Nach dem Anschlag in Hanau: +++ Bouffier verspricht schnelle Hilfe für Hinterbliebene +++ "Wochen gegen Rassismus" starten früher +++ Spendensammlungen für Hinterbliebene
Ein Rassist hat in Hanau zehn Menschen ermordet und mehrere verletzt. Wir berichten im Ticker über die Ereignisse, Ermittlungen und Reaktionen.
+++ Bouffier will schnelle Hilfe für Hinterbliebene +++
Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) hat den Angehörigen der Hanauer Mordopfer schnelle Hilfe versprochen. Bouffier sagte zum Auftakt eines Gesprächs mit Vertretern von Hanauer Opferverbänden, man wolle den Familien sehr konkret und unbürokratisch helfen. Dabei gehe es um finanzielle Unterstützung, aber auch beispielsweise um Beratung für eine Traumabehandlung.
Bouffier sagte, wenn ein Ernährer ums Leben gekommen sei, wisse seine Familie nicht, wie sie die Miete noch bezahlen könne. Wichtig seien aber auch Maßnahmen für mehr Sicherheit, beispielsweise mehr Polizeipräsenz an Versammlungsorten.
+++ Hanau verlegt "Internationale Wochen gegen Rassismus" vor +++
Die Stadt Hanau hat den Start der "Internationalen Wochen gegen Rassismus" vorverlegt. Wie am Donnerstag mitgeteilt wurden, solle die Veranstaltungsreihe bereits am kommenden Montag, 9. März, mit der Ausstellung "Kinder im KZ-Theresienstadt, Zeichnungen, Bilder, Texte" im Kulturforum eröffnet werden - eine Woche früher als ursprünglich geplant. Auf dem Programm der mittlerweile zehnten Ausgabe der "Internationalen Wochen gegen Rassismus" stehen unter anderem Konzerte, Vorträge, Filme, Ausstellungen, Poetry Slam, Lesungen, Diskussionen, Theater, Gedenkveranstaltungen, Workshops und Kunstaktionen. An den Veranstaltungen beteiligen sich mehr als 30 Organisationen, Vereine, Verbände, Gruppen und Einzelpersonen..
+++ Spendensammlungen für Betroffene und Hinterbliebene +++
Für die Betroffenen und Hinterbliebenen des Anschlags von Hanau laufen derzeit verschiedene Spendensammlungen. Neben der Stadt Hanau und der Hilfsorganisation Weißer Ring ruft auch ein Zusammenschluss mehrerer antirassitischer Initiativen - darunter die Bildungsstätte Anne Frank und der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma - zu Spenden auf.
Auf der Internetseite der Opferbeauftragten der Bundesregierung gibt es eine Übersicht der bestehenden Spendenkonten.
+++ Heute Treffen von Bouffier mit Opferverbänden +++
Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) will am heutigen Donnerstag ab 15.30 Uhr mit Vertretern der Hanauer Opferverbände über Konsequenzen aus dem Anschlag sprechen. An dem Treffen in der Wiesbadener Staatskanzlei nehmen auch der Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) sowie weitere Mitglieder der Landesregierung teil.
MELDUNGEN VOM MITTWOCH, 4. MÄRZ
+++ 2.000 Menschen auf Plätzen in Hanau +++
Auf dem Hanauer Markt- und Freiheitsplatz versammelten sich laut Polizei insgesamt rund 2.000 Menschen, um der Liveübertragung der Trauerfeier beizuwohnen. Die Menschen hätten das Geschehen auf der Leinwand ruhig und andächtig verfolgt, berichteten hr-Kollegen, die vor Ort waren. Viele hatten Tränen in den Augen.
+++ Familien legen Rosen nieder +++
Im Anschluss an die Reden bei der Trauerfeier legten die Familien der Opfer, begleitet von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzlerin Angela Merkel, Ministerpräsident Volker Bouffier und anderen Politikern, weiße Rosen auf der Bühne im Congress Park nieder.
