Bei Gießen und Wetzlar Deutscher Wetterdienst bestätigt zwei Tornados in Mittelhessen
War es ein Tornado - oder nicht? Inzwischen ist sich der Deutsche Wetterdienst sicher: Nicht nur einer, sondern gleich zwei Tornados wirbelten am Sonntag bei Gießen und Wetzlar.
Knapp zwei Tage nach Meldungen über einen mutmaßlichen Tornado in Mittelhessen hat der Deutsche Wetterdienst (DWD) in Offenbach das seltene Wetterereignis bestätigt.
Wie der DWD-Tornadobeauftragte Andreas Friedrich dem hr am Dienstag sagte, wurde das heftige Unwetter am Sonntag von gleich zwei Tornados im Fernwalder Ortsteil Annerod (Gießen) und im 17 Kilometer entfernten Wetzlarer Stadtteil Garbenheim begleitet.
Augenzeugenberichte und Videos als Beweis
Die am Montag ausgewerteten Augenzeugenberichte sowie ein von der Feuerwehr Annerod übermitteltes Video einer Augenzeugin ließen darauf schließen, sagte Friedrich. Die Frau hatte in Fernwald-Annerod unter einem Vordach Schutz gesucht, als eine Windböe sie erfasste.
Die Frau wurde mit Hund und Kinderwagen zu Boden gerissen. Kurz zuvor riss der Wind einen Zaun aus dem Boden und wirbelte ihn in die Höhe. "Die Dame mit Kind wurde hierbei glücklicherweise nicht verletzt", teilte die Feuerwehr Annerod dazu auf Twitter mit und veröffentlichte das Video der Augenzeugin.
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Zwei Tornados: Erst Garbenheim, dann Annerod
Nach Auffassung von Friedrich erreichte das Unwetter gegen 16.20 Uhr Fernwald-Annerod (Gießen). Vor Ort bildete sich dann der Tornado. "Wenige Minuten" zuvor war ein ähnlich heftiges Unwetter mit Tornado-charakteristischen Merkmalen durch Wetzlar-Garbenheim gefegt.
"Der Ursprung lag sicherlich in derselben Gewitter- oder Schauerzelle", erklärte der DWD-Tornadobeauftragte. "Nur gehe ich momentan nicht davon aus, dass das Ereignis durchgängig Bodenkontakt hatte."
Dieses Merkmal sei Voraussetzung für einen Tornado. In dem Video erkenne man die ebenfalls Tornado-charakteristischen Rotationen des Windes. "Kurz vor Abbruch des Videos sieht man, wie sich der Dreck und die Trümmer kreisförmig um ein Zentrum bewegen."
Womöglich auch unentdeckte Tornados
Gab es außerdem noch einen dritten Tornado? Noch immer würden einzelne Schilderungen vom Sonntag geprüft. "Es ist nicht auszuschließen, dass es auch noch andere Orte mit eventuellem Bodenkontakt gab." Zur Bestimmung und Aufnahme in die Tornado-Datenbank brauche es jedoch eindeutige Augenzeugenberichte, sagte der DWD-Fachmann.
Tornados sind in Deutschland äußerst selten, kommen aber durchaus vor. Zwischen 20 und 80 Tornados registriert der DWD jedes Jahr. Auch in Hessen gab es in den vergangenen Jahren bereits Meldungen und zum Teil schwere Schäden nach Tornados, etwa als 2010 ebenfalls in Mittelhessen ein Tornado durch den Grünberger Ortsteil Reinhardshain (Gießen) fegte und dort 84 der rund 200 Häuser beschädigte - ein Millionenschaden.
Schadenshöhe nach Tornado unklar
Wie hoch der Schaden ist, den die zwei Tornados bei Wetzlar und Gießen verursachten, ist noch unklar. Im Fernwalder Ortsteil Annerod wurden mehrere Dächer abgedeckt, Bäume abgeknickt, Holzlatten aufs Feld geschleudert, ein Strandkorb wurde durch die Gegend gewirbelt. Insgesamt wurden 14 Häuser wurden laut Feuerwehr beschädigt, verletzt wurde niemand.
hr-Meteorologe: "Rüsselförmige Trichterwolke"
Auch Meteorologe Tim Staeger aus der hr-Wetterredaktion war von einem Tornado ausgegangen. Charakteristisch für Tornados sei immer eine rüsselförmige Trichterwolke, die aus einer Gewitterwolke von oben nach unten rauswächst. "Sobald sie den Boden berührt, gilt es als Tornado."
Hinzu komme eine Windstärke, die noch deutlich stärker sei als ein Orkan, von dem man ab 120 km/h spricht. "Tornados können hierzulande über 250 km/h Windstärke haben - in den USA sogar noch mehr."
Sendung: hr4, 27.3.23, 12.45 Uhr
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