Drogen und Waffen per Post Wie Marburger Ermittler Internetkriminellen auf die Spur kommen
Von Maschinengewehren bis Blue Punisher: Viele illegale Waren werden übers Darknet bestellt und per Post verschickt. Manches kommt allerdings nicht an. Dann wird eine deutschlandweit einzigartige Taskforce der Polizei in Marburg aktiv.
Die Klappkarte sieht von außen völlig harmlos aus: Alles Gute zum Schulanfang steht darauf, darüber strahlt ein bunter Regenbogen. Aber: Sie ist verdächtig dick.
In einem Polizeigebäude bei Marburg legt eine Polizeibeamtin in voller Schutzmontur die Karte in einen verglasten Laborschrank. Mit spitzen Fingern holt sie eine kleine Plastiktüte heraus: weißes Pulver. Mit einem Analysegerät stellt die Polizistin fest, Amphetamine, 9,1 Gramm.
Briefermittlungsstelle der Post in Marburg
Im Darknet bestellt, per Post verschickt. Ob Drogen, Waffen oder Falschgeld - der Handel mit illegalen Waren nach Onlineshop-System floriert. Doch für alle Briefe gilt: In selten Fällen kommen sie auch mal nicht an. Ein Zahlendreher, eine unleserliche Schrift oder eine Beschädigung reicht schon - und dann landet ein Brief in Marburg.
Hier befindet sich nicht nur die deutschlandweite Briefermittlungszentrale der Post, sondern seit 2021 auch eine deutschlandweit einzigartige Taskforce der Polizei: die Einheit Polizeiliche Ermittlungen Postversand, kurz PEP.
Sie wurde ins Leben gerufen, um Internetkriminellen besser auf die Spur zu kommen, die ihre Waren per Post verschicken. Nach zwei Jahren hat die Taskforce nun Einblicke in ihre Arbeit gewährt.
Von Munition bis Chrystal Meth
Auf einem langen Tisch sind einige der Asservate aufgereiht: Schlagringe, Munition und dicke Stapel Falschgeld zum Beispiel. Außerdem Tüten mit Heroin, Kokain und Chrystal Meth.
In den vergangenen zwei Jahren hat die Taskforce über 15.000 Asservate sichergestellt, an manchen Tagen kamen bis zu 160 Briefsendungen bei den Ermittlern an.
Drogen im Kilo-Bereich
Manfred Scholz, der Leiter der Einheit, hebt eine große Tüte mit Pulver hoch. "Manche Leute denken: Da wird vielleicht mal ein Gramm verschickt", sagt er. "Aber wir reden hier zum Teil über erhebliche Mengen bis hin zum Kilobereich." 1 Gramm dieses Stoffs koste auf der Straße beispielsweise rund 50 Euro, erklärt Scholz.
Hinzu komme: Die per Post verschickten Waren hätten häufig einen besonders hohen Reinheitsgehalt, weil sie für den Straßenverkauf noch weiter gestreckt werden.
"Für den Konsumenten sind solche Drogen wegen ihres hohen Wirkstoffgehalts hochgefährlich", sagt Scholz. "Genau so wie das hier."
Der Polizist hebt eine Tüte mit blauen Pillen hoch: Blue Punisher sei das. Der gleiche Ecstasy-Wirkstoff, an dem erst kürzlich eine 13-Jährige in Mecklenburg-Vorpommern gestorben ist.
Etwas weiter daneben liegt eine Tüte mit merkwürdig aussehenden Metallteilen. Die gehören zu einer tschechischen Skorpion-Maschinenpistole, erklärt Scholz. "Die ist komplett zerlegbar, die Teile hier sehen so aus, als könnten sie aus dem Baumarkt sein."
Hohe Aufklärungsquote
Der Marburger Taskforce gehören 22 Ermittlerinnen und Ermittler an. Die Aufklärungsquote sei verhältnismäßig hoch, meint Scholz und erklärt: Oft würden schon die Daten reichen, die der Brief selbst enthält. "Am meisten Interesse haben wir natürlich an den Versendern."
Die Ergebnisse gebe man schließlich an Staatsanwaltschaften in ganz Deutschland weiter. Seit Start der Einheit 2021 habe PEP schon mehr als 320 Serienstraftaten feststellen können, insgesamt habe man 7.000 Straftäter namentlich ermittelt.
Tropfen auf den heißen Stein
Allerdings: Es bleibt ein Tropfen auf den heißen Stein, sagt Scholz. Rund 85 Milliarden Postsendungen unter zwei Kilogramm werden pro Jahr in Deutschland verschickt. Nur 0,02 Prozent der Sendungen landet als unzustellbar in der Marburger Briefermittlungszentrale der Post. Und nur das, was darin verdächtig wirkt, landet schließlich bei den Ermittlern von PEP.
Scholz: "Die Post ist ja grundsätzlich sehr verlässlich und deshalb ist es für uns als Ermittler überhaupt nicht zu ermessen, wie viele illegale Waren jeden Tag in Deutschland verschickt werden und auch bei ihren Empfängern ankommen."
Trotzdem sei man bei der Taskforce sehr motiviert, meint Scholz. Er sagt: Jede potenziell lebensgefährliche Pille, die nicht konsumiert wird, und jeder Verkäufer solcher Waren, den man aus dem Verkehr ziehen konnte - das mache einen Unterschied.
Sendung: hr4, 03.07.2023, 16.30 Uhr
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