Fotos mit Rechtsextremen aufgetaucht Verfahren gegen nordhessische Polizisten wegen Nazi-Kontakten

Eine linke Recherchegruppe hat Namen und Bilder von mutmaßlichen Rechtsextremisten veröffentlicht. Darauf zu sehen sind auch zwei Polizisten aus Nordhessen. Einer ist bereits suspendiert - der andere spricht von Wahlkampf für die FDP.

Ein Mann mit zwei Grableuchten in der Hand und einer Fahne des dritten Wegs bei einer Demonstration
Eine Demonstration der Kleinstpartei "Dritter Weg" 2019 in Fulda. Bild © picture-alliance/dpa (Archiv)
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Linke Recherchegruppen sind in Nordhessen aktiv, immer wieder veröffentlichen sie Namen und Fotos von mutmaßlichen Rechtsextremisten. Zuletzt gab es ein solches "Outing" zur rechtsextremen Kleinstpartei Dritter Weg und der bis vor kurzem vor allem auf Instagram aktiven "Scheiteljugend". Jetzt bestätigte die Polizei, dass auf den Fotos auch zwei Polizisten neben Rechtsextremen zu sehen sind.

Strafverfahren gegen Polizisten

Einer der abgebildeten Beamten sei schon vorher negativ aufgefallen und nicht mehr im Dienst, hieß es von der Polizei am Dienstag. Dem Beamten sei bereits wegen eines anderen Strafverfahrens das Führen der Dienstgeschäfte verboten worden. Das Disziplinarverfahren werde nun ausgedehnt, sei aber aktuell wegen des laufenden Strafverfahrens ausgesetzt.

Der andere Polizist hat sich nach eigener Aussage eher aus Versehen mit einem der Rechtsextremisten ablichten lassen. Der hr hatte den Polizisten Manuel L. aus Bad Wildungen bereits vergangene Woche gefragt, warum er als FDP-Politiker und Polizist in Waldeck-Frankenberg beim Boxtraining mit einem Rechtsextremisten zu sehen ist.

FDP-Politiker posiert mit Neonazi

Er antwortete ausführlich: Er habe es sich als Politiker eine Fotoserie zur Aufgabe gemacht, in der er unter dem Hashtag "RentAStadtrat" an Trainingseinheiten von Vereinen teilnimmt. "Im November 2021 berichtete ich über das Training in der Kampfsportschule Fight Club 21. Hier ist das von Ihnen erwähnte Foto entstanden", sagte er dem hr.

Der Betreiber des mittlerweile in Bad Wildungen aufgelösten Fight Clubs stand im Fokus des "Outings" der linken Recherchegruppe. Der Dritte Weg propagiert gerne Nazithesen von Kraft, Stärke und Männlichkeit - im Fight Club sollen Neonazis das Kämpfen geübt haben.

Disziplinarverfahren wegen Foto

Gegenüber dem hr beteuerte Manuel L., dass er damals nichts von dem politischen Hintergrund des Mannes gewusst habe, mit dem er für das Foto posierte. "Ich stehe mit klarer Meinung gegen Rassismus, insbesondere im Alltag, und mache meinem Umfeld unmissverständlich klar, dass ich nationalsozialistisches und antidemokratisches Verhalten nicht toleriere", sagte er.

L. untersteht dem Polizeipräsidium Nordhessen, das nun ein Disziplinarverfahren "wegen eines möglichen Verstoßes gegen die Wohlverhaltenspflicht nach dem Beamtenstatusgesetz" eingeleitet hat. Er sei zunächst von seinen Aufgaben bei der Polizeidirektion Waldeck-Frankenberg entbunden worden und arbeite in einem anderen Bereich des Präsidiums. Gleichzeitig sei aufgrund des "Outings" der linken Recherchegruppe auch eine Gefährdungslagebewertung für den Beamten eingeleitet worden.

"Stützpunkt Kurhessen"

"Bis zum Ausgang des Disziplinarverfahrens gilt auch bei Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten die Unschuldsvermutung", sagte Konrad Stelzenbach, Polizeipräsident in Nordhessen. Gleichwohl müsse das Verhalten von Polizisten sowohl beruflich als auch privat der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf einfordere. "Denn so etwas schadet massiv dem Ansehen der Polizei und dem Vertrauen, welches die Bürgerinnen und Bürger in uns setzen", so Stelzenbach.

Die "Extremismusresilienz" in der Polizei müsse gestärkt werden. Immer wieder hatte es in den vergangenen Jahren Ermittlungen gegen hessische Polizisten und Polizistinnen gegeben.

Das Outing der Recherchegruppe hatte eigentlich ein anderes Thema: Mitte März gründete der Dritte Weg einen "Stützpunkt Kurhessen". Damit will die Gruppierung für interessierte Extremisten aus der Region ansprechbar sein und ihre Strukturen festigen.

"Nach vielen Jahren wieder neonazistische Struktur"

Das sei eine Neuerung, sagte Christopher Vogel vom Mobilen Beratungsteam gegen Rechtsextremismus in Kassel dem hr: "Das bedeutet, dass es nach vielen Jahren wieder eine neonazistische Struktur in Nordhessen gibt", sagt Vogel, "die Leute waren da, aber sie waren nicht organisiert und in eine bundesweite Vernetzung eingegliedert."

Das Landeskriminalamt teilte dem hr mit, an dem Wochenende der Gründung des Stützpunktes Mitte März habe es mehrere Kontrollstellen der Polizei im Bereich Knüll gegeben. In Schwarzenborn (Schwalm-Eder) steht der Reichshof, eine Immobilie, die seit Jahrzehnten Rechtsextremen gehört und ein Treffpunkt für die Szene ist. Es seien 49 Fahrzeuge und 71 Personen kontrolliert worden, teils seien verbotene Gegenstände und Propagandamaterial sichergestellt worden, teilte das LKA weiter mit. Auch ein Haftbefehl wurde demnach vollstreckt.

Im Reichshof sind gewerbliche Veranstaltungen eigentlich verboten. Landrat Winfried Becker (SPD) sagte dem hr, am Mittwoch sei ein Bescheid über ein Zwangsgeld von 2.000 Euro an die Verantwortlichen des Reichshofs geschickt worden.

Scheiteljugend löst sich nach "Outing" auf

Die Rechtsextremen versuchten zuletzt, besonders um die Gunst von jungen Menschen zu buhlen. Dazu diente auch der Instagram-Account einer Gruppe, die sich "Scheiteljugend Kassel" nennt, eine Art Vorfeldorganisation des Dritten Wegs, bevor die ihren "Stützpunkt" gründeten, schätzt Rechtsextremismusexperte Vogel.

Auf dem Account waren vor allem Bilder von Gruppen junger Männern in weißen T-Shirts, weißen Sturmhauben und mit geballten Fäusten zu sehen. Wer sich als "deutschtümelnd" verstehe und einen rechten Umsturz will, solle ihnen eine Mail schreiben, hieß es unter den Instagram-Posts. Der Account hatte über 600 Follower, nach der "Outing"-Aktion wurden diese Woche alle Bilder gelöscht. Übrig ist nur noch ein Statement, dass die Auflösung der "Scheiteljugend" bekannt gibt.

Weitere Informationen

Sendung: hr-iNFO, 27.04.2023, 16.30 Uhr

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Quelle: Leander Löwe