+++ Saida Hashemi: "Die Welt stand still" +++
"Am 19. Februar 2020 schien die Welt in Hanau still zu stehen", sagte Saida Hashemi, deren Bruder Said Nesar Hashemi unter den Opfern des rassistischen Anschlags war. Hanau habe Menschen verloren, die dort geboren wurden und aufgewachsen sind. "Viele sahen in Hanau ihre Heimat. Die Opfer waren keine Fremden. Mein Bruder war stolz, ein Hanauer zu sein."
Die Tat ändere nichts daran, wer wir sind und woran wir glauben, sagte Saida Hashemi. "Das ist nicht der erste Anschlag in Deutschland, aber wir hoffen und beten, dass es der letzte war."
+++ Steinmeier fordert zu mehr Engagement gegen Hetze auf +++
Bei der zentralen Trauerfeier für die Opfer des rassistischen Anschlags von Hanau hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu mehr Engagement gegen Hass und Hetze aufgerufen. Die große Mehrheit der Menschen in Deutschland sei gegen Ausgrenzung und Ressentiments, sagte Steinmeier. "Aber es reicht nicht, zu wissen, dass man in der Mehrheit ist.“
Die Tat von Hanau nannte der Bundespräsident ein "terroristisches Verbrechen", einen "brutalen Akt mörderischer Gewalt". Jeder Mensch, der in unserem gemeinsamen Land lebt, müsse in Sicherheit und Frieden leben können, sagte Steinmeier. Der Staat habe die Pflicht, dieses Recht zu schützen. "Wir sind alle gefordert, zusammenzustehen gegen Hass und Hetze, gegen Terror und Gewalt", appellierte Steinmeier.
Die Tat in Hanau habe eine Vorgeschichte der "Ausgrenzung und Diskriminierung von Menschen mit Migrationsgeschichte". Hetzer inner- und außerhalb von sozialen Netzwerken agierten immer schamloser und offener. "Es ist dieses Klima, in dem Terroristen zur Waffe greifen und sich gerechtfertigt fühlen zu morden", sagte Steinmeier im Congress Park.
+++ Ajla Kurtović: "Ich empfinde keinen Hass" ++
Ajla Kurtović, die Schwester eines der Opfer, sagte: "Ich empfinde keinen Hass. Ich möchte deutlich machen, dass Hass den Täter zu seiner rassistischen Tat getrieben hat. Davon möchte ich mich abgrenzen." Nach dem Tod ihres Bruders bleibe eine "unfassbare Leere", der Schmerz ihrer Familie sei groß.
Sie sei fassungslos, dass Hass in der Gesellschaft einen so großen Raum einnehme. Sie forderte die Politik unter Tränen auf, die Tat vollständig aufzuklären, damit sie sich nicht wiederholen könne. Dies sei das Mindeste, was man tun könne.
+++ Bouffier: "Fassungslos und traurig" +++
Auch Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) sprach bei der Trauerfeier im Congress Park. Es mache ihn immer noch "fassungslos und traurig", was geschehen sei. "Die Opfer sind jäh aus ihrem Leben gerissen worden. Und ich weiß: Für ihre Familien wird es niemals mehr so sein wie zuvor."
Die Angst dürfe nicht die letzte Antwort auf Rassismus sein. "Wir müssen verhindern, dass solche Menschen in den Besitz von Waffen kommen. Der Schock und die Trauer erfordern von uns allen Entschlossenheit und vor allem dauerhaftes Handeln", sagte Bouffier.
Die Tat sei nicht fremdenfeindlich gewesen, betonte der Ministerpräsident. "Die Opfer waren keine Fremden. Hanau und Hessen waren ihre Heimat. Sie gehörten zu uns. Und deshalb ist die Tat auch ein Anschlag auf unsere freie Gesellschaft. Wir lassen uns nicht spalten und wir stehen zusammen." Rassismus sei ein Gift, das immer öfter offen zu Tage trete. Aus Worten des Hasses entstehe ein Klima des Hasses, in dem der Weg von Worten zu Taten nicht mehr weit sei. "Wir dürfen kein Verständnis zeigen, sondern müssen Rassisten - nicht nur in Hanau, sondern immer - entgegen treten."
