.
Wie viele Mitglieder die Gruppe hat, ist unklar. Anhänger hat sie offensichtlich aber viele, denn vor und in dem besetzten Gebäude war am Samstag jede Menge los: Livemusik, Kunstausstellungen, Getränkestände. Mehrere hundert Besucherinnen und Besucher kamen.
Die Polizei Frankfurt war vor Ort, sah am Samstag aber keinen Handlungsbedarf. Man werde die Aktion weiter beobachten, erklärte ein Polizeisprecher. Die Frankfurter Goethe-Universität, deren Institut für Kunstpädagogik das Gebäude zuletzt genutzt hatte, stellte bislang laut Polizei noch keine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs.
Max-Planck-Institut: Altbau nicht geeignet
Künftig soll auf dem Gelände das Institut für empirische Ästhetik des Max-Planck-Instituts entstehen - in einem Neubau.
Die "für eine Arbeitsstätte geltenden Anforderungen an Statik, Barrierefreiheit, Brandschutz, Schallschutz und Schadstofffreiheit" seien mit dem Altbau nicht umzusetzen und auch nicht zu finanzieren gewesen, hatte das Max-Planck-Institut Anfang des Jahres nach mehreren Gutachten erklärt - und sich für einen Architektenentwurf entschieden, der den Abriss des historischen Gebäudes vorsieht.
"Schweren Herzens", wie das Institut betonte - und in Absprache mit der Stadt und dem Denkmalschutz. Die Fassade des Neubaus werde sich stark an das historische Vorbild anlehnen, versicherte das Institut.
Mehrere Initiativen kritisieren Abriss
Das sei "aus ökologischer Perspektive völlig irrational", erklärten die Hausbesetzer. Schätzungen der Initiative "Architects for Future", die sich für einen nachhaltigen Wandel in der Baubranche einsetzt, hätten ergeben, dass Abriss und Neubau des Backsteinbaus einen CO2-Ausstoß von "deutlich über einer Million Kilogramm" verursachen würden. Die Besetzerinnen und Besetzer starteten eine Online-Petition für den Erhalt des Gebäudes. Auch die die Klimaaktivisten von "Fridays for Future" erklärten sich am Samstag auf Twitter solidarisch mit der Aktion der Hausbesetzer.
In dem Stadtteil, in dem der Kulturcampus mit Musikhochschule, verschiedenen wissenschaftlichen und kulturellen Einrichtungen, aber auch Wohnungen entstehen soll, engagiert sich seit längerem bereits die Initiative "Dondorf-Druckerei" für den Erhalt des nicht denkmalgeschützten Industriebaus. Der Bund Deutscher Architekten (BDA) Frankfurt hatte ebenfalls vor wenigen Tagen den Erhalt gefordert: "Die Dondorf'sche Druckerei sollte als Pilotprojekt des geforderten substanziellen 'Umdenkens im Bausektor' erhalten bleiben, anstatt sie als mahnende Hülle einer überholten Planungskultur zu rekonstruieren."
"Auch ein Mahnmal der NS-Geschichte"
Die Druckerei gehörte ursprünglich der jüdischen Familie Dondorf, deren Mitglieder in der NS-Zeit verfolgt wurden. Die Familie verkaufte die Druckerei, zeitweise wurde hier später das nationalsozialistische Volksblatt gedruckt.
Das Gebäude sei somit auch ein "Mahnmal der NS-Geschichte", erklärten die Hausbesetzer. "Bei dem Erhalt dieses Gebäudes geht es auch um das Gedenken an die Verfolgung der jüdischen Familie Dondorf durch die Nazis." Die Stadt Frankfurt und das Land Hessen stünden in der Verantwortung, "eine Erinnerungskultur in der Praxis zu ermöglichen."
Sendung: hr-iNFO, 24.06.2023, 21 Uhr
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