Modellprojekt des Bundes Im Kreis Groß-Gerau könnte es Cannabis bald in Apotheken geben

Kiffen im Sinne der Wissenschaft: Der Kreis Groß-Gerau will sich an einem Forschungsprojekt des Bundes beteiligen und für eine begrenzte Zeit den Cannabis-Verkauf in Apotheken erlauben. Im Vergleich zu anderen Bewerbern für das Projekt sieht sich die Region im Vorteil.

Hanfplanzen stehen in einem Gewächshaus
Groß-Gerau will sich an einem Forschungsprojekt zum Cannabis-Konsum beteiligen. Bild © picture-alliance/dpa

Cannabis für den Eigenbedarf in der Apotheke kaufen - im Kreis Groß-Gerau könnte das bald möglich sein. Am Donnerstag hat der Landkreis eine Bewerbung für ein entsprechendes Forschungsprojekt des Bundes auf den Weg gebracht.

Der Kreistag hatte im Sommer mehrheitlich dafür gestimmt. Im Januar soll ein entsprechender Antrag eingereicht werden.

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Auch Frankfurt und Wiesbaden bewerben sich

Seit diesem Jahr sind der private und der nicht-gewinnorientierte Eigenanbau in Deutschland erlaubt.

Mit einer bundesweiten und wissenschaftlich begleiteten Studie möchte das Bundesgesundheitsministerium herausfinden, wie sich der kommerzielle Cannabis-Verkauf etwa über Apotheken und Fachgeschäfte auswirkt: auf den Konsum, die Wirtschaft und den Schwarzmarkt.

Bundesweit haben sich mehrere Städte und Kreise für das auf fünf Jahre angesetzte Modellprojekt beworben, in Hessen etwa Frankfurt und Wiesbaden.

Während sich Wiesbaden wie der Kreis Groß-Gerau für den Verkauf in Apotheken bewerben will, bringt sich Frankfurt für den Verkauf in eigens eingerichteten Fachgeschäften in Stellung.

Kreis will "Debatte versachlichen"

Groß-Gerau plant dafür eine Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der Universität Düsseldorf sowie dem lokalen Pharmahändler Cansavita aus Mörfelden-Walldorf zusammen. Dieser versorgt Apotheken bereits seit 2017 mit medizinischem Cannabis.

Man wolle so zur Versachlichung der Debatte um Cannabis-Konsum beitragen und wirtschaftliche sowie gesellschaftliche Effekte untersuchen, erklärte der Erste Kreisabgeordnete Adil Oyan (Grüne).

Seinen Landkreis sieht er als besonders geeignet an. "Wir haben sowohl urbane als auch ländlichen Strukturen", sagte Oyan dem hr. "Das könnte spannend werden."

Ziel: Schwarzmarkt zurückdrängen

Auch Justus Haucap von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf sieht gute Chancen für Groß-Gerau. Bei den übrigen Bewerbern handele es sich hauptsächlich um Großstädte.

"Hier könnten wir sehen, wie sich das Konsumverhalten im Vergleich zu Städten unterscheidet", so der Wirtschaftswissenschaftler.

Laut Haucap konsumiert derzeit jeder Zwanzigste in Deutschland "mehr oder minder regelmäßig" Cannabis. Für die Forschung sei es wichtig zu verstehen, ob die Abgabe über Apotheken etwa den Schwarzmarkt zurückdrängen könne.

Bisher keine Daten aus Deutschland

"Bisher haben wir in Deutschland kein Wissen darüber, wie ein legaler Markt für Cannabis funktionieren würde", so Haucap. Stattdessen würden hauptsächlich Erfahrungen aus den USA und Kanada herangezogen.

Ob man dies auf Deutschland übertragen könne, sei unklar. Schließlich sei das Konsumverhalten hierzulande "schon immer anders" gewesen.

Projekt soll ökonomische Auswirkungen klären

Der Wissenschaftler betont: Es gehe bei dem Forschungsprojekt nicht um die medizinischen Auswirkungen von Cannabis, sondern um seine ökonomischen und gesellschaftlichen. Dabei gehe es etwa um die Frage, welche Kundengruppen das Rauschmittel überhaupt beziehen – und aus welchen Quellen.

Außerdem wolle man klären, wie sich der Konsum anderer Substanzen nach der Legalisierung von Cannabis entwickele, etwa von Alkohol, Schmerzmitteln oder illegalen Drogen.

Auch die Preisgestaltung spielt Haucap zufolge eine Rolle: Welchen Preis sind Konsumenten bereit zu zahlen, und wie muss er im Wettbewerb zum Schwarzmarkt gestaltet sein, auf dem ein Gramm Cannabis derzeit etwa zehn Euro kostet?

Infrastruktur von Apotheken nutzen

Der Projektpartner Cansativa hält Apotheken für einen geeigneten Vertriebsort, um diese Erkenntnisse zu gewinnen. "Sie sind etabliert und können auf bestehende Infrastrukturen zurückgreifen", sagt Mitbegründer Jakob Sons. Außerdem gebe es dort schon Erfahrungen mit dem Produkt und entsprechend geschultes Personal.

Welche Apotheken im Kreis sich am Projekt beteiligen würden, ist noch nicht klar. Einige hätten schon Interesse bekundet. "Niemand wird gezwungen", sagt Sons. Er hofft auf eine große freiwillige Bereitschaft.

Teilnehmer werden anonymisiert

Das gilt auch für die Teilnehmenden auf Konsumentenseite. Für das Projekt zugelassen werden nach aktuellem Stand nur vorher registrierte volljährige Einwohnerinnen und Einwohner des Kreises, die keine Vorerkrankungen haben.

Ihr Kaufverhalten und ihre Erfahrungen würden anonymisiert, sagt der Kreisabgeordnete Oyan. "Die Uni wird keine Erkenntnisse über die Personen haben." Mit Fragebögen sollen die Teilnehmenden und ihr Konsumverhalten regelmäßig und engmaschig erhoben werden.

Erste Ergebnisse wohl erst nach zwei Jahren

Wissenschaftler Haucap schätzt, dass etwa nach einem bis zwei Jahren nach Projektstart erste Ergebnisse vorliegen. "Das Thema ist zu wichtig, um Schnellschüsse zu wagen", sagt er.

Gerade am Anfang gebe es häufig "Probiereffekte", die nicht dauerhaft anhielten. Deshalb dürfe man erste Zahlen nicht überinterpretieren.

Projektstart noch vor Regierungswechsel erwartet

Adil Oyan rechnet noch vor einem Regierungswechsel mit einer Entscheidung des Bundesgesundheitsministeriums. Ein genauer Zeitpunkt dafür steht aber nicht fest.

Der Kreis sieht sich aber gewappnet, nach einer Zusage schnell starten zu können. "Auch, weil Cansativa über viel Erfahrung und ein großes Netzwerk verfügt", so der Grünen-Politiker.

Redaktion: Anna Lisa Lüft

Sendung: hr INFO,

Quelle: hessenschau.de, mit Informationen von Anna Vogel (hr)