+++ Kemal Kocak: "Mein Herz blutet" +++
"Mein Herz blutet", sagte Kemal Kocak vor den rund 650 Versammelten im Congress Park. Bei dem Anschlag habe er enge Freunde verloren. "Stellt euch vor, jemand, der nicht so denkt wie ihr, nimmt das Leben eurer Brüder und Schwestern. Ich verstehe nicht, wie so etwas in unserer Stadt passieren konnte." Seit dem Anschlag habe er Angst, dass seinen Kindern in Hanau etwas zustoßen könnte.
Er führte den Kiosk, in dem in der Tatnacht vier Opfer starben. Kemal Kocak kannte viele der Opfer. Sie kamen regelmäßig in den Kiosk: "Mercedes - sie hatte ein Herz aus Gold. Sie hörte immer laut Musik. Ferhat - ein junger, selbstbewusster Mann. Er konnte keiner Fliege was antun. Said Nesar - er lächelte immer, wenn er herein kam."
+++ OB Kaminsky: "Die Opfer waren keine Fremden" +++
Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) gedachte in seiner Rede den zehn Opfern der Schreckensnacht, auch der Mutter des Attentäters. Die Opfer seien wegen ihres "vermeintlichen Andersseins" getötet worden. Kaminsky stellte jedoch klar: "Die Opfer waren keine Fremden. Die Opfer waren Mitbürgerinnen und Mitbürger unserer Stadt, unserer Region, unseres Landes."
Hanau habe eine jahrhundertelange Tradition des Zusammenlebens der unterschiedlichsten Menschen. "Hanau ist vielfältig. Wir glauben unterschiedlich, wir leben unterschiedlich, wir sprechen auch unterschiedlich, aber uns eint der Respekt vor den Mitmenschen, die Nächstenliebe, die Toleranz und die unerschütterliche Freude am Leben."
Den Angehörigen versprach der Oberbürgermeister, dass die Namen der Opfer "unauslöschbar zum kollektiven Gedächtnis unserer Stadt gehören" werden. Die Stadt werde allen Opfern posthum die goldene Ehrenplakette verleihen. "Sie sind nicht allein und Hanau wird Sie niemals allein lassen", sagte Kaminsky zu den Familien und Freunden der Opfer.
+++ Trauerfeier hat begonnen +++
Soeben haben die Angehörigen der Opfer sowie ranghohe Politiker den Saal im Congress Park betreten. Die Feier begann mit einem Moment der Stille und einem Auftritt der Sängerin Cassandra Steen.
Auf dem Marktplatz und dem Freiheitsplatz versammelten sich nach Angaben der Polizei zu Beginn der Veranstaltung rund tausend Menschen. Die Trauerfeier wurde begleitet von hohen Sicherheitsmaßnahmen. Bereits am Nachmittag riegelte ein Großaufgebot der Polizei die Innenstadt ab.
+++ Steinmeier, Merkel, Bouffier und Kaminsky eingetroffen +++
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU), Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) und der Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) sind im Congress Park in Hanau eingetroffen. Dort beginnt um 18 Uhr die offizielle Trauerfeier für die Opfer der Anschlags. Die Politiker werden als Paten und Patinnen jeweils einer der trauernden Familien beistehen und den Saal mit ihnen gemeinsam betreten.
+++ DGB fordert Antirassismus-Klausel +++
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) schlägt vor, eine Antirassismus-Klausel in die hessische Verfassung aufzunehmen. Der DGB-Landesvorsitzende Michael Rudolph sagte, es habe schon vor dem Anschlag in Hanau am 19. Februar rassistische Vorfälle gegeben - etwa die Schüsse auf einen Eritreer in Wächtersbach, Waffenfunde bei Razzien oder Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte.
