Mit Auto in Schülergruppe aus Bad Arolsen gefahren Amokfahrer von Berlin wird in forensischer Psychiatrie untergebracht

Im Juni 2022 war ein Mann in Berlin mit seinem Auto in eine Schülergruppe aus Bad Arolsen gerast. Eine Lehrerin kam ums Leben. Ein Gericht hat nun entschieden, dass der Amokfahrer dauerhaft in einer Klinik untergebracht wird.

Passanten gehen auf einer belebten Straße an Blumen vorbei, die an einem Ampelmast niedergelegt wurden.
Blumen liegen im Juni 2022 am Tatort der Todesfahrt in Berlin. Bild © picture-alliance/dpa (Archiv)
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Amokfahrer von Berlin kommt in forensische Psychiatrie

hessenschau vom 21.04.2023
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Der Mann, der im Juni 2022 mit einem Auto in eine Menschengruppe am Berliner Kurfürstendamm gefahren ist, wird dauerhaft in einer forensischen Psychiatrie untergebracht. Das hat das Landgericht Berlin am Freitag in einem sogenannten Sicherungsverfahren entschieden. Zudem verhängte das Gericht eine lebenslange Führerscheinsperre gegen den 30-Jährigen.

Das Gericht folgte damit dem Antrag von Staatsanwaltschaft und Nebenklage. Es wertete die Tat als Mord sowie Mordversuch in 16 Fällen. Die Unterbringung sei zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich.

Bei dem 30-Jährigen handele es sich um einen schwerkranken Mann, dessen Zerfall voranschreite, sagte der Vorsitzende Richter Thomas Groß. Der Fahrer ist laut einem Gutachten an einer chronischen paranoiden Schizophrenie erkrankt und war bei der Tat daher schuldunfähig.

Richter spricht von "albtraumhafter Tragödie"

Zurück bleibt die Frage nach dem Warum für diese "albtraumhafte Tragödie", wie Richter Groß die Tat bei der Urteilsverkündung nannte. Die Hoffnung der Opfer, auf diese Frage eine Antwort zu bekommen, blieb unerfüllt.

Sicher ist laut Gericht: Zum Tatzeitpunkt befand sich der Fahrer in einem psychotischen Zustand, weil er die ihm verordneten Medikamente abgesetzt hatte. Ein paar Tage habe er nicht unter der Aufsicht von Mutter und Schwester gestanden, die sich aufopfernd um ihn gekümmert hätten, so der Richter.

Schülerinnen und Schüler als Nebenkläger

Besonders betroffen von der Todesfahrt war eine Schulklasse aus Bad Arolsen (Waldeck-Frankenberg). Eine 51 Jahre alte Lehrerin starb noch am Tatort, ihr damals 53 Jahre alter Kollege sowie elf Schülerinnen und Schüler wurden verletzt.

Zu den weiteren Betroffenen gehörte auch eine 14-Jährige. Weitere Opfer waren eine schwangere Frau sowie zwei 29 und 31 Jahre alte Männer. Das Gericht ging vom Mordmerkmal der Gemeingefährlichkeit aus.

Viele der Opfer traten im Prozess als Nebenkläger auf. Während der rund dreimonatigen Verhandlung verfolgten jedoch lediglich ihre Anwälte das Geschehen.

Richter Groß hatte zum Prozessauftakt erklärt, es bestehe die Gefahr einer Retraumatisierung durch das Verfahren. Den Jugendlichen wurde eine zusätzliche psychische Belastung durch eine weitere Zeugenvernehmung erspart. Um ihre Erlebnisse gleichwohl im Prozess zu berücksichtigen, wurden frühere Aussagen verlesen.

Bei der Urteilsverkündung nannte Richter Groß die Namen der Opfer und ihre jeweiligen Verletzungen. "Wir hoffen, dass es möglichst vielen Betroffenen gelingt, abschließen zu können", sagte er. Ihn selbst habe in seiner etwa 30-jährigen Berufstätigkeit bislang kein Verfahren derart emotional berührt.

Verständnis in Bad Arolsen für das Urteil

Der Bürgermeister von Bad Arolsen, Marko Lambion (unabhängig), äußerte am Freitagnachmittag Verständnis über die Entscheidung des Gerichts, den Täter nicht zu verurteilen, sondern in einer forensischen Klinik unterzubringen. "Es gibt keinen Zweifel daran, dass diese Tat als Mord und versuchter Mord bewertet wird", sagte er dem hr. "Ich hoffe, dass der heutige Tag einen Mosaikstein bilden kann, um das Erlebte zu bewältigen."

Ähnlich äußerte sich der Schulleiter der Kaulbachschule in Bad Arolsen, Axel Wölker: "Wir müssen als Gesellschaft mit dieser Entscheidung leben." Er bedankte sich für die "große Unterstützung", die die Schule und die Betroffenen von allen Seiten erhalten hätten.

Beschuldigter schwieg im Prozess

Der Beschuldigte hatte im Prozess geschwiegen. Sein Verteidiger C. Mark Höfler erklärte nach dem Urteil, man könne den behandelnden Ärzten, Gutachtern, dem Betreuer seines Mandanten keine Vorwürfe machen. "Sie haben das Beste gegeben - es war nicht vorhersehbar, es ist wie aus dem Nichts entstanden." Er gehe davon aus, dass das Urteil rechtskräftig werde.

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Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 21.04.2023, 19.30 Uhr

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Quelle: hessenschau.de, dpa/lhe