Bundesweites Modellprojekt Wie Kassels Verwaltung gegen Drohungen und Rassismus vorgehen will

Ob Bürgermeister oder Sachbearbeiterin – Verwaltungsmitarbeitende erleben immer wieder Hass, Rassismus und Bedrohungen. Als eine von zehn Städten ist Kassel nun Teil eines bundesweites Modellprojekts, das dagegen vorgehen will.

Ein Ergebnis ist besonders überraschend: Die meisten Anfeindungen kommen nicht über die sozialen Netzwerke.
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Bedrohungen gegen Amtsträger nehmen laut Zahlen des BKA seit 2017 immer weiter zu. Allein in Hessen erhielten elf Prozent der Bürgermeister im Jahr 2021 Todesdrohungen, acht Prozent erfuhren körperliche Gewalt.

Verantwortliche in der Politik reagieren nun darauf, darunter auch die Staatsministerin und Bundesbeauftragte für Antirassismus, Reem Alabali-Radovan (SPD): "Mit großer Sorge beobachte ich, dass rechtsextremistisch und rassistisch motivierte Anfeindungen, Hass oder gar Gewalt gegen Mitarbeitende von Städten und Gemeinden zugenommen haben." Deshalb wolle sie die Kommunen nun dabei unterstützen, "sich auch in Zukunft für ein mutiges und weltoffenes Einwanderungsland einzusetzen".

Die Stadt Kassel soll dabei ein positives Beispiel setzen. Sie ist als eine von zehn sogenannten "Modellkommunen" des Projekts Kommunale Allianzen und Strategien gegen Rassismus und Hass ausgewählt worden. Ab Dezember wird in Kassel laut Stadtverwaltung deshalb eine kommunale Antidiskriminierungsstelle ihre Arbeit aufnehmen.

Diese Stelle wird Teil eines bundesweiten Kampfes gegen Rechtsextremismus und Rassismus im Auftrag der Bundesregierung sein. Die Entscheidung zur Initiative kam über einen Kabinettsbeschluss. Städte und Kommunen konnten sich um eine Mitgliedschaft bewerben.

Viele Bewerbungen, Kassel als Vorreiter

Jenni Winterhagen ist die Projektleiterin und arbeitet für das Institut für interkulturelles Management und Politikberatung, kurz IMAP. Sie sagt: "Es gab recht viele Bewerbungen, das hat uns tatsächlich überrascht." Neben Kassel sind in der Allianz demnach auch Augsburg, Berlin-Mitte, Dinslaken, der Landkreis Görlitz, Heilbronn, Jena, die Landkreise Mittelsachsen und Vorpommern-Greifswald sowie Wismar vertreten.

Eine blonde Frau, Jenni Winterhagen, steht vor einem Transparent auf einer Bühne
Jenni Winterhagen vom Institut IMAP leitet das Projekt der Kommunalen Allianzen Bild © hessenschau.de

Das Ziel der Allianz sei es, vor allem Arbeitsabläufe zu verinnerlichen, so Winterhagen. Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter solle nach der Projektphase wissen, was er zu tun habe, wenn es innerhalb einer Behörde zu rassistischen Anfeindungen oder Hass kommt.

Das sei bisher kaum der Fall, wie eine Erhebung des Institutes zeigt. Demnach wüssten viele Führungskräfte nicht, wie sie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei rassistischen Anfeindungen unterstützen könnten. Daten würden oft schlecht oder gar nicht ausgewertet. Bis September 2025 sollen deshalb Allianzen aufgebaut, Konzepte entwickelt und Betroffene unterstützt werden. Dazu arbeite das Institut eng mit der Stadt Kassel zusammen.

"Respekt vor der Aufgabe"

In der Kasseler Verwaltung ist Ute Giebhardt mit dem Projekt betraut. Sie leitet das Amt für Chancengleichheit und freut sich auf die neue Herausforderung: "Grundsätzlich empfinde ich bei den Treffen einen großen Respekt vor der Aufgabe, Rassismus und Diskriminierung etwas entgegenzusetzen. Gleichzeitig ist aber auch eine Aufbruchstimmung zu spüren, gerade weil wir mit unserer Arbeit die Strukturen gegen Rassismus zusammen stärken können", sagt sie hessenschau.de.

Konkret werde laut IMAP und Stadtverwaltung zunächst eine Analyse durchgeführt und erst danach eine Gesamtstrategie festgelegt. Insgesamt, so Projektleiterin Winterhagen, solle dadurch aber die Zusammenarbeit zwischen Polizei, Verwaltungen und Beratungsstellen verbessert werden. So würden zukünftig auch Fortbildungen für die Verwaltung angeboten, teilt die Stadt Kassel mit.

Auch die 65 Städte, die sich im Bewerbungsverfahren nicht durchsetzen konnten, werden in Zukunft im Austausch mit den Modellkommunen treten. Sie sollen als sogenannte "Netzwerkkommunen" von den Erfahrungen der größeren Vorreiterstädte profitieren – und so eines Tages selbst rassistischen Hass gegen Amtsträger eingrenzen können.

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Sendung: hr4, 16.10.2023, 9.30 Uhr

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Quelle: hessenschau.de