Mit Blick auf die Trauerfeier in Hanau sagte Rudolph: "Heute gilt unser Mitgefühl den Familien der Opfer. Wir schulden ihnen aber auch entschiedenes Handeln." Eine Antirassismus-Klausel würde die Abwehr rassistischen Handelns explizit zum Staatsauftrag machen.
+++ Schwestern von Opfern sprechen bei Trauerfeier +++
Bei der Trauerfeier, die am Mittwoch um 18 Uhr beginnt, sprechen:
- Ajla Kurtović, deren Bruder Hamza Kurtović am 19. Februar erschossen wurde,
- Saida Hashemi, deren Bruder Said Nesar Hashemi ebenfalls unter den Opfern des rassistischen Anschlags war,
- Kemal Kocak, der an dem Abend vor zwei Wochen Freunde verlor,
- Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD),
- Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU),
- Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD).
Die Feier wird auf den Markt- und auf den Freiheitsplatz übertragen. Die Stadt erwartet, dass dort etwa 20.000 Menschen die Trauerfeier mitverfolgen. hessenschau.de und hr-fernsehen übertragen ab 17.15 Uhr live, hr-iNFO ab 18 Uhr.
+++ Kurdische Gemeinde erst nach Protest eingeladen +++
Die Staatskanzlei des Landes und die Stadt Hanau haben die Kurdische Gemeinde Deutschland (KGD) zur zentralen Trauerfeier für die Opfer des rassistischen Anschlags eingeladen - allerdings erst am Dienstag. An dem Tag meldete die KGD, sie sei trotz vorheriger Anfrage nicht eingeladen worden, obwohl vier Opfer kurdischer Herkunft gewesen seien. Zwar habe er nun eine Einladung erhalten und werde ihr auch folgen, sagte der stellvertretende KGD-Vorsitzende Mehmet Tanriverdi dem hr am Mittwoch: "Aber ein gewisser Beigeschmack bleibt. Dass wir vorher nicht eingeladen wurden, zeugt von fehlender kultureller Sensibilität." Tanriverdi vermutet, dass Vertreter des türkischen Staats Einfluss nahmen. Unter den Opfern war auch ein türkischstämmiger Mann.
Staatskanzlei-Chef Michael Bußer sagte auf Nachfrage, die Einladungslisten seien gemeinsam mit der Stadt Hanau nach Rücksprache mit den Opferfamilien erstellt worden. Den meisten Raum unter den 650 geladenen Trauergästen im Congress Centrum habe man den Angehörigen der Opfer einräumen wollen. Man habe nun auch die KGD eingeladen - ebenso Vertreter des Zentralrats der Kurden und des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma.
+++ Kaminsky kündigt Gedenkstätte für Opfer an +++
Die Stadt Hanau werde auf dem Hauptfriedhof eine zentrale Gedenkstätte für die neun Opfer des rassistischen Anschlags vom 19. Februar einrichten, sagte Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) am Mittwoch bei "Koschwitz am Morgen" in hr1. Damit wolle man sicherstellen, "dass diese schreckliche Tat nicht vergessen wird". Die Opfer seien Mitbürger gewesen, nicht wie vom Attentäter behauptet Fremde. "Sie wurden aus unserer Gemeinschaft heraus gerissen", sagte Kaminsky. Hanau werde eine tolerante, weltoffene Stadt bleiben.
+++ Gedenkminute in Penny, Rewe und Nahkauf +++
Eine Minute innehalten im Supermarkt: Die Rewe Group hat alle Hanauer Rewe- und Penny-Märkte sowie den örtlichen Nahkauf-Markt dazu aufgerufen, sich am Mittwoch um 11.50 Uhr an der Gedenkminute für die Opfer des Anschlags von Hanau zu beteiligen.
