Bundesanwaltschaft Anklage gegen mutmaßlichen Mörder von Walter Lübcke
Im Fall der Ermordung des ehemaligen Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke hat der Generalbundesanwalt Anklage gegen den Hauptverdächtigen Stephan Ernst und dessen mutmaßlichen Unterstützer Markus H. erhoben.
- Die Bundesanwaltschaft hat Stephan Ernst angeklagt. Er soll den CDU-Politiker Walter Lübcke ermordet haben. Außerdem wird ihm in einem weiteren Fall ein Mordversuch zu Last gelegt.
- Dem mutmaßlichen Komplizen Markus H. wird Beihilfe zum Mord vorgeworfen.
- Die Taten waren laut Anklage rassistisch motiviert, Ernst habe eine "völkisch-nationalistische Grundhaltung"
- Die Familie von Lübcke wird im Prozess als Nebenkläger auftreten.
Die Bundesanwaltschaft hat Anklage im Fall Lübcke erhoben. Dem Hauptbeschuldigten Stephan Ernst wird Mord aus mutmaßlich rechtsextremer Motivation vorgeworfen, wie die Behörde am Mittwoch (29.04.20) in Karlsruhe mitteilte. Der Prozess soll in Frankfurt vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts stattfinden. Das Gericht muss die Anklage noch zulassen.
Ernst soll den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke Anfang Juni 2019 nachts mit einem Kopfschuss aus nächster Nähe auf dessen Terrasse getötet haben. Der CDU-Politiker hatte sich öffentlich für die Aufnahme von Flüchtlingen eingesetzt, das soll Ernst aufgebracht haben.
Der 46-Jährige hatte die Tat zunächst gestanden und die Polizei auch zu seinem Waffenlager geführt. Später zog er sein Geständnis wieder zurück und beschuldigte seinen Freund Markus H., geschossen zu haben. Der Schuss habe sich nur versehentlich gelöst.
Die Bundesanwaltschaft schenkte dem neuen Geständnis aber offenbar keinen Glauben. Auf der Kleidung des Toten hatten Ermittler DNA-Spuren von Ernst gefunden, von Markus H. fanden sich keine Spuren am Tatort.
Bundesanwaltschaft: Rassistisches Motiv
Die Bundesanwaltschaft geht von einem eindeutig rassistischen Motiv aus: "Ausschlaggebend für die Tat war die von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit getragene völkisch-nationalistische Grundhaltung."
Die Silvesternacht 2015/2016 und das islamistische Attentat in Nizza im Juli 2016 hätten Ernsts Wunsch, Lübcke zu töten, befördert. Ernst lehne die staatliche Ordnung ab und habe mit der Ermordung Lübckes ein "öffentlich beachtetes Fanal" setzen wollen.
Komplize wegen Beihilfe angeklagt
Der mutmaßliche Komplize Markus H. ist wegen Beihilfe zum Mord angeklagt. Der 44-Jährige soll Ernst den Kontakt zu einem Waffenhändler vermittelt und seinen Bekannten unter anderem durch gemeinsame Schießübungen in dessen Vorhaben bestärkt haben.
Ernst beschuldigt H. inzwischen, in der Tatnacht mit bei Lübcke gewesen zu sein. H. sei es auch gewesen, der den tödlichen Schuss abgegeben habe - aus Versehen. Die Ermittler glauben das nicht. Sie sind überzeugt, dass Ernst allein bei Lübcke war.
Anklage in weiterem Fall
Außerdem wird Ernst in einem weiteren Fall wegen versuchten Mordes angeklagt. Er soll im Jahr 2016 einen Flüchtling mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt haben, indem er ihm mit einem Messer in den Rücken stach. Ahmad E. wurde dabei schwer verletzt. Die Bundesanwaltschaft betont auch hier das mutmaßlich rassistische Motiv von Ernst:
Er habe seinen "rechtsextremen Hass auf Flüchtlinge" ausgelebt, durch seine "willkürliche Opferauswahl" und seine heimtückische Vorgehensweise habe er "Angst unter den in der Bundesrepublik Deutschland Schutz suchenden Menschen fremder Herkunft" verbreiten wollen.
Die Polizei hatte zunächst vergeblich nach dem Angreifer gesucht. Inzwischen halten die Ermittler ein bei Ernst sichergestelltes Messer für die Tatwaffe. Ihm wird deshalb versuchter Mord und Körperverletzung vorgeworfen.
Waffenhändler nicht mitangeklagt
Auch der 64 Jahre alte Waffenhändler Elma J. hatte mehr als ein halbes Jahr in Untersuchungshaft gesessen. Von ihm soll Ernst 2016 die Tatwaffe bekommen haben, mit der später Lübcke erschossen wurde. Stephan Ernst wird neben Mord und Mordversuch auch wegen Verstößen gegen das Waffengesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz angeklagt.
Elmar J. war zunächst Beihilfe vorgeworfen worden. Inzwischen ist wegen des großen Zeitabstands aber fraglich, ob der Mann damals ahnen konnte, was für eine Tat Ernst begehen würde. Er ist deshalb wieder frei und nicht mit angeklagt.
Familie Lübcke wird Nebenkläger
Lübckes Familie schließt sich mit einer Nebenklage der Anklage an. Witwe Irmgard Braun-Lübcke und die gemeinsamen Söhne Christoph und Jan-Hendrik Lübcke wollten so ein Zeichen gegen Hass und Gewalt setzen, heißt es in einer Mitteilung der Familie vom Mittwoch.
"Wir wissen, dass es meinen Ehemann und unseren Vater nicht zurückbringt, doch in tiefem Gedenken und großer Liebe ist es uns Bedürfnis und Verpflichtung ihm gegenüber, als Nebenkläger dem Verfahren beizutreten." Die Familie wolle mit diesem Schritt auch andere ermutigen, für die eigenen Werte einzustehen und keine Angst vor einem politischen und gesellschaftlichen Engagement zu haben.
Ein Schritt, den auch die Landtagsfraktion der CDU begrüßt. "Für diese mutige Entscheidung wünschen wir der Familie viel Kraft", schrieb der parlamentarische Geschäftsführer Holger Bellino am Mittwoch in einer Mitteilung. "Die heutige Anklageerhebung des Generalbundesanwalts ist ein wichtiges Signal für unseren funktionierenden Rechtsstaat und zeigt, dass unsere Ermittlungsbehörden und unsere Justiz auch in der Corona-Krise hervorragende Arbeit leisten."
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 29.04.2020, 19.30 Uhr