ARD-Mitmach-Aktion #unsereFlüsse Bäche im Blick: Freiwillige untersuchen Gewässer in Hessen
In Hessen gibt es hunderte Flüsse und Bäche. Vor allem über den Zustand kleiner Gewässer ist oft kaum etwas bekannt, weil sie nicht regelmäßig untersucht werden. Abhilfe soll eine Mitmach-Aktion der ARD schaffen.
Eva Molsberger-Lange steht bis zu den Oberschenkeln im Wasser - genauer gesagt im Erbach bei Elz (Limburg-Weilburg). Sie trägt eine wasserdichte Hose und in den Händen einen Kescher. Immer wieder fischt sie damit auf dem Grund des Bächleins - und befördert dabei Larven, Schnecken, Egel und andere kleine Tiere an die Oberfläche.
"Wenn man von außen in den Bach schaut, denkt man: Da lebt nichts", sagt Molsberger-Lange. "Und dann geht man mit dem Sieb rein und holt das wimmelnde Leben raus."
Normalerweise unterrichtet die Gewässer-Ökologin angehende chemisch-technische Assistentinnen und Assistenten an der Adolf-Reichwein-Schule in Limburg. Aber einmal im Jahr verlegt sie den Unterricht vom Labor hinaus in die Natur.
Forschung am Bach als Schulprojekt
15 Schülerinnen und Schüler sind diesmal dabei. Sie entnehmen Proben aus dem Wasser und untersuchen sie direkt an Ort und Stelle an mitgebrachten Tischen. "Da gibt es zum Beispiel Bachflohkrebse oder Köcherfliegenlarven", erklärt der 17 Jahre alte Luca Troche.
Der Schüler legt ein Schälchen mit einer Larve unter ein Mikroskop, um die genaue Art zu bestimmen. "Je nachdem, was im Bach drin ist, zeigt das: Wie viel Sauerstoff ist drin, wie ist er mit Pestiziden belastet?"
Die Lerngruppe hat die Aufgabe, einen 100 Meter langen Abschnitt des Bachs zu erforschen. Dabei dokumentieren die Schülerinnen und Schüler, wie stark das Ufer bewachsen ist und ob im Wasser Kies, Lehm oder Wurzeln zu sehen sind.
Schadstoffgehalt wird gemessen
Auch die Belastung mit Schadstoffen checken die angehenden chemisch-technischen Assistentinnen und Assistenten. Die 16-jährige Maja Kwoka schüttet dafür ein Testpulver in eine Wasserprobe.
Gemessen werden zum Beispiel der Gehalt von Ammonium, Phosphat und Nitrat - Stoffe, die unter anderem in Düngemitteln enthalten sind. "Je weniger davon hier drin ist, desto besser ist das Wasser", erklärt Maja.
Schüler unterstützen die Wissenschaft
Die Schülerinnen und Schüler notieren ihre Beobachtungen sorgfältig. Denn sie werden später wissenschaftlich verwertet. Die Gruppe nimmt an dem Projekt "Flow" teil, das den ökologischen Zustand kleiner Bäche in Deutschland dokumentiert. Dahinter steht unter anderem das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig.
Es handelt sich um ein "Citizen-Science-Projekt" - das bedeutet, dass Bürgerinnen und Bürger die Wissenschaft mit ihren Beobachtungen unterstützen. Lehrerin Molsberger-Lange nimmt seit mehreren Jahren mit ihren Lerngruppen teil - als Abwechslung zum trockenen Laboralltag. "Das ist ein Ansporn für die Schüler, die Untersuchungen richtig zu machen", sagt die Lehrerin.
Kleine Gewässer werden kaum überwacht
Das "Flow"-Projekt gibt es, weil Bäche und andere kleine Gewässer sonst kaum überwacht würden. Große Flüsse wie Rhein, Main oder Weser werden regelmäßig wissenschaftlich untersucht. Hintergrund dafür ist die europäische Wasserrahmenrichtlinie aus dem Jahr 2000. Sie soll dafür sorgen, dass Gewässer wieder einen guten ökologischen Zustand erreichen.
Das Problem: Kleinere Bäche mit einem Einzugsgebiet von weniger als zehn Quadratkilometern werden dabei nicht berücksichtigt. Dabei wäre es wichtig, mehr über ihren Zustand zu wissen: "Sie sind sehr wichtig für die Biodiversität, weil ein Großteil des Gewässernetzes in Deutschland aus kleinen Fließgewässern besteht", erklärt Julia von Gönner vom Helmholtz-Zentrum.
ARD-Aktion: Interessierte können Bäche untersuchen
Hier setzt nun auch eine neue Aktion der ARD an. Aufbauend auf dem Flow-Projekt sollen noch mehr Gewässer erforscht werden. Unter dem Motto #unsereFlüsse sind Freiwillige aufgerufen, einen Bach in der eigenen Umgebung zu untersuchen. Es geht darum, den Zustand des Gewässers auf einem 100 Meter langen Abschnitt zu dokumentieren.
Gemeinsam mit Wissenschaftlern wurde ein Fragebogen entworfen, mit dem sich der Zustand eines Baches schnell und mit allen Sinnen beschreiben lässt: Welche Form hat das Gewässer? Wie schnell fließt das Wasser? Riecht der Bach eher frisch oder modrig?
Alle Beobachtungen sind öffentlich auf einer interaktiven Deutschlandkarte zu sehen. Zusammen mit einem Team der Universität Duisburg-Essen sollen aus den Beobachtungen 30 Bäche ausgewählt und genauer unter die Lupe genommen werden. Die Ergebnisse werden im Herbst unter anderem in einer ARD-Dokumentation gezeigt.
Redaktion: Marcel Sommer
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 13.05.2024, 16.45 Uhr