Bye, bye, Bahnbabo! Frankfurts bekanntester Straßenbahnfahrer macht Schluss
Mit Sonnenbrille, Spagat und sozialem Engagement wurde der Frankfurter Straßenbahnfahrer Peter Wirth zum stadtbekannten Bahnbabo. Jetzt geht er in Rente. Und seine Frau hat schon Angst, dass er "den Biden macht".
Es ist soweit. Das spießig anmutende Hemd mit dem aufgenähten Logo der Frankfurter Verkehrsgesellschaft (VGF) und die gestreifte Krawatte mit der Straßenbahn-Anstecknadel werden am Mittwoch zum letzten Mal aus dem Schrank gezogen, um den muskulösen Oberkörper des Bahnbabos zu zieren.
Seine letzte Fahrt führt den 63-Jährigen ab 13 Uhr vom Frankfurter Hauptbahnhof nach Fechenheim, wie er vorab in den sozialen Medien verkündete. Ein Ansturm von Fahrgästen ist ihm gewiss.
Er steht stets parat für einen Spagat
Es bedarf nicht unbedingt seiner Berufsbekleidung, um Peter Wirth zu erkennen. Der Bahnbabo ist bekannt wie ein bunter Hund, auch dank seiner Markenzeichen: der dunklen Sonnenbrille zum Beispiel ("die trage ich immer, außer nachts, wenn ich im Bett liege"), seines Bürstenschnitt oder der kraftsportgestählten Oberarme ("Du brauchst Proteine, sonst kriegst Du nie die Bahnbabo-Arme").
Dazu kommen natürlich das Bahnbabo-patentierte Grinsen und der nach oben gereckte Daumen. Wenn er für seine zahlreichen Fotojäger posiert, dann bevorzugt inklusive einer Dehnübung oder eines Spagats.
Am wichtigsten ist Wirth aber die Kommunikation mit Menschen auf Augenhöhe, wie er es nennt. Zu seinem Repertoire gehören größtes Lob ("Du bist stabil") genauso wie mitfühlende Worte ("Lief heute nicht so stabil?").
Oder die selbst erdachten Reime, mit denen er entweder gute Laune verbreiten oder das soziale Gewissen der Zuhörenden anstupsen will ("Leute, ich habe eine Botschaft: Ohne Liebe, Menschlichkeit und Zuversicht, da funktioniert unsere Gesellschaft nicht. Wir alle zusammen können es schaffen, diese Welt jeden Tag ein Stück besser zu machen").
Nicht immer reimen sich seine Verse perfekt - aber für viele funktionieren sie. Nicht nur für die Fahrgäste der Straßenbahn, die er "entertainen" möchte, sondern auch für viele jungen Frankfurter, die Wirth in den sozialen Medien folgen und ihm besonders am Herzen liegen.
Sie haben dem Straßenbahnfahrer vor vielen Jahren seinen Spitznamen gegeben: Bahnbabo, wie er immer wieder gern erzählt. "Babo" steht jugendsprachlich für "Boss". Beeindruckt von seinen sportlichen Fähigkeiten hätten sie hinzugefügt: "Du bist voll massiv."
Position bei gesellschaftlichen wie politischen Themen bezogen
Zur Jugend "einen guten Draht" zu haben, ist Wirth wichtig. "Ich spreche ihre Sprache und verstehe ihr Wesen. Wir Erwachsenen müssen versuchen, auch ein bisschen runterzukommen. Wir dürfen nicht die Nase so hoch halten, dass es uns reinregnet."
Dass hinter den Reimen nicht nur Floskeln stecken, hat der Straßenbahnfahrer schon oft gezeigt. Während der Corona-Pandemie rief er zum Impfen auf, stolz zeigte er sich neben der Paulskirche und betonte die Wichtigkeit von Demokratie und Grundrechten. Machte sich genauso stark für die Verkehrswende wie für Inklusion. Setzte sich für Rechte von Jugendlichen, Senioren, Studenten und Migranten ein und mahnte einen menschlicheren Umgang mit Kranken und Drogenabhängigen an.
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"Denn der Bahnbabo baut Brücken, zwischen allen Generationen und Kulturen, und über diese Brücken gehen wir von beiden Seiten. In der Mitte der Brücke, da treffen wir uns auf Augenhöhe", so Wirth. "Das ist mein Prinzip."
Stabile Bewerbung als Oberbürgermeister-Kandidat
Mit seinen Prinzipien, 420 Euro Wahlkampfbudget und einem Bollerwagen als Wahlkampfmobil versuchte sich Wirth dann auch in der Politik. Die Politik verliere den Bezug zur Basis, zu den Menschen, kritisierte Wirth. Im Jahr 2022 trat er als Selfmade-Oberbürgermeister-Kandidat in Frankfurt an.
Nach der Abwahl des durch mehrere Skandale beschädigten Oberbürgermeisters Peter Feldmann (SPD) versammelte er so als unabhängiger Kandidat immerhin über 10.300 Wähler hinter sich, kam auf 5,1 Prozent der Stimmen und damit auf einen "stabilen" Platz 4. Für die darauffolgende Stichwahl zwischen den beiden Kandidaten Uwe Becker (CDU) und Mike Josef (SPD) rief Wirth seine Wähler auf, Josef zu wählen - der dann letztendlich auch die Wahl gewann.
Endstation Rente eher unwahrscheinlich
Ob Wirth sich im Ruhestand wieder politischen Ambitionen widmen möchte, lässt er noch offen. "Da muss ich ehrlich noch drüber nachdenken." Ehefrau Heike habe ihm in Hinsicht auf sein Alter abgeraten: "Sie hat gesagt, Du machst mir nicht den Biden!"
Aber zumindest mit Straßenbahnfahren ist jetzt Schluss. Wirth möchte sich dann weiter für schwerstkranke Kinder und Menschen engagieren, die "nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen". Und nach all den Jahren im Schichtdienst die Zeit nutzen, um sich wieder einen Freundes- und Bekanntenkreis aufzubauen.
Seine Rente gemütlich auf der Couch zu verbringen, ist für den Bahnbabo keine Option. "Ihr müsst nicht traurig sein, ich bin ein Kind dieser Stadt", sagt er. "Ihr werdet mich immer wieder sehen, entweder in der Politik oder in einem Nachrichtenblatt."