580 Jahre alter Baum nun Nationalerbe Warum diese Eiche einst von Soldaten bewacht wurde
Ein Jahrhunderte alter Baum in Südhessen gilt als "Mutter aller Säuleneichen" in ganz Europa. Weil er so schön ist, stellte man ihm im Krieg sogar eine eigene Wache zur Seite. Jetzt wurde die Eiche zum Nationalerbe erklärt.
"Du aber, lieber Baum, du Einziger und Zierde deiner Gegend, steh und grüne noch durch Jahrhunderte", dichtete einst ein unbekannter Autor über die stattliche Eiche, die ihre markanten Äste in den Himmel bei Babenhausen (Darmstadt-Dieburg) streckt. Tatsächlich bezaubert der besondere Baum seit nunmehr fast sechs Jahrhunderten seine Betrachterinnen und Betrachter mit seinem einzigartigen Wuchs. Nicht umsonst wird er im Volksmund "Schöne Eiche" genannt.
Wegen dieser Schönheit, aber vor allem aufgrund ihrer biologischen Einzigartigkeit wurde die rund 580 Jahre alte Eiche jetzt in den Stand des Nationalerbes erhoben. Etwa 300 Gäste hatten sich am Samstag zur Ehrung durch die Deutsche Dendrologische Gesellschaft (DDG) versammelt – so viele wie noch bei keinem anderen Baum. "Auf einer von der Stadt fantastisch vorbereiteten Feier ist die berühmte Säuleneiche bei allerbester Stimmung zum Nationalerbe-Baum ausgerufen worden", freut sich Andreas Roloff, Professor für Baumbiologie an der TU Dresden.
"Die Mutter aller Säuleneichen"
Die Besonderheit der Eiche im Stadtteil Harreshausen fällt auch Laien sofort ins Auge. Ihre Äste wachsen steil in die Höhe, weswegen man sie auch als Säuleneiche oder Pyramideneiche bezeichnet. Das Babenhausener Exemplar ist aber nicht etwa irgendeine Säuleneiche. "Das ist die Mutter aller Säuleneichen in Europa", erklärt Georg Wittenberger, Vorsitzender des Naturschutzbeirats im Kreis Darmstadt-Dieburg, im Gespräch mit dem hr. "Man hat bislang nichts Älteres in der Literatur gefunden." Ableger des Baumes finden sich mittlerweile fast überall in Europa.
Dass die "Schöne Eiche" als erste Eiche überhaupt in die Höhe und nicht wie alle anderen Artgenossen in die Breite wuchs, sei auf eine Laune der Natur zurückzuführen, sagt Wittenberger. Solche Mutationen kämen immer mal wieder vor, die Natur probiere sich eben aus.
Baum-Poesie
Ob der Test mit dem säulenförmigen Wuchs nun gelungen ist, weiß nur Mutter Natur selbst. Auffällig ist der Wuchs allemal und hat über die Jahrhunderte hinweg bleibenden Eindruck hinterlassen. Den ein oder anderen Schreiberling hat er gar zu poetischen Versen inspiriert. So heißt es in einem Beitrag des Hanauischen Magazins aus dem Jahr 1781:
Schön, gerade, von einem luftigen Wuchs, und in Proportionen von Stamm und Aesten, die ihr der Maler in einem Ideal nicht besser hätte geben können, steht sie da - die zierliche Eiche, und ragt mit ihrer kegelförmigen Spitze über die andern niedrigeren Bäume, ihre Nachbarn, wie Calypso über ihre Nymphen hervor.Zitat Ende
Eine eigene Wache im Siebenjährigen Krieg
Dass die Eiche all die Jahrhunderte überdauert, Stürme überlebt und Blitzeinschläge weggesteckt hat, sei schon erstaunlich, sagt Wittenberger. Sein Leben hat der Baum wohl auch einem französischen General zu verdanken. Der stellte im Siebenjährigen Krieg, in dem seine Truppen von 1759 bis 1763 die Landgrafschaft Hessen besetzt hielten, eigens eine Wache zum Schutz des Baumes ab. Damit wollte er verhindern, dass durchziehende Truppen ihn als Brennholz verfeuerten, wie Wittenberger erläutert.
Der General sei von der Schönheit des Baumes derart fasziniert gewesen, dass er sogar Samen nach Frankreich schicken ließ, um sie in seiner Heimat pflanzen zu lassen. Noch heute könne man etwa in Versailles die Nachkommen finden. "Dort gibt es eine Menge Säuleneichen", erzählt Wittenberger. Allesamt stammen sie von ihrer "Mutter" in Babenhausen ab.
Heute werden Säuleneichen auch in weniger exklusiven Lagen wegen ihres aufrechten Wuchses gerne als Straßen- und Stadtbäume verwendet. "Sie können sich so einen Baum auch selbst in den Garten pflanzen", sagt Wittenberger. Man bekomme ihn in jeder gut sortierten Baumgärtnerei.
Auszeichnung soll zum Schutz beitragen
Mit der Auszeichnung zum Nationalerbe-Baum will die Dendrologische Gesellschaft der einzigartigen Eiche nicht nur die Aufmerksamkeit zukommen lassen, die sie in ihren Augen verdient, sondern auch zu ihrem Schutz beitragen. "Mit unserem Wissen über alte Bäume können wir helfen, die Eiche möglichst lange am Leben zu erhalten", sagt der Dresdener Professor Roloff.
Vor einigen Jahrzehnten wurden bereits vier Linden an der Eiche gepflanzt, die sich nun schützend um das Naturdenkmal gruppieren. Zusätzlich plädiert Roloff für jährliche Kontrollen, ob irgendwo ein Risiko besteht, etwa durch Fäule oder Astbruch. Gegebenenfalls müsse man dann hier und da auch die Säge oder Astschere ansetzen und etwas kürzen.
Künftige Erbin enthüllt Infotafel
Diese ehrenvolle Aufgabe könnte künftig der jüngsten Teilnehmerin der Auszeichnungs-Zeremonie zufallen. Die erst 13 Monate alte Liana Roth durfte zusammen mit Babenhausens Bürgermeister Dominik Stadler (unabhängig) die Infotafel enthüllen, die nun die Eiche schmückt. Liana wird die Eiche einmal erben, denn sie steht auf dem Privatgrundstück ihrer Eltern.
Hauptverantwortlich bleibt die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises, aber auch Bürgermeister Stadler deutete bei seiner Festakt-Rede bereits Unterstützung an: "Das bekommen wir nur als Gemeinschaft hin."
Die Chancen stehen also nicht schlecht, dass sich auch künftige Generationen von der Schönheit der Eiche in Babenhausen verzaubern und vielleicht zu weiteren poetischen Zeilen inspirieren lassen. Frei nach dem Motto: Auf dass die Eiche niemals weiche!
Sendung: hr2, 10.10.2022, 15.13 Uhr
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