Anwohner berichten über das Unwetter "Es kam eine Riesenwelle, eine Riesenflut"
Nach dem Unwetter mit Starkregen sind die Menschen in Nordhessen geschockt. Besonders betroffen ist Trendelburg-Gottsbüren. So schlimm sei es hier noch nie gewesen. Aber es schlägt auch die Stunde der Nachbarschaftshilfe. Menschen berichten von ihren Erlebnissen.
Bereits um 4.45 Uhr haben die ersten Menschen im Trendelburger Ortsteil Gottsbüren (Kreis Kassel) angefangen, Wasser und Matsch aus ihren Kellern zu schleppen. Das Unwetter mit Starkregen in der Nacht zum Freitag hat besonders hier in der Region nördlich von Kassel zugeschlagen.
Menschen waren zum Teil in ihren Häusern eingeschlossen und mussten mit Booten gerettet werden. Ein Anwohner musste stundenlang auf einer Mauer vor seinem Haus ausharren auf der Flucht vor den Wassermassen. Es ist aber auch die Zeit der gegenseitigen Unterstützung.
Menschen berichten dem hr von ihren Erlebnissen:
Franziska und Heino Eberhardt: "Ein riesengroßer Scherbenhaufen"
Franziska Eberhardt: "Die letzte Nacht kann man gar nicht beschreiben. Wenn man sich umschaut, ist es die reinste Verwüstung. Man sitzt auf einen riesengroßen Scherbenhaufen. Die Autos sind kaputt. Wer weiß, wie voll die Keller noch sind, denn abpumpen geht gerade nicht, weil wir keinen Strom haben. Die Gottsbürener kennen Hochwasser, aber so hatten wir es noch nie. Das ist das Schlimmste, seitdem ich hier wohne - und ich bin hier aufgewachsen.
Es kam eine Riesenwelle, eine Riesenflut. Es hat leicht angefangen und wurde immer, immer schlimmer. Es ist ein Riesenschock, denn hier sind viele, deren Existenzen wirklich darunter leiden. Blechschäden kann man ersetzen, aber Existenzen, die wieder von null aus aufgebaut werden müssen - wer soll das machen? Wir versuchen zwar Geröll zur Seite zu räumen, aber das dauert noch Tage und Wochen, bis alles wieder sauber und schön ist."
Heino Eberhardt: "Mein Nachbar hat versucht, sein Auto zu retten. Ich habe noch aus dem Fenster geschrien: 'Lass es, das wird nix mehr.' Und dann ist das Auto schon weggeschmiert. Er ist nach rechts gesprungen und war auf der anderen Seite vom Wasser statt zur Hausseite. Bei den Wassermassen kam er nicht mehr rüber, keine Chance. Er hat gezittert - mit kurzer Schlafanzugshose und Jacke drüber. Ich habe ihm dann einen Gurt zugeschmissen und damit über die Straße gezogen, damit er wieder in sein Haus kommt und sich aufwärmen kann. Das war schon nervenaufreibend. Die Dauer des Regens war das gravierende, das waren gute zweieinhalb Stunden Dauerregen."
Romie Meeder: "Dann ist die Tür gebrochen"
"Man kennt das nur aus dem Fernsehen von anderen Städten, und jetzt hat es uns getroffen. Bei uns fing an, sich hinten die Terrasse zu füllen. Alles aus dem Garten wurde auf die Terrasse gespült - nicht nur von uns, auch von den Nachbarn. Mein Mann wollte noch zur Tür. In dem Moment ist er aber zurückgerannt, weil die Tür gebrochen ist. Dann kam uns die ganze Sintflut entgegen - quer durchs Haus. Es ist zum Glück nicht hoch gegangen, weil wir vorne die Tür aufgemacht hatten. Es stand bis zur dritten Treppenstufe. Wir hatten Glück, dass wir noch ein zweites Obergeschoss haben."
Daniel Wiegand: "Wollten eigentlich in den Urlaub fahren"
"Ich habe noch versucht, mit Sandsäcken zu stapeln, aber das ganze Wasser war nicht mehr aufzuhalten. Wir wollten eigentlich heute um 8 Uhr aufbrechen und mit der Familie in den Urlaub fahren. Wohnmobil ist alles gepackt, aber wir können nicht mehr losfahren. Das komplette Erdgeschoss und der Keller stehen unter Wasser. Wir versuchen jetzt aufzuräumen, so gut wie es geht - mit Unterstützung. Und dann werden wir sehen, wie es weitergeht. Ich weiß noch gar nicht, wo wir anfangen sollen."
Christin Scheele: "Wir sortieren alles, was auf die Müllkippe kann"
"Ich habe heute Nacht gehört, dass öfters mal Feuerwehrautos an meinem Haus entlang gekommen sind. Die Hunde haben angeschlagen, weil draußen wahrscheinlich Sachen rumgeflogen sind. Dann bin ich aufgestanden und stand im nassen Keller. Wir haben um 4.45 Uhr angefangen, bei uns im Haus Wasser rauszuschippen. War zum Glück nicht so schlimm. Dann fragt man natürlich im Dorf rum, wo man helfen kann. Jetzt stehen wir hier und machen die Keller leer - alles raus, Matsch raus. Das stand wohl bis zur Decke. Jetzt sortieren wir alles, was auf die Müllkippe kann."
Konrad, Lkw-Fahrer aus Unna: "Hier komme ich nicht mehr weiter"
"Ich war auf der B83 unterwegs, da kamen gewaltige Wassermassen mit Baumstämmen, dann kriegt man Panik. Ich bin umgedreht, dann hat mich der Weg leider nach Gottsbüren verschlagen. Hier komme ich auch nicht mehr weiter. Über die Brücke darf ich nicht mehr. Was ich jetzt mache, weiß ich noch nicht genau. Ich muss nach Lohfelden Müll laden. Eigentlich kein weiter Weg, aber es ist ja alles gesperrt."