Über 100 Rinder beschlagnahmt Auf diesem Hof wurden jahrzehntelang Tiere gequält
Ausgehungert, verletzt, verwahrlost: Seit über 30 Jahren fällt ein Bauernhof in Modautal immer wieder durch gravierende Verstöße gegen den Tierschutz auf, weit über 100 Rinder und Schweine wurden bereits beschlagnahmt. Doch noch immer leben dort Tiere.
Der Modautaler Ortsteil Hoxhohl liegt malerisch in den Hügeln des Odenwalds. Bäume und Wiesen glänzen grün im Sonnenlicht, in den Vorgärten blüht es bunt. Ein einzelner Bauernhof jedoch mag sich nicht so recht in die pittoreske Idylle fügen. Auf dem Hof verteilt liegen Teile alter Landwirtschaftsgeräte, viele von ihnen sind von Gras und Sträuchern überwuchert. Neben einem verrotteten Misthaufen lehnen schiefe Bauzäunen, durch die vielen Risse im Betonboden sprießt das Unkraut.
Im nahegelegenen Hofladen quellen Müllsäcke aus der Scheune, der Innenhof steht voller Schrott und Unrat. Insgesamt macht dieser Bauernhof einen ungastlichen und verwahrlosten Eindruck.
Veterinäramt beschlagnahmt Tiere
Es wirkt, als hätte die Familie, die den Hof betreibt, schon vor langer Zeit die Kontrolle über ihren Betrieb oder zumindest jegliche Freude an ihrem Beruf verloren. Wie desolat die Zustände auf dem Hof sind und waren, haben in den letzten Jahrzehnten vor allem die Tiere zu spüren bekommen. Denn seit über 30 Jahren musste das Veterinäramt des Kreises Darmstadt-Dieburg immer wieder wegen Tierquälerei eingreifen.
Erst im März dieses Jahres beschlagnahmte die Kreisbehörde insgesamt 20 Kühe und 15 Kälber. "Die Tiere waren extrem abgemagert, sie wirkten verwahrlost und vernachlässigt", beschreibt Frank Follert (Name von der Redaktion geändert) den Zustand der Rinder. Follert wohnt in der Nähe des Hofes und verfolgt das Treiben der Besitzer-Familie nach eigener Aussage schon seit langer Zeit. Was er sagt, passt zu dem Bild, das der Hof nach außen abgibt.
"Die Grundversorgung mit Futter und Wasser war nicht gewährleistet, die Tiere waren in einem erschreckenden Zustand", so Follert. Zudem seien die Tiere immer wieder von der Weide ausgebrochen und auf der Suche nach Futter durch den Ort gelaufen. "Es ist einfach nur Glück, dass da noch kein schlimmer Unfall passiert ist."
Das Veterinäramt bestätigt dem hr, dass Tiere beschlagnahmt wurden, nennt aber keinen konkreten Grund. Die Behörde spricht von "mangelhafter Tierhaltung" und "Tierschutzverstößen" – Behördendeutsch für Tierquälerei.
Dokumentierte Vorfälle seit 1993
Und Tierquälerei hat offenbar Tradition auf dem Bauernhof in Hoxhohl. Immer wieder wurden Vorfälle öffentlich. Im Jahr 2002 überschrieb das Darmstädter Echo einen Bericht über den Hof mit "Rinder stehen im Kot und haben Durst". Von Parasitenbefall und Platzmangel war dort die Rede.
Polizeiberichten ist zu entnehmen, dass im Jahr 2008 rund 30 Rinder beschlagnahmt wurde, 2011 noch einmal 80 Rinder und mehrere Schweine. "Die Tiere wiesen Einschnitte durch Stricke in der Haut auf", schreibt die Polizei 2011. Einem Bullen soll eine Kette in den Hals gewachsen sein.
Im Zuge dessen sprach Christa Wilczek, damals noch Sachverständige des Kreisveterinäramts und heute Tierschutzbeauftragte des Kreises, vor dem Amtsgericht Darmstadt von einer Akte, die bis ins Jahr 1993 zurückreiche. Über 30 Jahre dokumentierte Tierquälerei auf dem Hof in Hoxhohl.
"Es ist mir unverständlich, wie bei dieser Vorgeschichte immer noch Tiere auf dem Hof leben können", fragt sich bei solch eine Historie wohl nicht nur Anwohner Follert. Das Veterinäramt verweist auf Anfrage des hr darauf, dass es sich bei den einzelnen Vorfällen um unterschiedliche Verantwortliche gehandelt habe.
Tatsächlich gehörte der Hof zu Beginn der Vorfälle 1993 noch dem Senior der Betreiber-Familie, zwischenzeitlich war kurz der Sohn für die Tierhaltung zuständig, seit 2004 betreibt nun die Tochter Hof und Hofladen. Sie hat sich auf Anfrage bislang nicht zu den Vorfällen geäußert.
Es leben immer noch Tiere auf dem Hof
Nach dem Vorfall 2011 wurde die Betreiberin wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Dennoch durfte sie weiter Tiere halten. Und auch jetzt leben wieder Tiere auf dem Hof. Von den jüngst beschlagnahmten 20 Rindern und 15 Kälbern sind neun Kühe und neun Kälber zurückgekehrt, die restlichen Tiere wurden vom Schlachter geholt.
Man habe den Gesamtbestand der Tiere auf dem Hof reduziert, "um eine zukünftige verbesserte Haltung zu erreichen", erklärt das Veterinäramt die Maßnahme. Die Rinderhaltung werde regelmäßig kontrolliert und die Beseitigung der Mängel überwacht, so die Behörde.
Frank Follert jedenfalls glaubt nicht an eine Besserung. Eine Reduzierung der Herde habe das Problem auch in der Vergangenheit nicht gelöst: "Bei der Tierhalterin handelt es sich um eine vorbestrafte Tierquälerin, die Behörden müssen endlich einen Schlussstrich ziehen."