170 Jahre altes Mineralwasser Taucher entdecken in Ostsee-Wrack historische Selters-Flaschen
Polnische Taucher haben in der Ostsee ein gesunkenes Segelschiff mit einer Ladung Mineralwasser aus Hessen entdeckt. Das Wasser in den historischen Tonkrügen ist rund 170 Jahre alt - und könnte noch genießbar sein, meint ein Experte.
Selters ist ein Synonym für Mineralwasser - nicht nur im deutschsprachigen Raum. Das Wasser, das ursprünglich aus einer Quelle in Niederselters in der Gemeinde Selters (Limburg-Weilburg) abgezapft wurde, fand seinen Weg schon vor Jahrhunderten in die ganze Welt. Auf Russisch heißt es "Seltsterskaya woda", auf Französich "eau minérale de Seltz".
Jetzt zeugt ein Fund in der Ostsee von der Bedeutung des Mineralwassers aus Selters. Polnische Taucher haben nach eigenen Angaben das Wrack eines gesunkenen Segelschiffs entdeckt - mit einer Ladung von Champagner und Mineralwasser. Sekt und Selters sozusagen.
"Einen richtigen Schatz gefunden"
Wahrscheinlich sei das Schiff irgendwann zwischen 1850 und 1876 gesunken, sagte Tomasz Stachura von der Tauchergruppe Baltictech in der polnischen Küstenstadt Gdynia bei Danzig. Das 16 Meter lange Segelschiff liege etwa 20 Seemeilen (37 Kilometer) südlich der schwedischen Insel Öland, sagte er der polnischen Nachrichtenagentur PAP.
Zunächst hielt das Taucher-Team das Wrack in 58 Metern Tiefe für einen Fischkutter und deshalb für uninteressant. Doch dann sei daraus Mitte Juli ein mehrstündiger spannender Tauchgang geworden. "Wir sahen mehr als 100 Flaschen Champagner und Körbe mit Mineralwasser in Tonflaschen", sagte Stachura. "Da haben wir wohl einen richtigen Schatz gefunden."
Untergang nach Kollision?
Auf Unterwasserfotos sind die mit Schlamm und Algen bedeckten Flaschen deutlich zu erkennen. Bei der ersten Analyse halfen gerade die Mineralwasser-Krüge, die dem Stempel zufolge aus Selters stammen. "Dank der Form des Stempels und der Hilfe von Historikern wissen wir, dass das Wasser zwischen 1850 und 1876 abgefüllt wurde, was auf den wahrscheinlichen Zeitraum des Untergangs des Schiffes hinweist", sagte Expeditionsleiter Stachura. Beim Champagner deuteten Reste der Schrift auf den Korken auf die bekannte französische Firma Louis Roederer hin.
Das Segelschiff sei für die wertvolle und schwere Fracht eigentlich zu klein gewesen, sagte der Tauchleiter. Er vermutet, dass der Segler von Kopenhagen nach Stockholm unterwegs war. Eine mögliche Version sei, dass das Schiff in einem Sturm gesunken sei. Aber auch eine Kollision mit einem anderen Schiff sei nicht auszuschließen, zumal das Wrack am Bug beschädigt sei.
Teure Krüge mit Heilwasser
Die Firma Radeberger, zu der die Marke Selters - die inzwischen in Löhnberg (Limburg-Weilburg) abgefüllt wird - gehört, nannte den Fund am Freitag "insbesondere mit Blick auf die gefundenen Mengen und den Fundort auch für uns hoch spannend". So sieht das auch Norbert Zabel, der sich seit Jahrzehnten mit der Geschichte von Selters beschäftigt und mehrere Bücher über das berühmte Mineralwasser geschrieben hat. Der 75-Jährige wurde von Radeberger bereits kontaktiert und wartet nun gespannt darauf, nähere Informationen zu dem Fund zu bekommen.
"Die gefundenen Krüge haben ja offenbar den Stempel des Herzogtums Nassau", sagte Zabel dem hr. Er vermutet, dass das Wasser vor 1866 in Niederselters abgefüllt wurde, denn danach trugen die Krüge einen Stempel des Königreichs Preußen. Von den im Westerwald gefertigten Krügen seien damals mehrere Millionen abgefüllt und verkauft worden. "Die waren teuer, das Heilwasser konnte sich der einfache Mann nicht erlauben", weiß Zabel.
Kaum noch Kohlensäure, aber noch trinkbar
Vor zehn Jahren wurde in der Danziger Bucht schon einmal ein historischer Selters-Krug gefunden - und auch sonst tauchten immer mal wieder weltweit Tonkrüge mit dem Stempel aus Selters auf, betonte Zabel. Er hält es für möglich, dass noch Wasser in den jetzt entdeckten Krügen ist. "Das wäre dann auch noch genießbar", ist er sich sicher.
Vor Jahren, als Zabel noch Bürgermeister der bekannten Mineralwasser-Gemeinde war, habe er schon mal einen Schluck aus einer historischen Flasche probiert. "Das schmeckte zwar ein bisschen anders, als wir das heute gewöhnt sind, aber es war noch trinkbar", sagte der 75 Jahre alte frühere CDU-Politiker. Kohlensäure war allerdings nur noch wenig darin. Aber die Mineralstoffe seien alle noch nachweisbar gewesen, habe ein Lebensmittel-Forscher damals festgestellt.
Das auf Wracksuche spezialisierte Tauchteam hat nun erst einmal die schwedische Universität Södertörn bei Stockholm über den Fund informiert. Die Forschenden dort sind Spezialisten für Unterwasserarchäologie.
Der Selters-Krug, der 2014 gefunden wurde, landete im Danziger Meeresmuseum. Krüge aus sämtlichen Epochen der Mineralwasser-Abfüllung sind aber jederzeit auch im Selterswassermuseum in Niederselters ausgestellt, das vom langjährigen Bürgermeister Norbert Zabel betreut wird. Dort können Besucherinnen und Besucher alles um den Gesundbrunnen finden, der Selters in der Welt berühmt gemacht hat.