+++ Deutsche Bank: "Moment der Stille" +++
Der Vorstand der Deutschen Bank hat seine Mitarbeiter dazu aufgerufen, "in einem persönlichen Moment der Stille innezuhalten", um der Opfer des Anschlags von Hanau zu gedenken. "Wo, wann und wie lange dieser Moment ist und ob Sie ihn im Team oder alleine begehen, möchten wir Ihnen überlassen", heißt es in einem Schreiben an die Mitarbeiter der Bank. Vielfalt und Toleranz seien ein zentraler Teil der Unternehmenskultur. "Lassen Sie uns gemeinsam dieses Zeichen setzen - für Toleranz, für eine vielfältige Gesellschaft und für unseren Rechtsstaat."
Die IG Metall Mitte und die Arbeitgeberverbände in Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland haben für Mittwoch, 12 Uhr, zu einer Mahnminute für die Opfer von Hanau aufgerufen. Daran will sich unter anderem die Vacuumschmelze in Hanau beteiligen. Die Gewerkschaft Verdi rief dazu auf, ab 11.50 Uhr sogar für zehn Minuten zu schweigen - je eine Minute für die neun Anschlagsopfer und die getötete Mutter des Täters. Unter anderem die Stadtverwaltungen in Langen, Offenbach und Kassel sowie die Kreisverwaltung des Main-Taunus-Kreises wollen sich daran beteiligen, wie Verdi mitteilte. Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) rief die Mitarbeiter der Stadt sowie alle Bürger und Unternehmen zur Teilnahme an der Schweigeminute auf.
+++ Mehr "Sprachsensibilität" angemahnt +++
Vor der zentralen Trauerfeier für die Opfer des Hanauer Anschlags am Mittwoch hat die Frankfurter Wissenschaftlerin Meltem Kulacatan für mehr sprachliche Sensibilität im Umgang mit den Opfern und ihren Angehörigen plädiert. Der Ausdruck "Fremdenfeindlichkeit" im Zusammenhang mit der rassistischen Gesinnung des Täters sei "ein Schlag ins Gesicht der Angehörigen", sagte sie. "Denn das sind natürlich keine Fremden. Hanau ist ihre Heimat, die Metropolregion Frankfurt ist ihre Heimat." Die Erziehungswissenschaftlerin berichtete auch von dem Empfinden ihrer Gesprächspartner, als "fremd" wahrgenommen zu werden oder zu hören, sie seien ja nicht "von hier". Kulacatan ist Mitglied im Rat für Migration und führt im Rahmen ihrer Arbeit an der Frankfurter Goethe-Universität Interviews mit "herkunftsdiversen" Jugendlichen.
"Wir müssen dringend sprachsensibel miteinander umgehen", sagte Kulacatan. Zwiegespalten fühle sie sich allerdings angesichts von Äußerungen, dass der Anschlag von Hanau ein "Angriff auf uns alle" war, sagte Kulacatan. "Ja, es war ein Angriff auf unser Land, auf die Art, wie wir hier leben wollen - aber eben nicht ein Angriff auf alle Menschen, sondern nur auf ganz bestimmte."
+++ Trauerfeier in Hanau +++
Zwei Wochen nach den Mordanschlägen in Hanau findet dort am Abend um 18 Uhr die zentrale Gedenkfeier für die Opfer statt. Dazu werden im Congress Park Hanau unter anderem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Bundesratspräsident Dietmar Woidke (SPD) und Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) erwartet. Rund 650 geladene Gäste sollen teilnehmen. Ein Großteil der Plätze werde den trauernden Familien zur Verfügung gestellt, erklärte die Stadt. Die Trauerfeier wird außerdem auf zwei Hanauer Plätze übertragen. Die Polizei rechnet mit bis zu 20.000 Menschen. Der hr überträgt ab 17.15 Uhr live im Fernsehen, auf hr-iNFO und auf hessenschau.de.
MELDUNGEN VOM DIENSTAG, 3. MÄRZ
+++ Wegen Coronavirus: Konzert gegen rechts abgesagt +++
Das unter dem Motto "Ich liebe in Hanau" für Samstag geplante Konzert auf der Phillipsruher Allee ist abgesagt worden. Das bestätigte der Main-Kinzig-Kreis dem hr auf Nachfrage. Grund ist das Coronavirus, aktuell gibt es bereits zwölf Fälle in Hessen. Geplant war, dass in Hanau von 13 bis 21 Uhr mehrere Musiker, darunter Samy Deluxe, Afrob und die Söhne Mannheims, auftreten und ein Zeichen gegen Rechtsextremismus setzen. Als neuen Termin nannte die Stadt den 17. Mai. "Wir haben den Termin aufgrund der aktuellen Corona-Situation vorsorglich verschoben", sagte Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD). "Wir können die Dynamik des Themas nicht abschätzen", fügte Stadtentwickler Martin Bieberle hinzu. Deshalb habe man sich vorsorglich dazu entschlossen, das Konzert erst einmal abzusagen. "Zum jetzigen Zeitpunkt haben wir das noch ohne finanziellen Schaden tun können", erklärte Bieberle.
+++ IG Metall ruft zu Mahnminute auf +++
Die Industriegewerkschaft Metall Mitte und die Arbeitgeberverbände in Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland rufen zu einer Mahnminute für die Opfer von Hanau auf. Am Mittwoch um 12 Uhr sollen die rund 400.000 Beschäftigten ihre Arbeit eine Minute lang niederlegen.
Im gemeinsamen Aufruf heißt es unter anderem: "Arbeitgeber und Gewerkschaften treten gemeinsam ein für eine Gesellschaft, in der jegliche Form von politischem Extremismus, Rassismus und Antisemitismus keinen Platz haben. In den Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie in Hessen, Rheinland-Pfalz und im Saarland sind ethnische und kulturelle Vielfalt gelebte Realität."
+++ Seehofer und türkischer Innenminister wollen enge Kooperation +++
Nach dem rassistischen Anschlag von Hanau mit zehn Todesopfern haben Innenminister Horst Seehofer (CSU) und sein türkischer Amtskollege Süleyman Soylu ihren Willen zur Zusammenarbeit bekundet. "Deutschland und die Türkei sind sich einig darin, dass die Saat des Hasses nicht aufgehen darf", heißt es in einer am Dienstagmorgen veröffentlichten gemeinsamen Erklärung.
Das beste Mittel zur Vermeidung einer Konfrontation zwischen Religionen und Weltanschauungen sei eine enge Kooperation. Alle hierfür eingerichteten Kanäle wolle man intensiv nutzen. "Das friedliche Zusammenleben setzt wechselseitige Kenntnis und Wertschätzung voraus." Unter den Opfern waren auch zwei türkische Staatsbürger.
MELDUNGEN VOM SONNTAG, 1. MÄRZ
+++ Samstag Konzert gegen rechts in Hanau +++
Unter dem Motto "Ich liebe in Hanau" wollen am Samstag von 13 bis 22 Uhr Musiker auf der Philippsruher Allee auftreten und der Opfer des Anschlags gedenken. Das Konzert sollte ursprünglich schon am Samstag (29. Februar) auf dem Marktplatz stattfinden, wurde aber aus Sicherheitsgründen verlegt. Veranstaltet wird es von der Hanauer Band Hautevolee, die auf ihrer Facebook-Seite zu dem Konzert gegen rechts schreibt: "Weil Hanau reagieren muss. Weil wir reagieren müssen. Weil wir das große Glück haben, in einer bunten Stadt mit Menschen verschiedenster Wurzeln zu leben."
Auftreten werden unter anderem die Rapper Samy Deluxe & Afrob, die Sängerin Derya Yildirim und die Söhne Mannheims. Deren Sänger Xavier Naidoo ist wegen einiger politischer Äußerungen sowie seiner kontrovers aufgefassten Texte umstritten. Er war 2014 vor dem Bundeskanzleramt in Berlin am Rande einer Demonstration der sogenannten Reichsbürger aufgetreten, die Deutschland nicht als souveränen Staat anerkennen. Vor drei Jahren war Naidoo vorgeworfen worden, mit einem Song rechtsextremes und verschwörungstheoretisches Gedankengut zu bedienen.